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# taz.de -- Nordländer planen Energiezukunft: Vom Winde verwöhnt
> Schleswig-Holstein und Hamburg wollen in 20 Jahren gemeinsam ganz auf
> erneuerbare Energien umgestiegen sein. Das Projekt heißt NEW 4.0.
Bild: Steife Brise gibt Energie: Schleswig-Holsteins Ökostrom-Potenzial wird a…
HAMBURG taz | Sie planen die Revolutionierung der Energiezukunft: Mit der
Verbindung von Ökostrom und industrieller Digitalisierung wollen Hamburg
und Schleswig-Holstein binnen 20 Jahren vollständig auf Stromversorgung aus
erneuerbaren Energien umgestiegen sein. Letztlich wollen die beiden Länder
den Verbrauch der Erzeugung anpassen – mit möglicherweise weitreichenden
Konsequenzen auch für Produktionsabläufe und Arbeitszeiten in
energieintensiven Unternehmen. Das sei „der nächste logische Schritt in
eine Energiezukunft ohne Kohle und Atom“, sagt Hamburgs grüner
Umweltsenator Jens Kerstan. „Wegweisend für ganz Deutschland“ sei das
Vorhaben, sagt die grüne Staatssekretärin im schleswig-holsteinischen
Energieministerium, Ingrid Nestle.
Spätestens 2035 wollen Schleswig-Holstein und Hamburg „zu 100 Prozent auf
erneuerbare Energien zurückgreifen und das zu jeder Zeit“, kündigt
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) an. „Die
Energiewende kann nicht alleine dadurch gelingen, im Norden Windstrom zu
produzieren und den dann in den Süden abzutransportieren“, sagt Meyer. Das
auf 20.000 Megawatt geschätzte Ökostrom-Potenzial im nördlichsten
Bundesland müsse voll ausgeschöpft werden, aktuell werde lediglich ein
Drittel davon genutzt.
Derzeit haben erneuerbare Energien in Schleswig-Holstein an windreichen
Tagen rechnerisch einen Anteil von bis zu 100 Prozent, in Hamburg sind es
lediglich drei Prozent. Zusammen kommen beide Länder auf einen
Ökostromanteil von 40 Prozent – das entspricht jetzt schon der
gesamtdeutschen Zielmarke für 2025. Beabsichtigt ist nun, den
Stromproduzenten Schleswig-Holstein und den Stromverbraucher Hamburg so
miteinander zu vernetzen, dass ihr gemeinsamer Verbrauch 2025 zu 70 Prozent
und zehn Jahre später vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt wird.
Eine der größten deutschen Ökostrom-Erzeugerregionen mit einer der großen
Verbraucherregionen zusammenzubringen, hält Meyer für „eine der
spannendsten Fragen der Energiewende überhaupt“.
Und dafür soll jetzt das Projekt Norddeutsche Energiewende 4.0 (NEW 4.0)
sorgen. Daran beteiligen sich mehr als 60 Industrieunternehmen,
Energieversorger, Netzbetreiber, Hochschulen und Behörden aus
Norddeutschland. Der Bund unterstützt es mit rund 40 Millionen Euro in den
kommenden vier Jahren, die Unternehmen steuern weitere 60 Millionen Euro
bei. „Wir wollen den grünen Windstrom vor Ort nutzen und veredeln, auch für
Wärme zum Heizen“, sagt Meyer.
Gelingen kann eine hundertprozentige Versorgung mit Ökostrom aber nur mit
effektivem Stromlast-Management, einem leistungsstarken Netz und neuen
Stromspeichern. „Denn wir haben mehr erneuerbaren Strom als wir hier
verbrauchen können“, sagte Matthias Boxberger, Vorstandsvorsitzender von
Hansewerk. Rein rechnerisch sei Schleswig-Holstein bei vollständiger
Realisierung aller geplanten Offshore-Windparks in der Lage, dreimal mehr
Ökostrom zu produzieren als gebraucht wird. Das Land zwischen den Meeren
könnte so zum größten Ökostrom-Exporteur Deutschlands werden.
Deshalb gehört zu den weiteren Zielen von NEW 4.0 eine erhöhte
Selbstverwertung in der Region. Durch Stärkung des Wirtschaftsstandorts und
zusätzliche Unternehmensansiedlungen soll ein wachsender Anteil des
erzeugten Stroms vor Ort verbraucht werden. „Dafür muss eine Balance
gefunden werden zwischen dem Export von Energie (verbunden mit dem
weiterhin notwendigen Netzausbau) und der Nutzung am und für den
Wirtschaftsstandort“, heißt es in einem Hintergrundpapier des
Wirtschaftsministeriums in Kiel.
Boxberger ist überzeugt, dass diese Doppelstrategie realisierbar ist.
„Voraussetzung ist allerdings ein für alle Marktteilnehmer transparentes
Netzsystem.“ Es sei unerlässlich, dass die Sicherheit der Versorgung
garantiert und das System bezahlbar sei. Sonst litten Klimaschutz und
gesellschaftliche Akzeptanz gleichermaßen. Realisiert werden müsse deshalb
eine „flexible und intelligente Vernetzung von Erzeugern und Verbrauchern“,
die „effiziente Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Verbrauch“ der
Energie sicher stelle. Eine zentrale Rolle soll dabei die
Telekommunikationstechnologie spielen: Denn die einzelnen Systemkomponenten
von Erzeugern bis zu Speichern müssen effektiv vernetzt und gesteuert
werden können.
Hamburgs Umweltsenator Kerstan hofft schon auf „einen Innovationsschub für
die Industrie und für grüne Technologien“ im Norden. Dann könne die ganze
Region „zum Leuchtturm werden für eine zukunftsfähige Energiewirtschaft in
ganz Deutschland“.
30 Dec 2015
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Erneuerbare Energien
Ökostrom
Energiewende
Windkraft
Kosten
Bund
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Hamburg
Energiewende
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