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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Das Jahr der Bundeskanzlerin
> „Typische Unfried-Frage“: Warum profitieren die Bundesgrünen nicht von
> dem gesellschaftlichen Großprojekt Flüchtlingshilfe?
Bild: Angela Merkel auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember in Brüssel.
Warum lebt die soziale und politische Mitte dieses Landes mit dem
gesellschaftlichen Großprojekt Flüchtlingshilfe grüne Werte – und die Grü…
Bundespartei profitiert überhaupt nicht von dieser engagierten
Bürgergesellschaft?
„Typische Unfried-Frage“, seufzte ein Intellektueller und legte sofort
wieder auf.
Ich verstehe ihn so: Normale Menschen kämen nicht auf die Idee, sich das zu
fragen.
Warum sollte das den Grünen Zustimmung bringen? Zwar ist Flüchtlingspolitik
identitätsstiftend für sie, aber wie bei der sozialen Gerechtigkeit (vgl.
Wahl 2013) können sie damit bis auf weiteres nur verlieren.
Gesellschaftliche Stärkung bringt ihnen das deshalb nicht, weil die Leute
jenseits der Altkernzielgruppe nicht nach Humanismus-Superlativen wählen,
sondern nach Lösungskompetenz (wie inkompetent diese Zuschreibungen auch
immer sein mögen.) Die wird Grünen in allem zugeschrieben, was mit der
sozialökologischen Transformation zusammenhängt, von der Energie- über die
Agrar- zur Verbraucherwende.
Darüber hinaus baut sich das erst auf, wenn sie Kompetenz in der
Verantwortung nachweisen. Das war bei Außenminister Fischer so. Das ist so
bei Ministerpräsident Kretschmann. Bei Wirtschaftsminister Al-Wazir. Bei
Finanzministerin Heinold. Bei Wissenschaftsministerin Bauer. Bei
Oberbürgermeister Palmer. Da sagen die Leute: Ah, läuft ja.
Und dann ist da die Bundeskanzlerin, die 2015 in der zweiten Halbzeit zu
ihrem Jahr gemacht hat. Merkel hat die Linksliberalen mit ihrer
Flüchtlingspolitik, einer verbesserten Darstellung und vor allem mit ihrer
Haltung hinter sich gebracht. Oder wie es ein Superchecker sagt: „Normativ
ist Merkel topp. Was willst Du da sagen?“
Ob das wirklich so ist? Es wird ihr zugeschrieben. Und das ist eine neue
Vertrauensgrundlage. Der politische und emotionale Graben verläuft
zumindest in diesem Moment nicht mehr zwischen links/grün und
unionskonservativ, sondern zwischen Befürwortern der möglichst offenen und
denen der möglichst nicht offenen Gesellschaft.
Zu letzteren gehören Teile der Union, aber auch SPD- und Linksparteiwähler.
Und die FAZ, die sich als Anti-Merkel-Medium Nummer 1 neu erfunden hat. Das
ist nicht ironisch oder beängstigend, sondern ein Beleg, dass man mit den
Einsortierungen von gestern keine Chance auf Morgen hat.
Merkel hat diese Komplexität offiziell zur Grundlage der Flüchtlingspolitik
gemacht, gegen die Illusionisten in der Union. Und die regierenden Grünen
in den Ländern haben das auch getan, gegen die Illusionisten in der eigenen
Partei.
Der Bund-Länder-Kompromiss zwischen Merkel und den Grünen entspricht nicht
dem Ideal Grüner Asylpolitik. Aber eine alternative Flüchtlingspolitik wäre
nicht offener als die von Merkel und Kretschmann. Sondern weniger offen.
Das ist die demokratische Realität, auch wenn das einige bei den Grünen
schwer aushalten.
Zwischen ihrem Ideal der offenen Grenzen und der Drohung einer
Renationalisierung und Abschottung, sind die CDU-Bundeskanzlerin und die
Länder-Grünen im Bundesrat einen dritten Weg gegangen. Das klingt jetzt
vielleicht nicht antiautoritär, aber damit haben sie Führung gezeigt, Mut
bewiesen und sind ihrer politischen Verantwortung gerecht geworden.
Die Grüne Mitgestaltung einer offenen Gesellschaft geht nur mit dem
Vertrauen der bürgerlichen Mitte, dass wir das mit Grünen Politikern auch
schaffen. Vielleicht sogar besser. Insofern haben die Länder-Grünen mit dem
erworbenen Vertrauensbudget ihrer Protagonisten maßgeblich dafür gesorgt,
dass die Zustimmung für die Bundespartei 2015 zumindest nicht abgesunken
ist.
24 Dec 2015
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Flucht
Grüne
CDU/CSU
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Klimawandel
Bündnis 90/Die Grünen
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