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# taz.de -- Angela Merkel als „Person of the Year“: Der Westen als Glaubens…
> Die Kanzlerin ist zweifellos sehr einflussreich. Dass das „Time Magazine“
> sie aufs Cover holt, ist aber noch aus anderen Gründen folgerichtig.
Bild: Angela Merkel während ihrer Rede auf dem CSU-Parteitag am 20. November.
Angela Merkel reiht sich in einen illustren Kreis ein. Adenauer, Stalin,
Hitler, der Computer und die „Amerikanischen Frauen“ stehen ihr zur Seite.
Überhaupt Frauen. Da auch mal „Protesters“ und „You“, also quasi wir a…
vom us-amerikanischen Time Magazine zur „Person of the Year“ ernannt
wurden, sind es streng genommen gar nicht so wenige Frauen, wie immer
behauptet wird.
Queen Elizabeth II. wurde auch mal „Person of the Year“ und davor, 1936,
Wallis Simpson, die letztlich den Weg für die Queen freimachte. König
Edward VIII. verzichtete für sie auf den Thron, sein Bruder George,
Elizabeths Vater, beerbte ihn. Vielleicht wurde die Hitler-Verehrerin
Simpson auch nur deshalb zur Person des Jahres, weil der Führer selber noch
nicht mächtig genug war – Titelträger wurde er dann zwei Jahre später.
Aber wieso denn nun Merkel? In den Umfragen zu Hause steht sie schlecht da,
ihre großspurige Parole des „Wir schaffen das“ wird vom kaum zu stemmenden
Alltag und einem rassistischen Grundkonsens in Deutschland zur Karikatur.
Gerade erst musste sie sich von Horst Seehofer beim CSU-Parteitag wie ein
Schulmädchen behandeln lassen.
Trotzdem: Merkel, die mächtigste Frau, die zweitmächtigste Politikerin der
westlichen Welt, hat in den letzten Monaten mit ihrem scheinbar neuen und
plötzlichen Willen, Haltung zu zeigen, viele überrascht. Dabei ist ihr
Standpunkt zur Flüchtlingsfrage in seiner Konsequenz fast vorhersehbar. Sie
glaubt an den Westen und an dessen Werte. Sie glaubt daran, dass jede und
jeder eine Chance auf ein freies Leben in der Marktwirtschaft verdient hat.
Wer sollte das auch besser verstehen als Merkel, die immer sehnsüchtig in
den Westen blickte, die ihren Eltern nicht versprechen wollte, nicht doch
irgendwann Republikflucht zu begehen und die bis heute über die Jeans aus
dem Westen redet, die sie in der Schule nicht tragen durfte.
Merkel glaubt an den Westen, wie es schon lange kaum noch jemand tut. Und
sie verbürgt das mit ihrer Biographie. Sie verteidigt die Werte, die
Visionen, die Vergangenheit und die Marktwirtschaft, wie es sich schon
lange niemand mehr traut. Selbst wenn sie ihre Politik von den
reaktionäreren Kräften ihrer Regierung Stück für Stück aushöhlen lässt u…
aus Pragmatismus immer wieder nachgibt, so ist sie nicht bereit, auch nur
einen Schritt von ihrem Glauben an diese westlichen Werte abzuweichen. Vom
Time Magazine wurde sie nun zur „Person of the Year“ zur „Chancellor of t…
free World“ ernannt, weil sie bereit ist, diesen Glauben gegen alles zu
verteidigen – gegen ihr Kabinett, genauso wie gegen die eigene Bevölkerung
und natürlich Wladimir Putin.
Dabei ist sie nicht erst seit diesem Jahr eine Ikone des Westens, wie er
sich selbst gerne sieht. Schon George W. Bush inszenierte Merkel immer als
die, die es geschafft hat. Raus aus dem Unrecht, raus aus der Diktatur,
endlich in den Westen. Dazu passt ihre Rolle in antiwestlicher Propaganda
und konstruierten Feindbildern bei Verschwörungstheoretikern,
Antiamerikanern und Putinverstehern. Merkel ist dort noch ein viel
stärkeres Symbol für den Westen als Obama und Netanjahu es sind, und die
bringen schon traditionsgemäß eine große Horde Feinde mit.
Merkel repräsentiert vieles, was die durchschnittlichen Facebook-Hasser
ablehnen: die Emanzipation der Frauen, naturwissenschaftliche Rationalität
und einen etwas angestaubten Glauben an die Überlegenheit des Westens.
Davon abgesehen: Da es bei der Wahl der „Person of the Year“ nicht um
moralische Fragen geht, sondern um Einfluss oder „impact“ wie es so schön
heißt, ist die Wahl der Frau aus der Uckermark durchaus nachvollziehbar.
Mazel Tov!
Die Autorin ist für die Amadeu Antonio Stiftung als Fachreferentin für Hate
Speech und Redakteurin bei [1][no-nazi.net] tätig. Sie betreibt außerdem
das [2][Merkel-Blog]. Im Februar 2016 wird im Verlag Hoffmann und Campe ihr
Buch [3][“Fifty Shades of Merkel“] erscheinen.
9 Dec 2015
## LINKS
[1] http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/die-stiftung-aktiv/themen/im-internet…
[2] http://merkel-blog.de/
[3] http://www.hoffmann-und-campe.de/buch-info/fifty-shades-of-merkel-ebook-801…
## AUTOREN
Julia Schramm
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