# taz.de -- Pensionäre in BaWü: Fast 9.000 Euro im Monat für Lehrer | |
> In Baden-Württemberg werden pensionierte LehrerInnen für Deutschkurse für | |
> Flüchtlinge reaktiviert – zu doppelten Bezügen. Das schafft Unmut. | |
Bild: Hunderte pensionierte LehrerInnen haben sich schon gemeldet. | |
STUTTGART taz | Als Gustav und Waltraud Schneider vor über einem halben | |
Jahr helfen wollten, Flüchtlingen Deutsch beizubringen, hatte keiner | |
Verwendung für das Lehrerpaar aus Mannheim. Nicht die Sozialdienste, nicht | |
die Stadt. Allenfalls als Vertretung könne man sie auf eine Liste setzen, | |
hatte ihnen das Kultusministerium mitgeteilt. | |
Ende des Jahres dann hat Gustav Schneider einen Brief vom Kultusministerium | |
bekommen. Ob er sich nicht vorstellen könne, in sogenannten | |
Vorbereitungsklassen für Flüchtlinge „Deutsch als Zweitsprache“ zu | |
unterrichten. 30.000 pensionierte Lehrerinnen und Lehrer haben wie Gustav | |
Schneider im Südwesten Post bekommen, verbunden mit einem sehr großzügigen | |
Angebot. | |
Neben ihrer Pension sollen sie auch das volle Gehalt für ihre Schulstunden | |
behalten dürfen. Ein reaktivierter Lehrer könnte so mit Pension und Gehalt | |
auf fast 9.000 Euro kommen. | |
591 Lehrer haben bisher zugesagt, meldet das Stuttgarter Kultusministerium. | |
Doch die hohen Bezüge haben der Landesregierung auch eine Menge Kritik | |
eingebracht. Ein Altlehrer, der für Flüchtlingsunterricht extra kassiert, | |
koste dreimal so viel wie ein Berufseinsteiger, rechnete etwa der Bund der | |
Steuerzahler vor. Ein Ministeriumssprecher betont jedoch, dass es sich | |
dabei um eine „theoretische Zahl“ handele. | |
Die meisten Pensionäre wollten höchstens für sechs bis neun Stunden | |
eingesetzt werden. Das zeigen die ersten Rückmeldungen. Eine günstigere | |
Alternative gibt es derzeit ohnehin nicht. Fast alle qualifizieren | |
Lehramtsbewerber sind schon mit Stellen versorgt. | |
## Eine schnelle Reserve | |
Insgesamt sei oberstes Gebot, dass die Altlehrer nicht mit | |
Berufseinsteigern in Konkurrenz treten, beteuert das Kultusministerium. | |
Trotzdem bleibt eine Ungerechtigkeit im System, sagt Matthias Schneider von | |
der GEW Baden-Württemberg. Ehrenamtliche Sprachlehrer bekommen oft nicht | |
einmal ihre Kosten erstattet und Volkshochschullehrer, die eine wichtige | |
Arbeit für erwachsene Flüchtlinge machen, sind weit schlechter gestellt als | |
ihre verbeamteten Kollegen. | |
Doch sie alle werden auch künftig gebraucht werden, wenn es darum geht, | |
Flüchtlinge aller Altersklassen zu integrieren. Die pensionierten Lehrer | |
sind also so etwas wie die letzte schnelle Reserve. | |
Anhand der offiziellen Flüchtlingszahlen kalkuliert man in | |
Baden-Württemberg im Moment mit etwa 600 vollen Deputaten für die | |
Vorbereitungsklassen. Doch schon bei diesen vorsichtigen Schätzungen steht | |
derzeit gerade mal ein Drittel der benötigten Lehrkräfte zur Verfügung. | |
Deshalb sollen auch sogenannte Nichterfüller – Studenten aus | |
Nicht-Lehramtsfächern – künftig für die Sprachkurse herangezogen werden. | |
Allerdings ohne ein festes Übernahmeangebot. | |
Gustav Schneider und seine Lebensgefährtin haben dem Kultusministerium | |
bisher nicht geantwortet. Inzwischen unterrichten sie ehrenamtlich für den | |
Arbeitskreis Asyl. Zweimal sechzig Minuten für eine Gruppe von Flüchtlingen | |
aus Afghanistan und Gambia. Das Teilzeitengagement lasse sich aber besser | |
mit ihrem Leben als Pensionäre vereinbaren. | |
Das Angebot des Landes werde er wohl nicht mehr annehmen, glaubt Schneider. | |
Ums Geld gehe es dabei schon gar nicht. | |
NaN NaN | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
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