# taz.de -- Debatte NPD-Verbot: Unvermeidlich, aber nutzlos | |
> Der große Verbotsprozess gegen die kleine NPD wurde vom | |
> Verfassungsgericht eröffnet. Ob es je ein Urteil geben wird? | |
Bild: Protest gegen den Bundesparteitag der NPD im Jahr 2014. | |
Fast zwei Jahre nachdem der Bundesrat seinen Verbotsantrag gegen die NPD | |
einreichte, [1][haben die acht Richterinnen und Richter des Zweiten Senats | |
beschlossen], den Prozess kommenden März zu beginnen. Die | |
krisengeschüttelte NPD dürfte sich über die kostenlose Publicity freuen, | |
keine zwei Wochen vor dem Urnengang in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg | |
und Rheinland-Pfalz. Auch die Verbotsbefürworter frohlocken, es sei eine | |
„wichtige Hürde“ genommen, ja manche sehen schon ein Verbotsurteil wie die | |
Morgensonne aufgehen. | |
Zugegeben, ein Prozessbeginn ist besser als jene Abfuhr, die man sich 2003 | |
einhandelte. Doch gemach, ob es ein Verbotsurteil geben wird, steht in den | |
Sternen. Der Zweite Senat hat über den Einstellungsantrag der NPD noch | |
nicht entschieden – für dessen Abweisung eine Zweidrittelmehrheit, also 6 | |
der 8 Richter, stimmen müsste. Ja es ist nicht einmal sicher, ob das | |
Verfahren nach den ersten drei Tagen überhaupt fortgesetzt wird. | |
Weil die Verfassungsrichter ihre Entscheidung nicht begründet haben, steht | |
nur so viel fest: Sie halten den Antrag für „hinreichend begründet“, um | |
darüber zu verhandeln. Offenbar will sich das Gericht nicht wie 2003 | |
nachsagen lassen, den „Kampf gegen rechts“ zu sabotieren. Also beginnt man | |
den Prozess erst einmal – und teilt der Öffentlichkeit eine | |
„Verhandlungsgliederung“ mit. Sie klingt mehr nach juristischem Oberseminar | |
als nach einem politisch brisanten Prozess, doch sie hat es in sich. | |
Nicht einmal die Frage der „Verfahrenshindernisse“ ist vom Tisch. So will | |
man über die „Abschaltung von Quellen“, sprich der V-Leute, verhandeln. Im | |
März hatte das Gericht betont, dass es die Prozessvoraussetzungen „in jeder | |
Lage des Verfahrens“ zu prüfen hat. Anders gesagt: Ein | |
Einstellungsbeschluss ist nach wie vor möglich. | |
Werden sich sechs Richter finden, die sich von der Staatsfreiheit der NPD | |
durch über und über geschwärzte Geheimdienstakten überzeugen lassen? Das | |
Gericht könnte zwar auf einzelne Urkunden verzichten, aber nur, wenn ihre | |
Verwendung „mit der Staatssicherheit unvereinbar“ ist. Es könnte | |
andererseits Zeugen aus dem Geheimdienstmilieu, die sich hinter | |
„Sperrerklärungen“ verstecken, zur vollen Aussage zwingen. | |
Und sollte der NPD-Anwalt seine Behauptungen über eine „Ausspähung“ der | |
Prozessstrategie belegen, haben die Verbotsbetreiber ein weiteres Problem. | |
Zudem weist das Gericht die Antragsteller darauf hin, dass die eingereichte | |
Statistik über vorbestrafte NPD-Funktionäre, jedenfalls in anonymisierter | |
Form, „nicht verwertbar“ sei. | |
## Abstrakte oder konkrete Gefahr | |
1956 verbot das Verfassungsgericht die KPD, eine spätstalinistische Sekte, | |
allein wegen ihrer revolutionären Phrasen und „Fernziele“. Will es etwa | |
nach diesen Maßstäben einmal mehr eine Partei verbieten, die hier und heute | |
keinerlei Aussicht auf die Verwirklichung ihrer Ziele hat? | |
Dass es gerade hier eng werden könnte für die Verbotsbetreiber, zeigen die | |
Stichworte des Verhandlungsplans. Sie heißen „Organisationsgrad und | |
gesellschaftliche Reichweite“, „Gesinnungs- oder Handlungssanktion“. Sie | |
fragen nach der „Realisierungschance“ antidemokratischer Politik, nach dem | |
„Präventionszweck“ des Parteiverbots, also nach konkreter oder abstrakter | |
Gefahr. Kurz: Sie belegen, dass das Gericht offenbar gewillt ist, die | |
„Hürden“ für ein Parteiverbot hoch anzusetzen. Sollte es damit Ernst | |
machen, dann stehen die Verbotsbetreiber vor einem Problem. Denn sie haben | |
außer dem Vorwurf anstößiger Propaganda kaum etwas auf der Pfanne. | |
Der Senat will außerdem die „Europäische Menschenrechtskonvention“ | |
berücksichtigen. Der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm hat dazu das | |
Nötige gesagt: „Das Straßburger Gericht fragt nicht nur nach der Absicht, | |
die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, sondern auch nach der | |
Erfolgswahrscheinlichkeit. Wo soll die bei der NPD herkommen?“ Und | |
schließlich ist da noch die naheliegende Frage nach der | |
„Verhältnismäßigkeit“ (im Verbotsantrag beflissen kleingeredet). | |
Die Splitterpartei NPD zählt gerade einmal 5.000 Mitglieder; von den | |
Massenaufmärschen einer „Pegida“ und den Wahlerfolgen einer AfD kann sie | |
nur träumen. Wie sollte solch eine desolate Truppe, die sich im Großen und | |
Ganzen legaler Mittel bedient, in der Lage sein, die „Grundordnung“ zu | |
„beeinträchtigen“? | |
## Chapeau! Erstes Ziel erreicht | |
In der „Terminsladung“ heißt es: „Ob weitere Termine notwendig sind, wird | |
danach entschieden.“ Wer glaubt, die Beweisaufnahme über die | |
Verfassungswidrigkeit der NPD könnte in drei Tagen abgewickelt werden, ist | |
auf dem Holzweg. Gegen die (National-)“Sozialistische Reichspartei“ (SRP) | |
wurde 1952 zehn Tage verhandelt, bei der KPD waren es 1954/55 schon 51 | |
Tage. Seitdem sind die Anforderungen an ein faires Verfahren nicht laxer | |
geworden. Will sich das Gericht also die eigentliche Entscheidung über die | |
Durchführung eines aufwendigen Prozesses noch vorbehalten? | |
Chapeau! Die Verbotsbetreiber haben ihr erstes Ziel erreicht. Den großen | |
Verfassungsprozess gegen die kleine NPD werden sie bekommen: ein | |
Pyrrhussieg. Die inneren Widersprüche des Antrags werden im Prozess | |
sichtbar werden. Antidemokratische Sprücheklopferei und Hassparolen sind | |
gewiss ein Ärgernis, aber noch lange kein Verbotsgrund. Vielleicht schwant | |
den Bundesländern, dass sie in Zeiten von Pegida und AfD einem | |
„nationaldemokratischen“ Phantom nachjagen. Zu spät! Jetzt nimmt ein | |
jahrelang herbeigeredetes, ja geradezu aus der Zeit gefallenes Verfahren | |
seinen Lauf. | |
Natürlich geht es bei alldem auch um die Reife und das Selbstbewusstsein | |
der antragstellenden Mehrheitsparteien. Wie viel Dissens, wie viel | |
Opposition können sie vertragen, ja als provozierenden Gebrauch der | |
Freiheit respektieren? So läuft alles auf die eine zentrale Frage zu. Was | |
ist eigentlich schädlicher für die deutsche Demokratie: die Existenz der | |
NPD oder ihr Verbot? Next Stop Karlsruhe. | |
18 Dec 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Pruefung-des-Bundesverfassungsgerichts/!5258389/ | |
## AUTOREN | |
Johannes Lichdi | |
Horst Meier | |
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