# taz.de -- Skiförderung mit Schneekanonen: Am Riedberger Horn kracht es | |
> In Zeiten von Klimawandel, Erderwärmung und fehlendem Schnee setzen die | |
> Allgäu-Gemeinden auf mehr Pisten und Schneekanonen. | |
Bild: Im Allgäu sprießt der Flieder – doch die Schneekanonen stehen schon p… | |
RIEDBERGER HORN taz | Das Riedberger Horn bringt Thomas Frey ins Schwärmen. | |
„Das ist ein ganz besonderer Berg“, sagt der Umweltschützer, „man hat do… | |
einzigartige Erlebnisse.“ Vom Gipfel auf 1.787 Meter Höhe blickt man auf | |
die Oberallgäuer Bergwelt. Oberstdorf ist nicht weit, Österreich auch | |
nicht. „Die Aussicht ist gigantisch, die Lebensräume sind extrem | |
vielfältig“, sagt Frey, der beim Bund Naturschutz (BN) arbeitet, dem | |
bayrischen Ableger des BUND. „Diese Natur, diese Landschaft sind unser | |
Kapital.“ | |
Doch unterhalb des Berges kracht es – dort, wo die Vertreter des alpinen | |
Skisports auf die Landschaftsschützer treffen. Und die Menschen in dieser | |
dünn besiedelten Gegend, die hauptsächlich von Skiurlaubern leben, auf | |
andere, die meinen, dass sich in diesem Gebiet der Tourismus ändern sollte | |
– sanfter, schonender, umweltfreundlicher sollte er sein. Das Gegenteil | |
aber ist geplant. Eine moderne Zehner-Sesselliftanlage soll über die Region | |
surren, sie soll das eine Skigebiet bei Obermaiselstein mit dem anderen in | |
Balderschwang verbinden. | |
Das Projekt hat mehrere Probleme. Das größte davon ist der seit 43 Jahren | |
geltende Alpenplan. Das Riedberger Horn ist in der strengsten Schutzzone C | |
ausgewiesen. Neuerschließungen sind dort nicht erlaubt, eigentlich. | |
Der Kampf um den Berg ist entbrannt. Neue Mega-Liftanlagen und künstliche | |
Beschneiung in Zeiten des Klimawandels? Werden die Berge vollends kaputt | |
gemacht, damit man weit oben noch für einige Zeit ein bisschen Ski fahren | |
kann? Auch am Riedberger Horn war und ist es in diesen Wochen viel zu warm. | |
Bis zu 10 Grad wurden im 1.044 Meter hohen Balderschwang gemessen, Schnee | |
ist nur oben an den Nordseiten der Berge da, aber auch nicht viel. | |
## Heidelbeeren und Alpenrosen | |
Berni Huber sitzt an einem dunklen Holztisch in der Berghütte Grasgehren, | |
1.447 Meter hoch, wo die Talstation des Skigebiets liegt, und schüttelt | |
immer wieder den Kopf. „Skitourismus und Naturschutz müssen sich doch nicht | |
ausschließen“, sagt der drahtige Endvierziger. Das gemeinsame Wirtschaften | |
in diesem Fleck Allgäu, deren Berge die „Hörnergruppe“ heißen, sei | |
schließlich „über Jahrzehnte eine Erfolgsgeschichte“ gewesen. Bei der | |
Modernisierung des Skigebiets, das andere als Aufrüstung bezeichnen, gehe | |
es schließlich „um die Zukunft unserer Kinder“. | |
Huber war mal ein recht bekannter Skirennläufer, geboren in | |
Obermaiselstein, sechs Top-Ten-Ergebnisse im Weltcup. Seit zwölf Jahren ist | |
er Geschäftsführer des Skigebiets Grasgehren, den Posten hat er vom Vater | |
übernommen. Den Berni kennt hier jeder. Über die Leute vom BN oder vom | |
Alpenverein, die das Projekt strikt ablehnen, sagt er: „Je weiter weg die | |
sind, desto mehr geht es ihnen ums Prinzip.“ | |
Das Riedberger-Horn-Projekt aber, so sieht es Obermaiselsteins | |
Bürgermeister Peter Stehle, „ist kein Präzedenzfall“. Sondern eine | |
Ausnahme. Die Region gehört zu den vier schneesichersten Gebieten in | |
Deutschland, das sage sogar der Alpenverein. Beim Naturschutz habe man | |
„alles geprüft“, meint Stehle, der, nebenbei gesagt, die Skischule am | |
Riedberger Horn leitet. In Pistennähe wachsen weiterhin Heidelbeeren und | |
Alpenrosen. Und das Fortbestehen des streng geschützten Birkhuhns, das am | |
Riedberger Horn eine Besonderheit darstellt, sei auch gesichert. | |
Um der Schutzzone C des Alpenplans zu entkommen, streben die Befürworter | |
ein sogenanntes „Zielabweichungsverfahren“ an. Mit diesem Instrument aus | |
der Raumordnung könnte das durchgesetzt werden, was eigentlich verboten | |
ist. Kommunen haben die Möglichkeit, von verbindlichen Zielen abzuweichen, | |
wenn dies als vertretbar erscheint und sich die Grundrichtung der Planung | |
nicht ändert. | |
## Nur mit Subventionen | |
BN-Mann Frey sagt: „Genau das ist ein Präzedenzfall. Geht das durch, dann | |
ist der Alpenplan hinfällig.“ Andere Regionen würden dann auch ihre | |
Skigebiete hochrüsten. Die Fläche, die in den bayerischen Alpen künstlich | |
beschneit wird, hat sich schon in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. | |
„Anders bestehen wir die Konkurrenz mit Österreich nicht“, erwidert Berni | |
Huber. Dort gibt es höhere Lagen und mehr Pisten. Da habe man „mit der | |
Planierraupe alles abgewalzt“, die Abfahrten seien „am Reißbrett | |
entstanden“. Thomas Frey wiederum meint: „Wir können nicht mit den großen | |
österreichischen Skigebieten konkurrieren.“ | |
Möglich wären der neue Lift, die Piste und die Schneekanonen sowieso nur | |
mit massiven Subventionen des Freistaats Bayern. Seit 2009 greift der den | |
Liftbetreibern mit dem sogenannten Seilbahnförderprogramm finanziell massiv | |
unter die Arme. Je nach Größe des Unternehmens werden 15 bis 35 Prozent der | |
Investitionen als Zuschuss bezahlt. Begründet wird dies mit der Förderung | |
der Wirtschaft und des Tourismus. Würde Berni Huber das Projekt auch ohne | |
den Zuschuss verfolgen? Er schaut einen ungläubig an und sagt: „Nein.“ | |
In Balderschwang, mit 270 Einwohnern die zweitkleinste Gemeinde Bayerns, | |
gibt es im Jahr 200.000 Gästeübernachtungen. In Obermaiselstein (950 | |
Einwohner) sind es 250.000. „Außer Landwirtschaft und vor allem dem | |
Tourismus haben wir nichts“, sagt Bürgermeister Stehle. In den Orten seien | |
deshalb auch rundweg alle Bürger für den Ausbau. Bei BN-Mann Frey haben | |
sich aber jüngst einige Bewohner aus den Orten gemeldet, die dagegen sind. | |
„Die wollen aber anonym bleiben“, sagt Frey. „Der öffentliche Druck ist | |
dort zu groß, die werden sofort geächtet.“ | |
Befürworter und Gegner sind sich am Riedberger Horn nur einig, dass sie | |
sich in nichts einig sind. Die Umweltschützer meinen, dass der Sessellift | |
das Birkhuhn vertreiben wird; Befürworter sind der Ansicht, dass im | |
Gegenteil die angeblich so naturnahen Pistengänger den Vögeln mit ihren | |
Spaziergängen den Garaus bereiten. | |
## „Voll über den Berg“ | |
Laut Liftbetreiber würde die neue Anlage den Gipfel des Riedberger Horns | |
nicht tangieren – sie verlaufe 100 Höhenmeter darunter. Thomas Frey sagt, | |
die Bahn geht „voll über den Berg drüber“, an ruhige Naturerlebnisse sei | |
dann nicht mehr zu denken. Huber meint über die Gegner: „Eine | |
Zusammenarbeit ist nicht möglich, da herrscht nur Ignoranz.“ Und Frey: „Der | |
Berg gehört nicht den Liftbetreibern und auch nicht den Bürgermeistern.“ | |
Entscheiden muss im Frühjahr das bayerische CSU-Kabinett. Umweltministerin | |
Ulrike Scharf hat sich mehrfach klar gegen das Projekt gestellt. Vor allem | |
aus der Allgäuer CSU gibt es aber viele Befürworter, etwa den | |
Landtags-Fraktionsvorsitzenden Thomas Kreuzer. Der für das | |
Zielabweichungsverfahren zuständige Finanzminister Markus Söder hält sich | |
eine Entscheidung bisher offen, er will in den kommenden Wochen einen | |
Vorort-Termin machen. | |
Der Ministerpräsidenten-Aspirant dürfte auch darauf bedacht sein, es sich | |
nicht mit vielen CSU-Parlamentariern zu verscherzen. Die wählen nämlich den | |
nächsten Ministerpräsidenten. | |
1 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Patrick Guyton | |
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