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# taz.de -- Harzer rüsten Skigebiete auf: Quellwasser wird zu Kunstschnee
> Gemeinden im Harz bauen ihre Skigebiete aus. Das hat gravierende Folgen
> für die Natur. Außerdem werden die Winter immer wärmer.
Bild: Wird immer seltener: ein verschneiter Wurmberg bei Braunlage im Harz
Göttingen taz | Wer durch den Harz fährt, begibt sich auf eine Zeitreise –
in die 70er Jahre der Bundesrepublik. Die Lokale geschmückt mit
Rehbockgeweihen und Zinntellern, Jägerschnitzel auf den Speisekarten, in
den Schaufenstern der noch geöffneten Geschäfte steht kitschiger Nippes.
Seit der Wiedervereinigung haben die Westharzkreise Goslar und Osterode
mehr als ein Drittel ihrer Besucher verloren. Weil mit dem Tourismus nicht
mehr viel zu verdienen ist, ziehen immer mehr junge Leute weg. Die Älteren
haben nicht investiert, weil die Nachfolger nicht mehr da sind. Die
Gemeinden suchen nach einem Ausweg aus dieser Abwärtsspirale – und einige
der Kommunen glauben, ihn im Wintersport zu finden. Sie rüsten jetzt ihre
Skigebiete auf. Doch das hat gravierende Folgen für Natur und
Wasserhaushalt, wie Umweltschützer warnen.
Seilbahn, Pisten, Beschneiung – ein ganzes Winterland für alpine Skifahrt
soll etwa am Winterberg bei Schierke in Sachsen-Anhalt entstehen. Bereits
Ende nächsten Jahres könnte die „Skiarena Harz“ fertig sein. Dann sei
alpines Skifahren in Sachsen-Anhalt von November bis März möglich, hoffen
die Winterberg Schierke GmbH und die Stadt Wernigerode, zu der Schierke
gehört.
Bürgermeister Peter Gaffert (parteilos) sagte, dass die Anlage zwischen 23
und 25 Millionen Euro kosten werde. Dass das geplante Areal am Rand des
Nationalparks Harz Platz benötigt, Wasser und Strom verbraucht, wird von
den Befürwortern zwar nicht bestritten. Sie rechtfertigen den starken
Eingriff in die Natur aber damit, dass dieser eine Investition in den
Tourismus und damit in die Zukunft sei.
Im niedersächsischen Braunlage ist man schon weiter. Dort wurden in den
vergangenen Jahren rund zwölf Millionen Euro in den Ausbau des Skigebietes
auf dem Wurmberg investiert. Das Geld floss in neue Pisten und Lifte, Bäume
wurden für den Bau von Parkplätzen gefällt und 100 Schneekanonen errichtet.
Sie verwandeln kostbares Quellwasser in Kunstschnee – Voraussetzung ist
allerdings, dass die Temperaturen unter minus drei Grad sinken.
Das Problem: Der Region drohen wärmere Winter. Wie schon 2014 verzögert das
warme Wetter zum Beispiel auch in diesem Jahr den Betriebsbeginn am
Wurmberg. Nach mehrmaligem Verschieben des Eröffnungstermins will Betreiber
Dirk Nüsse seine Anlage nun frühestens am 19. Dezember anwerfen. „Wir
stehen mit dem Finger am grünen Knopf“, sagt er. Wirtschaftlich rechnet
sich der Betrieb nur, wenn die Skikanonen mindestens 100 Tage pro Saison
laufen.
## „Maßlos und völlig überzogen“
Die Umweltverbände im Kreis Goslar kritisieren die Wintersportanlagen als
„maßlos und völlig überzogen“. Die Bauprojekte seien auf Kosten der Natur
durchgezogen worden. Doch Natur und Landschaft seien die Grundlagen des
Harztourismus, ärgert sich die Arbeitsgemeinschaft der Umweltverbände im
Kreis Goslar: „Wer dieses Kapital verschandelt, zerstört letztlich die
Grundlagen des Harztourismus.“
Auch über die Pläne in Schierke kann der BUND-Landesgeschäftsführer Oliver
Wendenkampf nur den Kopf schütteln. „Während in Paris und der ganzen Welt
über Wege verhandelt wird, wie man den Irrweg der globalen Erwärmung
beenden kann, wird im Harz munter und unter Ausblendung der Fakten an
Wintersportgebieten geplant“, sagt er. Und das, obwohl der Winter immer
öfter ausfalle.
11 Dec 2015
## AUTOREN
Reimar Paul
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Michael Vesper
Verschuldung
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