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# taz.de -- Buch mit Bildpostkarten aus Auschwitz: Ein Ort des Massentourismus
> Pawel Szypulski hat Nachkriegspostkarten aus Auschwitz gesammelt und in
> einem Buch veröffentlicht. Die Banalität wirkt verstörend.
Bild: Fundamente von Gefangenenbaracken in Auschwitz-Birkenau
Selbstverständlich wissen wir, dass das Konzentrationslager Auschwitz,
schon lange ein Museum, ein Ort des Massentourismus ist. Gleichzeitig
ignorieren und verdrängen wir das. Denn wir wissen nur zu gut, wie
Massentourismus ausschaut. Und dieses Bild passt nicht zu Auschwitz. Unsere
Kenntnis vom dort bewerkstelligten Völkermord passt nicht mit den allzu
bekannten touristischen Begleiterscheinungen zusammen, die wir auch sonst
nicht besonders erfreulich finden, die hier aber völlig deplatziert
erscheinen.
Unbedingt gehört zu diesen Begleiterscheinungen die Bildpostkarte. Und
wirklich wurden, nachdem der Krieg vorbei und die Lager geschlossen waren,
gleich erste Ansichtskarten mit Grüßen aus Auschwitz versandt. Der
polnische Künstler und Kurator Paweł Szypulski hat sie gesammelt und seine
Kollektion unter dem Titel „Greetings from Auschwitz“ jetzt als Buch
veröffentlicht.
Die älteste Fotopostkarte stammt aus dem Jahr 1947, die jüngste ist von
1976. Fast alle der im Band reproduzierten Ansichtskarten waren einst im
Umlauf. Ganz offensichtlich wurden sie an Familien, Freunde und Bekannte
versandt.
## Tatort der Vernichtung
Die Motive sind die bekannten: Das Lagertor mit dem Spruch „Arbeit macht
frei“, der Lagerzaun, die Baracken dahinter beziehungsweise die Wachtürme,
der Hof mit Block 10 und Block 11 und der schwarzen Wand, an der die
Erschießungen stattfanden, schließlich das Krematorium und die Gleise, die
ins Lager hineinführen. Auf der Rückseite eines Panoramas von Auschwitz mit
den Schornsteinen des Krematoriums und dem Lagereingang kann man nach den
Grüßen aus Auschwitz im Postscriptum lesen: „Alles ist bestens, ich
vermisse nur dich und die Sonne.“ Das Bild von Block 11, dem sogenannten
Todesblock, verschickt eine Frau mit den Worten: „Warme Grüße aus Auschwitz
mit einer Sommerbrise von deiner Schwester Czéska.“
Auch das ist uns bewusst: wie wenig dafür spricht, es stünde auf Postkarten
aus Auschwitz anderes zu lesen als auf denen, die aus Venedig verschickt
werden. Trotzdem berührt es unangenehm, dass keiner der Grüßenden der
Ermordeten gedenkt oder auf die Geschehnisse des Ortes zu sprechen kommt.
Das höchste der Gefühle sind Grüße aus dem „bedrückenden Auschwitz“. W…
also sollen wir uns Paweł Szypulskis Sammlung überhaupt vor Augen führen?
Zumal ein Ausschnitt aus den Erinnerungen des Lagerhäftlings Wilhelm
Brasse, der in Auschwitz fotografierte, und ein Essay der Historikerin und
Filmwissenschaftlerin Iwona Kurz notwendig, aber nicht hinreichend sind,
die Sammlung zu kontextualisieren.
Hier hätte der Verlag mehr tun müssen. Denn natürlich möchte man wissen,
wie Paweł Szypulski auf die Idee kam, diese Karten zu sammeln und nach
welchen Kriterien er das tat. Man fragt sich, warum die Sammlung in den
1970er Jahren endet, warum sind es nur polnisch beschriftete Karten, wie
kommt es zu der Postkarte, mit der das Buch schließt und auf der das
Verbrennen von Leichen zu sehen ist? Kurz, man hätte endlos Fragen.
Dabei ist die wichtigste natürlich die, was uns diese touristischen Grüße
aus dem ehemaligen Todeslager letztlich sagen? Am deutlichsten scheint das
Motiv der Wiederkehr der Verleugnung. Selbst wenn man vor Ort ist, und das
ist man ja nur, weil es der Ort eines Menschheitsverbrechens ist, leugnet
man weiter und wieder dieses Verbrechen, das von Anbeginn geleugnet wurde.
Schon da dank handkolorierter Bildpostkarten mit einem im Lager
aufgenommenen Blumenstillleben, wie Wilhelm Brasse berichtet. Auch später
sieht man über das Verbrechen hinweg, obwohl es Motiv der Rückseite ist,
thematisiert es nicht und plappert darüber hinweg. Es ist nicht schön, aber
notwendig, dass dieser Bildband uns das bewusst macht.
25 Nov 2015
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Auschwitz
KZ
Massentourismus
Schwerpunkt Nationalsozialismus
rechtsnational
Holocaust
Auschwitz
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