# taz.de -- Merkels Auftritt beim CSU-Parteitag: Wie ein bedröppelter Pudel | |
> Wahlkampf-Eskalation: Die Kanzlerin wird auf dem CSU-Parteitag frostig | |
> empfangen und von Horst Seehofer rüde abgefertigt. | |
Bild: Ganz klar, wer hier das Sagen hat: Frau Merkel ist nur Statistin. | |
MÜNCHEN taz | Nicht weit her war es am Freitag abend mit der viel gerühmten | |
bayerischen Gastlichkeit. Beim Parteitag der CSU in der Münchner Messe | |
düpierte Parteichef Horst Seehofer die Bundeskanzlerin auf offener Bühne. | |
Nach ihrer Rede vor den Delegierten, in der sie erneut die Festlegung auf | |
eine Obergrenze für Flüchtlinge abgelehnt hatte, sagte Seehofer: „Damit die | |
Standpunkte klar sind: Wir sind der festen Überzeugung, dass die Zustimmung | |
der Bevölkerung nicht auf Dauer zu haben ist, wenn wir nicht zu einer | |
Obergrenze der Zuwanderung kommen.“ Dafür erhielt er donnernden Applaus. | |
„Du weißt, dass wir hartnäckig für dieses Ziel arbeiten“, wandte er sich… | |
die wie ein zum Zuhören verdonnertes Schulmädchen neben ihm stehende | |
Kanzlerin. | |
Der Auftritt der CDU-Parteivorsitzenden war mit großer Spannung erwartet | |
worden. Wenige Stunden vor ihrem Eintreffen hatte Seehofer von Merkel | |
kategorisch eine Kurskorrektur gefordert. „Es wird an einer Begrenzung und | |
damit einer Obergrenze für die Zuwanderung kein Weg vorbeiführen“, hatte er | |
erklärt. Der CSU-Chef verwies auf jüngste Meinungsumfragen. Danach sinkt | |
die Beliebtheit der Kanzlerin in Bayern, während Seehofers Werte auf ein | |
Rekordhoch gestiegen sind. „Wir sind von diesem Sinkflug nicht erfasst“, | |
sagte er. An diesem Samstag will Seehofer sich erneut zum | |
Parteivorsitzenden wählen lassen. Der Frontalangriff gegen die Kanzlerin | |
darf getrost vor diesem Hintergrund betrachtet werden. | |
Wie unbeliebt die Kanzlerin bei den CSU-Delegierten mittlerweile ist, daran | |
gibt es nach ihrem Auftritt in München keinen Zweifel mehr. Die | |
Parteitagsregie schenkte ihr nichts. Unter enervierendem Getrommel wurde | |
Angela Merkel von Horst Seehofer zur Bühne geführt. Es gab vereinzelte | |
„Merkel raus!“-Forderungen und Pfiffe. Der Applaus war dürftig, die Junge | |
Union reckte Merkel-kritische Schilder in die Höhe. | |
Merkels Mine war die Anspannung anzusehen. Am Ende dieses Tages, der mit | |
dem Attentat in Mali erneut vom Terror geprägt war, stand hier kein | |
Kuscheln mit der kleinen Schwester CSU auf dem Plan. „Liebe Freundinnen und | |
Freunde“, hob sie an. Sie sei „gerne“ hierher gekommen, der Parteitag fin… | |
mit Blick auf den Terror in der Welt in einer ernsten Zeit statt. Die | |
Antwort darauf könnten nur Respekt und Toleranz sein. | |
Beim Flüchtlingsthema, dessen Ursachen ja auch im Terrorismus liegen, warb | |
sie erneut für ein Vorgehen auf mehreren Ebenen. Es sei nötig, die | |
nationalen Grenzen zu schützen, europäische Lösungen zu finden und | |
Fluchtursachen zu bekämpfen, sagte Merkel. Dadurch „retten wir Leben und | |
wir werden die Zahl der Flüchtlinge reduzieren“. Mit diesem Ansatz | |
„schaffen wir es im Unterschied zu einer einseitig festgelegten Obergrenze, | |
einer nationalen Obergrenze“ im Interesse Europas, der Helfer in | |
Deutschland und auch im Interesse der Flüchtlinge zu handeln, sagte Merkel. | |
Die Kanzlerin forderte, die Flüchtlingskrise müsse so gelöst werden, dass | |
die Europäische Union und die Freiheit des Schengen-Abkommens keinen | |
Schaden nähmen. | |
## Eine neue Eskalationsstufe | |
Zwischen Seehofer und Merkel gibt es seit geraumer Zeit | |
Meinungsverschiedenheiten in der Frage, wie viele Flüchtlinge in | |
Deutschland aufgenommen werden sollen. Die CSU verlangte dabei wiederholt | |
ein klares Wort Merkels, die Zuwanderung zu begrenzen. Vor zwei Wochen | |
hatte es dazu einen Krisengipfel im Kanzleramt gegeben, der mit einem | |
Positionspapier der Unionsparteien in der Großen Koalition geendet war. | |
Unter anderem hatte man sich auf sogenannte Einreisezentren geeinigt, in | |
denen ankommende Flüchtlinge registriert und gegebenenfalls sofort wieder | |
abgeschoben werden können. In München wurde nun klar, wie wenig befriedigt | |
die CSU als kleinster Koalitionspartner noch immer ist. So unmittelbar wie | |
auf dem CSU-Parteitag in München war der Konflikt zwischen den beiden | |
Parteichefs aber bislang nicht offen zutage getreten. | |
Noch bevor die Kanzlerin am Abend vor Ort eintraf, hatten die rund tausend | |
Delegierten einen Leitantrag zur Flüchtlingspolitik verabschiedet. Der | |
Antrag (Titel: „Deutschland braucht das starke Bayern. Migration – | |
Leitkultur – Integration“) sieht eine feste – gleichwohl nicht bezifferte… | |
Obergrenze für Flüchtlinge vor. Für das kommende Jahr soll Deutschland „ein | |
Kontingent für Bürgerkriegsflüchtlinge entsprechend seiner leistbaren | |
Kapazitäten“ festlegen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte denn auch | |
bei der Eröffnung des Parteitages: „Die Obergrenze ist das Signal an die | |
Welt.“ | |
Der rüde Umgang mit der Kanzlerin zeigt, wie sicher sich die CSU beim Thema | |
Flüchtlinge fühlt. Gut sichtbar demonstrierte Parteichef Horst Seehofer die | |
Geschlossenheit seiner Partei. Mit seiner hart an der Süffisanz entlang | |
schrammenden Erwiderung auf Angela Merkel hat er auch seinem politischen | |
Konkurrenten, Finanzminister Markus Söder, gezeigt, wozu er fähig ist. | |
Merkel blieb denn auch nichts anderes übrig, als von Seehofer artig ihren | |
Blumenstrauß entgegenzunehmen und sich aus einem Seiteneingang des Saales | |
zu trollen. Selbst den höflichen Verabschiedungsapplaus verweigerte | |
Seehofer ihr. | |
Wie sich diese Eskalation der großkoalitionären Beziehung auswirkt, wird | |
sich zeigen. Gastgeber Horst Seehofer zeigte sich nach Merkels Abgang fürs | |
erste kämpferisch. Er habe sich „ein bisschen mehr“ von der Kanzlerin | |
erwartet, sagte er gleich im Anschluss. Nun müsse die Debatte um die | |
Obergrenzen eben offen ausgetragen werden. „Sie wollte das so.“ | |
20 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
margarete moulin | |
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