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# taz.de -- Neue Amazon-Serie: Unter der Herrschaft des Bösen
> Die Fernsehserie „The Man in the High Castle“ entwirft düstere
> Aussichten: Die Nazis haben den Krieg gewonnen und regieren die USA.
Bild: Der US-amerikanische Chefnazi, John Smith (Rufus Sewell), regiert im Oste…
Auf den ersten Blick ist es der übliche Aufschwungsenthusiasmus der 1960er
Jahre, der Nazi-Spion Joe Blake (Luke Kleintank) von der Leinwand entgegen
flimmert: Strahlende Gesichter, startende Raketen, fliegende Adler. Erst
die Flagge lässt stutzen: Anstelle der „Stars“ auf den „Stripes“, also…
Sterne für die US-Bundesstaaten zeigt die amerikanische Fahne ein
Hakenkreuz. Ein Mann setzt sich neben Blake und drückt ihm einen Zettel in
die Hand mit einer Adresse. Blake läuft los, durch die Nazis-Patrouillen in
den Straßen.
Wir befinden uns im Jahr 1962 in New York. Die Stadt ist Teil des
erweiterten Reichsgebiets. Deutschland und Japan haben den Krieg gewonnen
und die USA zwischen sich aufgeteilt. Der östliche Teil der USA ist von
Deutschen besetzt, westlich der Rocky Mountains liegen die Pazifischen
Staaten von Amerika, die unter der Kontrolle der Japaner sind. Dazwischen
liegt eine große neutrale Zone.
Während wir Joe Blake durch New York folgen, sehen wir Magnetbahnen über
den Straßen hinweg gleiten. Geschichte ist das nicht, eher Science-Fiction
von den 1960er Jahren aus gesehen – und richtig: „The Man in the High
Castle“ basiert auf Philip K. Dicks gleichnamigem Science-Fiction-Klassiker
(deutscher Titel: „Das Orakel vom Berge“), geschrieben 1962. Die
zehnteilige Serie ([1][hier finden sie den Trailer zur Serie]) entstand im
Auftrag von Amazon Video, produziert von Ridley Scott, geschrieben vom
erfahrenen Fernsehautoren Frank Spotnitz (“The X-Files“, „Strike Back:
Project Dawn“).
Nach seinem konspirativen Treffen mit Angehörigen einer amerikanischen
Widerstandsgruppe übernimmt Joe Blake in New York einen Lastwagen mit
unbekannter Fracht. Sein Ziel: Canon City in der neutralen Zone. In San
Francisco ist Juliana Crain (Alexa Davalos) auf dem Heimweg, als ihre
Schwester ihr ein Paket in die Hand drückt und kurz darauf von der
japanischen Polizei erschossen wird. Juliana öffnet das Paket und findet
eine Filmrolle mit dem kryptischen Titel „The Grasshopper Lies
Heavy"(“Schwer liegt die Heuschrecke“).
## Realität als Fiktion in der Fiktion
Sie legt die Rolle in einen Film-Projektor und sieht Bilder aus dem Zweiten
Weltkrieg und dessen Ende - so wie es wirklich war: Die Alliierten landen
in der Normandie und die Amerikaner gewinnen den Krieg. Die Realität als
Fiktion in der Fiktion. Außer der Filmrolle enthält das Paket ein Busticket
für den nächsten Morgen, das Ziel: Canon City.
Die Serie ändert die Buchvorlage in zahlreichen Details, bleibt ihrem Geist
aber treu. Das gilt auch für die gespenstischen Szenen, die die
gesellschaftlichen Veränderungen im Amerika unter deutscher Herrschaft auf
den Punkt bringen. Joe Blakes Lastwagen hat auf der Landstraße im Nirgendwo
einen Platten. Ein Polizist hilft ihm beim Radwechsel und bietet ihm
anschließend seine Stullen an. Ein Tattoo zeugt von der Vergangenheit des
Polizisten im Krieg (“Wir haben den Krieg verloren, nicht wahr? Heute kann
ich mich nicht mal mehr daran erinnern, wofür wir gekämpft haben.“)
Dann rieselt etwas vom Himmel. Asche. Lapidar kommentiert der Polizist „Das
ist das Krankenhaus. Dienstags verbrennen sie Krüppel.“ In Szenen wie
dieser findet die Serie Bilder für die Konfrontation verschiedener
Wertesysteme. Die Qualität von Dicks Roman besteht darin, dass er sich
nicht auf die Schauder der Fiktion - was wäre wenn – konzentriert, wie etwa
Robert Harris Roman „Fatherland“.
Vielmehr gelingt Dick eine Balance zwischen ideologischen Konfrontationen,
philosophischen Überlegungen und der für Science-Fiction so prägenden
Freude daran, Welten zu entwerfen. Die Serie übersetzt all dies in eine
Narration und in beeindruckende Bilder, ohne überladen zu wirken.
Die detailverliebte Ausstattung, die 60er Jahre Modernismus mit Nazipomp
kombiniert, die omnipräsente Medialität von Radio, Fernsehen und Zeitungen,
die Dicks Romane auszeichnen – all das findet sich in der Serie wider.
Scott und Spotnitz ist nicht weniger als eine kongeniale Adaption eines der
wichtigsten Science-Fiction-Romane des 20. Jahrhunderts gelungen.
20 Nov 2015
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=zzayf9GpXCI
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Fernsehserie
Amazon Prime
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Nachkriegszeit
Belfast
Fernsehen
Amazon Prime
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