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# taz.de -- Film „Niemandsland – The Aftermath“: Romanze in Trümmern
> Der Spielfilm „Niemandsland – The Aftermath“ erzählt trotz vorhandenem
> Erfahrungswissen nur eine seichte Dreiecksgeschichte im
> Nachkriegs-Hamburg.
Bild: Ein bisschen Elend: Szene aus dem Film „Niemandsland – The Aftermath�…
Bremen taz | Hamburg liegt in Trümmern, weit in der Ferne ist als einziges
noch aufrecht stehendes Gebäude der Michel zu erkennen. Es ist Winter 1946.
Es ist 2019 und natürlich wurden die Luftaufnahmen vom Nachkriegs-Hamburg
für den Film „Niemandsland – The Aftermath“ am Computer erarbeitet, was …
Betrachter auch auffallen muss, da die Szenen fast zu perfekt wirken. Doch
schaffen es die Bilder, das Publikum effektiv in ein sehr fremden, graues
und kaltes Hamburg zu versetzen.
Da aber in der Hansestadt heute fast nichts mehr an die Trümmerhaufen von
damals erinnert, wich das Filmteam nach Tschechien aus, wo fast alle
Außenaufnahmen gedreht wurden – wie auch die Szenen vor dem berühmten Hotel
Atlantik in der Nähe von Prag und genauso wie die Außenaufnahmen von der
vermeintlich hanseatischen Villa. Deren Räume sollten möglichst luxuriös
und weitläufig sein, um so den Kontrast zu den in den Ruinen lebenden
Deutschen wirkungsvoll ausspielen zu können. Deshalb wurden die
Innenaufnahmen im Schloss Tralau in Schleswig-Holstein gedreht.
Ein Heimvorteil für die Hamburger Firma „Amusement Park Film“, die
„Niemandsland“ koproduzierte, und schon mit „A Most Wanted Man“ mit Phi…
Seymour Hoffman den Norden in Szene gesetzt hat.
„Niemandsland“ wird aus der Perspektive der Briten erzählt, die Hamburg im
Winter 1946 besetzten. Keira Knightley spielt Rachael Morgan, die Ehefrau
eines britischen Oberst, zu dessen Aufgaben der Wiederaufbau der zerstörten
Stadt gehört. Der Film beginnt mit ihrer Ankunft in Hamburg. Sie wird mit
ihrem Mann in einer beschlagnahmten Villa wohnen; deren für sie ungewohnter
Luxus irritiert sie fast so sehr wie das Elend, in dem die Deutschen, die
sie immer noch als ihre Feinde ansieht, leben.
So kann sie nicht verstehen, warum ihr Ehemann ihnen ohne jeden Hass
begegnet, denn der Sohn der beiden kam bei einem deutschen Bombenangriff
auf London ums Leben. Dem bisherigen Besitzer des Hauses Stephan Lubert
gestattet er sogar, mit seiner Tochter unter dem Dach wohnen zu bleiben,
und die Nähe zu diesem jungen Architekten ist ihr zuerst offensichtlich
zuwider.
Manchmal erzählt die Besetzung ja schon die halbe Geschichte. Wenn man
sieht, wie James Clarke den britischen Offizier als einen distanzierten
Militär mit „stiff upper lip“ spielt, während Alexander Skarsgård als
deutscher Bildungsbürger der neuen Hausherrin mit einem jungenhaften
Lächeln erklärt, was es mit dem Bauhaussessel von Mies Van der Rohe im
Wohnzimmer auf sich hat, dann weiß man schon, wie es kommen wird.
Aber es enttäuscht dann doch ein wenig, dass der Drehbuchautor Rhidian
Brook glaubte, unbedingt eine Dreiecksgeschichte als melodramatisches
Gerüst in den Film einbauen zu müssen, die dann auch schnell zur Hauptsache
wird. Die Romanze ist schlecht erzählt: sie wird eher behauptet als
glaubwürdig inszeniert, und obwohl Knightley und Skarsgård sich redlich
Mühe bei den Liebesszenen geben, sieht man sie nie wirklich als ein Paar,
bei dem man sich dafür interessiert, ob sie sich schließlich kriegen oder
nicht.
## Immerhin keine Klischeefiguren
Diese Schwäche des Drehbuchs ist umso erstaunlicher, weil Rhidian Brook
hier im Grunde eine Geschichte aus seiner eigenen Familie erzählt. Sein
Großvater war als britischer Offizier in Hamburg stationiert, wohnte mit
seiner Familie in einer requirierten Villa und ließ die deutschen Besitzer
ebenfalls dort wohnen. Und man merkt, dass da viel überlieferte Erinnerung
in das Drehbuch eingeflossen ist, sodass, eben abgesehen von der
Dreiecksgeschichte, nur wenig erfunden wirkt.
In den Dialogen wird mit Begriffen wie „Persilschein“ oder „Stunde Null“
ein Gefühl für die Zeit vermittelt und es gibt immerhin keine
Klischeefiguren: keine untergetauchten Nazis und keine Deutschen, die
beteuern „von nichts gewusst zu haben“. Die unangenehmste Figur ist ein
britischer Soldat, dem es sichtlich Freude macht, die Besiegten zu
demütigen, während ein junger Deutscher, der als Werwolf Anschläge gegen
die Briten verübt und sich „88“ für „Heil Hitler“ auf die Handballen
gebrannt hat, als verirrte Seele einen „schönen“ tragischen Tod sterben
darf.
Der britische Regisseur James Kent begann seine Karriere als
Dokumentarfilmer, und so bemühte er sich zusammen mit dem Kameramann Franz
Lustig darum, nicht schöne, sondern statt dessen möglichst naturalistische
Bilder machen. Diesem Anspruch, möglichst glaubwürdig zu erzählen, werden
die beiden auch gerecht, aber auf der Tonebene zeigt sich dann, dass dies
eine teure internationale Produktion ist, bei der genau kalkuliert wird,
womit man ein möglichst großes Publikum in die Kinos locken kann.
Da traute man offensichtlich keinem deutschen Schauspieler zu, genügend
Zugkraft als romantischer Held neben Keira Knightley zu haben, und so
spielt der Schwede Skarsgård den Deutschen Lubert. In der Originalversion
sorgt er immer dann, wenn er mit skandinavischem Akzent deutsch spricht,
für unfreiwillige Komik.
Ausführender Produzent des Films ist Ridley Scott, und ursprünglich war
sogar geplant, dass er bei dem Projekt Regie führen würde. Für ihn wäre
dies dann ein autobiografischer Film geworden, vergleichbar mit John
Bormans „Hope and Glory“ über dessen Kindheit im von den deutschen
bombardierten London. Denn Scotts Vater war ein hoher Militär, der
ebenfalls nach dem Krieg in Hamburg stationiert war. Ridley Scott lebte
dort als 10-Jähriger zusammen mit seinem Bruder Tony – ganz ähnlich wie die
Protagonisten von „Niemandsland – The Aftermath.
11 Apr 2019
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Nachkriegszeit
Hamburg
Film
Historienfilm
Fernsehserie
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