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# taz.de -- Kolumne Macht: Stereotype West
> Gewalttaten aus dem rechten Spektrum werden seit Jahrzehnten wie
> Betriebsunfälle behandelt. In Deutschland wie in den USA.
Bild: Smith & Wesson-Schießgerät bei einer Präsentation der NRA.
Eine Frau starb, drei Männer wurden verletzt, als am Mittwoch ein Täter aus
zunächst unbekannten Motiven im US-Bundesstaat Georgia das Feuer auf sie
eröffnete. Schlagzeilen machte die Tat nicht einmal in den lokalen Medien.
Das muss man verstehen. Wollten Journalisten in den Vereinigten Staaten
jeden Zwischenfall dieser Art ernst nehmen, dann kämen sie kaum noch
hinterher. Weil es einfach zu viele gibt.
Ist „Zwischenfall“ in diesem Zusammenhang ein angemessenes Wort? Ja.
Zumindest, wenn man sich aus der Diskussion heraushalten möchte, wie eine
Schießerei im Großen und Ganzen einzuordnen ist.
Statistiken haben Auftraggeber. Die Parameter sagen einiges über diese
Auftraggeber aus - und über die Ergebnisse, die sie sich jeweils wünschen.
Eine der Fragen, um die es in den USA derzeit geht: Was ist eigentlich eine
Massenschießerei?
Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Eine US-Organisation, die für
stärkere Kontrollen von Waffenbesitz kämpft, operiert mit einer Definition
des Begriffs „Massenschießerei“, die ich überzeugend finde: Jedes Ereigni…
bei dem vier oder mehr Leute durch den Gebrauch von Schusswaffen verletzt
oder getötet werden.
## Mehr Schießereien als Tage im Jahr
Bis zum vergangenen Mittwoch gab es dieser Organisation zufolge 2015 mehr
Massenschießereien in den USA als Tage im Jahr vergangen waren. 355, um
genau zu sein. In die Statistik ging auch die Gewalttat in Georgia ein.
Ebenso wie das Massaker in San Bernardino wenige Stunden später, bei dem
ein Paar in Kalifornien mindestens 14 Männer und Frauen getötet hat.
Die politische Rechte in den USA hat auf das Blutbad in Kalifornien mit
einer Forderung nach Lockerung der Waffengesetze reagiert. Um die
Möglichkeiten der Selbstverteidigung zu verbessern. Das war ebenso
vorhersehbar wie – aus meiner Sicht – irre. Es tut mir Leid, aber eine
sachlichere Beschreibung steht mir derzeit nicht zu Gebote.
Das hat jedoch nichts zu tun mit Gewalttaten in Europa und der Reaktion
darauf. Oder? Wie man´s nimmt. Die Gemeinsamkeiten sind größer, als sie auf
den ersten Blick erscheinen mögen.
Ein Schütze, der vor einigen Tagen in Colorado vor einer Abtreibungsklinik
um sich geschossen und drei Menschen getötet hat, wurde als möglicherweise
gestört beschrieben, als isoliert, als jemand, dessen Motiv unklar ist.
## Einzeltäter, Einzelgänger
Hört sich das vertraut an? Durchaus. Gewalttaten von Tätern aus dem rechten
politischen Spektrum werden seit Jahren und Jahrzehnten wie Betriebsunfälle
behandelt, als Ereignisse, die keinerlei politischen Hintergrund haben.
Einzeltäter, Einzelgänger. Das gilt für die USA ebenso wie für Deutschland.
Weit mehr als 200 Mal wurden diesem Jahr einer Recherche der Zeit zufolge
Flüchtlingsunterkünfte angegriffen. Die überwältigende Mehrheit dieser
Straftaten wurde nicht aufgeklärt. Die erste Reaktion der
Strafverfolgungsbehörden lautete im Regelfall: Man wisse noch nicht, ob es
bei der jeweiligen Tat einen ausländerfeindlichen Hintergrund gebe.
Ja, was für einen Hintergrund soll es denn sonst geben? Über
Bandenkriminalität, über Bildung einer terroristischen Vereinigung, wurde
und wird kaum je gesprochen. Wieso auch? Es sind ja keine Dschihadisten,
die Flüchtlingsheime angreifen.
Es ist erfreulich, dass hierzulande nicht dieselben Waffengesetze gelten
wie in den USA. Wer weiß, wie vielen Flüchtlingen dies das Leben gerettet
hat. Davon abgesehen? Davon abgesehen gleichen sich die Stereotype in der
westlichen Welt derzeit auf bedrückende Weise. Im Hinblick auf unsere
angeblich überlegenen Werte ist das ein ziemlich erbärmliches Bild.
4 Dec 2015
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Waffengesetze
Waffen
Ägypten
Journalismus
Schießerei
USA
Amerika
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