| # taz.de -- Klimabewegung in Paris nach Attacken: Ratlosigkeit statt Randale | |
| > Zum Klimagipfel wollten Aktivisten eine Welle globaler Proteste | |
| > einleiten. Doch nun hat Frankreichs Regierung sämtliche Demonstrationen | |
| > verboten. | |
| Bild: Noch am Freitag wurde in der Nähe des Eiffelturms ein Studio errichtet, … | |
| BERLIN taz | Als Artúr van Balen am Montag um 12 Uhr sein Paket | |
| beschriftet, mit einer Londoner Adresse, wird es still um ihn herum. Der | |
| junge Mann mit den hellbraunen Haaren steht in einer Postfiliale in | |
| Paris-Montreuil, als die Schweigeminute beginnt. Artúr van Balen, der | |
| Niederländer, ist Aktionskünstler. Der kommende Monat sollte seine große | |
| Bühne werden – und die Bühne für eine neue globale Klimabewegung, die ihre | |
| Auferstehung feiern wollte. In Paris. | |
| Jetzt schweigt er. Mit Artúr van Balen schweigen Tausende Aktivisten, die | |
| nach den Attacken von Paris ratlos sind: Wie sollen sie noch zu | |
| Massenprotesten in die französische Hauptstadt rufen? Geht es nach der | |
| französischen Regierung, so ist die Antwort klar: Sie verbot am Montag | |
| sämtliche Demonstrationen rund um den Klimagipfel in Paris, bei dem | |
| Staatschefs aus aller Welt von Ende November bis zum 11. Dezember einen | |
| neuen Klimarahmenvertrag verhandeln wollen. Für die globale Klimabewegung | |
| ist dies ein harter Rückschlag. Denn die geplanten Aktionen sollten den | |
| Auftakt einer neuen globalen Protestwelle bilden. | |
| Hunderttausende Menschen wollte die französische „Coalition Climat“, ein | |
| Zusammenschluss von mehr als 130 Organisationen, am letzten | |
| Novemberwochenende zur möglicherweise weltgrößten Klimademonstration auf | |
| die Straßen rufen. In der ersten Dezemberhälfte planten verschiedene | |
| Gruppen ein unübersichtliches Feuerwerk an Protestaktionen. | |
| Hinter einer steht ein Mann, der sich Selj B. Lamers nennt. Für seine | |
| antikapitalistische Gruppe sollte Paris so etwas wie ein Versuchslabor | |
| werden, eine neue Epoche des urbanen Protests einläuten. Die Aktivisten | |
| programmierten eine Smartphone-App, mit der der Protest von Paris eine neue | |
| Ebene erreichen sollte – ein „Reality-Adventure-Game des zivilen | |
| Ungehorsams“. Über die App können sich „Spieler“ zusammenschließen, Gr… | |
| bilden – und dann in der Stadt losziehen und, kein Witz, Punkte sammeln. | |
| ## Spielerischer Widerstand | |
| Wer am meisten stört, am meisten Ungehorsam leistet, am meisten Chaos | |
| stiftet, erhält die meisten Punkte. Umgekehrt soll die App sichtbar machen, | |
| wo überall in Paris Widerstand geleistet wird gegen den Kapitalismus an | |
| sich. So weit ist sie inzwischen, die globale Klimabewegung, dass sie aus | |
| Widerstand ein Spiel gemacht hat – und es wären sicherlich zwei | |
| aufschlussreiche Wochen geworden – wenn der Terror nicht wäre. | |
| Denn es ist ja offensichtlich: In einer Stadt, die derzeit ein kollektives | |
| Trauma erlebt, ist es keine Option, Proteste zu organisieren, die an das | |
| Trauma anknüpfen. Besonders aufgeladen ist die Stimmung, weil die Behörden | |
| angesichts der geplanten Proteste ohnehin im Alarmmodus waren. Neben den | |
| geplanten friedlichen Massenprotesten und den friedlichen Aktionen zivilen | |
| Ungehorsams mobilisierte auch das militante Spektrum zu den Protesten von | |
| Paris. | |
| Dass es im Umfeld des Gipfels auch zu Krawallen kommen würde, war ein | |
| offenes Geheimnis in der Szene – nicht zuletzt, weil ein einflussreicher | |
| Teil der militanten Szene in Paris zu Hause ist. Ihr werden Beteiligungen | |
| an den Blockupy-Ausschreitungen vom März in Frankfurt nachgesagt | |
| So herrscht unter den Umweltgruppen und Aktivisten vor allem Ratlosigkeit. | |
| Für Montag und Dienstag haben sie Krisentreffen angesetzt, bei denen die | |
| Organisatoren der Demonstrationen ihre neue Strategie beraten wollten. Wie | |
| die Bewegung auf das umfassende Demonstrationsverbot reagiert, ist völlig | |
| offen. | |
| Auch Artúr van Balen, der Kunstaktivist, ist ratlos. Er arbeitet mit | |
| aufblasbaren Protestgegenständen, riesigen grauen Würfeln, aus denen sich | |
| Blockaden bilden lassen. Er wollte mit ihnen auch ein bisschen Chaos | |
| stiften im Dezember in Paris. „Man kann mit ihnen aber auch einfach nur | |
| spielen“, sagt er. | |
| 16 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Kaul | |
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