# taz.de -- Konzert Kamasi Washington in Hamburg: Schwitzen bei Freunden | |
> Nenn es Jazz, wenn du willst: Der Saxofonist Kamasi Washington startet in | |
> Hamburg seine Tour mit einer Handvoll Deutschland-Konzerten. | |
Bild: Mit Hingabe: Kamasi Washington beim ausverkauften Konzert in Hamburg. | |
HAMBURG taz | Am Ende sind die Fäuste in der Luft. Gut – nicht alle, nur | |
ein paar, und so ganz das Ende ist es auch noch nicht: Am dramatischen | |
Höhepunkt von „Malcolm’s Theme“ steht Sängerin Patrice Quinn da, in die… | |
vielleicht der Pose schwarzer Selbstbehauptung, und im erhitzten Publikum | |
tun zwei, vielleicht drei es ihr gleich. | |
Ob das anders aussieht zu Hause in Los Angeles? Dies hier aber ist Hamburg, | |
immerhin: auf die Straße genau, wo sie irgendwann mal die Beatles zuerst | |
hören konnten: Was vom „Star-Club“ blieb, ist nur ein paar Häuser weiter. | |
An diesem Abend nun, einem Freitag, darf man, etwas niedriger gehängt, | |
dabei sein beim ersten einer Handvoll Konzerte Kamasi Washingtons in | |
Deutschland. Das Haus ist voll, ausverkauft. | |
Zuallererst ist da eine Jazz-Crowd gekommen, ja: viele Angegraute, manches | |
bunte Hemd, aber gleich daneben: FC-St.-Pauli-Totenköpfe, ein paar | |
Baseballkappen und tiefer sitzende Hosen, auch der eine oder andere in | |
vollem Vollbart-Woody-Allen-Brille-Zweiter-Weltkrieg-Frisur-Hipster-Ornat, | |
und sind das da hinten nicht die Typen vom örtlichen Buback-Label? Wer | |
will, mag Generationen ausmachen, deren Schweiß da irgendwann | |
ununterscheidbar von der Decke tropft, ein paar Familien jedenfalls sind | |
auch da. | |
Er hat, ganz offensichtlich, Appeal auch über die gut ausgepolsterte Nische | |
Jazz hinaus. Dabei ist Kamasi Washingtons Musik denkbar weit weg von | |
irgendwelchem Bindestrich-Crossover, dient sich beim Pop so wenig an wie | |
beim HipHop, verlangt, schon weil die Stücke gern die Zehnminutengrenze | |
überschreiten, Aufmerksamkeit, ja: Hingabe. | |
## Ganz großes Kino | |
Und dieser Sound: Ein Teil der Begeisterung, wenigstens aber des Interesses | |
an Washingtons Debütalbum „The Epic“ wird sich erklären lassen durch die | |
schieren Dimensionen: drei CDs, Terabytes von Daten, die in einem Monat | |
Studio zusammenkamen, so heißt es; aber auch: unzählige Musiker, ganz | |
großes Kino! Live muss die Besetzung überschaubarer ausfallen: Sechs, | |
später sieben Instrumente und Stimmen begleiten Washington, das Klavier, | |
das auf der Platte immer wieder beiträgt zum cineastischen Klangbild, fehlt | |
hier, Chöre und Orchester natürlich auch. | |
Dass Kamasi irgendwann seinen Vater hinterm Merchandising-Stand auf die | |
Bühne hervorzaubert mit Flöte und Sopransaxofon. Und dann ja dieses | |
erwähnte Stück über Malcolm X: Wenn von diesem Abend als einem | |
Retro-Phänomen zu reden wäre, dann nicht nur musikalisch. Da wird auch | |
zurückgegriffen auf einen ganz spezifischen Strang afroamerikanischer | |
Geschichte, auf eine Geschichte von Selbstermächtigung und einander | |
Beistehen: Freunde und Familie hat Kamasi Washington auf der Bühne um sich, | |
nicht Angestellte. | |
Er selbst, Star nur auf den Plakaten, tritt immer wieder bereitwillig | |
zurück in den Schatten, an die Bühnenseite, wenn etwa die famosen | |
Schlagzeuger Ronald Bruner jr. und Tony Austin sich, ja: messen. Oder Miles | |
Mosley am Bass die Rampensau durchdekliniert – er muss live auf seinen | |
Mitspieler im Studio, den ansonsten famose Beats bauenden Thundercat, | |
verzichten. | |
## Begeistert vom Kollegen | |
Mit auf Tour ist dafür, anders als bei den Konzerten mit der „West Coast | |
Get Down”, der Keyboarder Brandon Coleman – und nicht nur das: Ein Stück | |
von dessen eigenem anstehenden Album ankündigen zu dürfen begeistert | |
Washington erkennbar: Was da nun folge, sei eines seiner allerliebsten | |
überhaupt. | |
Auch da zeigt sich etwas der Gemeinschaft Zuträgliches: Nie ufert eine | |
Solo-Eskapade aus, stets scheint der gemeinsame Zweck, das im Auge | |
behaltene Ergebnis den Einsatz der geradezu im Übermaß vorhandenen Mittel | |
zu leiten. | |
Wenn also tatsächlich ein paar der Zuschauer gekommen sein sollten, weil | |
sie Washington als Mitwirkenden bei Flying Lotus oder auch Kendrick Lamar | |
kennen: Gegniedel, wie es so manchem den Jazz vergällt haben dürfte, gibt | |
es hier nicht zu hören; dafür etwas Mitreißendes, mal fiebrig nervös | |
machend, mal hymnisch und dann wieder an die viel zu lange nicht gehörte | |
Eigentlich-doch-Lieblingsplatte zu Hause im Regal denken Machendes, das man | |
Jazz nennen kann, aber ob man’s tut, ist eigentlich nicht mehr so wichtig. | |
9 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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