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# taz.de -- Neues Album von Thundercat: Katzen saufen verantwortlich, meouw
> Los Angeles' integrierte Musikszene erfährt derzeit eine Renaissance. Im
> Zentrum: der Funk-Bassist Thundercat. Sein neues Album heißt „Drunk“.
Bild: Ausschniit aus dem Album-Cover zu „Drunk“: Thundercat will nicht alle…
„Cool to be a cat“, singt eine hohe, samtweiche Stimme mit viel Delay auf
einem zurückgelehnten HipHop-Beat. Dazu umwabert ein relaxter Basslauf
rhythmische Katzenlaute. Miau! Dieser cat content stammt von Thundercat,
Haus- und Hofbassist des kaliforischen Labels Brainfeeder, des Epizentrums
der Beatszene von Los Angeles.
Thundercat heißt mit bürgerlichem Namen Stephen Bruner und kennt die
anderen Zugpferde der Szene seit Sandkastentagen. Sein Bruder Robert spielt
in der Liveband von Jazzüberflieger Kamasi Washington. Und Washington hat
bei Konzerten gerne von Kindergeburtstagen Ende der Achtziger erzählt, als
kaum einer über die Tischkante gucken konnte, aber alle ihre Instrumente
bereits exzellent beherrschten. Seit Jahren treffen sich die mittlerweile
auch kommerziell erfolgreichen VertreterInnen dieses neuen, wenig elitären,
autodidaktischen Jazz-Zirkels in Los Angeles zu Jamsessions in einer Bar
und haben ganz nebenbei dafür gesorgt, dass junge Menschen, die eigentlich
gar keinen Jazz hören, dies nun exzessiv tun.
Bruner ist jedenfalls froh, in diesem kreativen Umfeld aufgewachsen zu
sein, er nennt die Künstlerkollegen seine Familie. Stilistisch ist sein
Tätigkeitsfeld wesentlich weiter gesteckt als nur Jazz. Nicht nur bei
Washingtons dreistündigem Debütalbum „The Epic“ hat Thundercat mitgemisch…
er spielte auch schon Bass bei den Metalcore-Veteranen Suicidal Tendencies,
wirkte an Erykah Badus „New Amerykah“-Reihe als Komponist mit und hat auch
zu Kendrick Lamars Abräumeralbum „To Pimp a Butterfly“ beigetragen.
So weit, wie sich Bruners Einfluss auf andere KünstlerInnen zeigt, so offen
ist auch sein eigenes neues Werk „Drunk“. Der 32-Jährige vereint darauf
Sounds, Ideen und Masterminds der US-Pophistorie, dass es ein großer Spaß
ist, dieser eklektizistischen funky Reise zuzuhören. „Drunk“ startet mit
schrägen Basslinien, die eher an die Blüte von Westcoast-HipHop und seinem
[1][Subgenre G-Funk] erinnern, als auf das vorbereiten, was im dritten
Track die Basis für das Album legt: Jazz und Funk, selbstbewusst und rasend
schnell nach vorne gespielt, getragen von pluckernden Bassläufen. „Uh Uh“
heißt der Song und ist wie die meisten Nummern auf „Drunk“ nach zweieinhalb
Minuten wieder vorbei. Die Drums sind so dynamisch in diesem Stück, man
kann kaum glauben, dass sie am Computer entstanden sind.
## Tod eines Freundes
Programmiert hat sie Steven Ellison alias Flying Lotus. Er ist nicht nur
einer der engsten Buddys von Thundercat, sondern auch der Kopf des Labels
Brainfeeder, an dem die Stricke dieses Netzwerkes zusammenlaufen. FlyLo hat
die Welt selbst mit fünf avantgardistischen Meisterwerken zwischen HipHop,
Jazz und Elektronica bereichert. Auch auf „Drunk“ taucht er bei fast allen
Tracks auf. Nicht nur im Programming, auch gemischt und gemastert hat er
das Album, zusammen mit Daddy Kev – noch so eine Hintergrundfigur, die als
Beatmaker und Studioinhaber in L. A. ganz maßgeblich den frischen Sound der
US-Westküstenmetropole beeinflusst.
„Drunk“ ist bereits Bruners viertes Album unter dem Namen Thundercat.
Nachdem seine letzte Veröffentlichung „The Beyond/Where the Giants Roam“
(2015) als Minialbum mit sechs Tracks daherkam, versammelt der
kalifornische Bassist nun 23 Songs. Beeinflusst hatten ihn damals einige
Todesfälle in seinem Umfeld, unter anderem der seines Freundes und
Brainfeeder-Kollegen Austin Peralta, der 2012 mit nur 22 Jahren an den
Folgen eines Drogen-Alkohol-Cocktails gestorben war.
Auf „Drunk“ bleibt der Tod des Freundes gegenwärtig, man kann das Werk auch
als Konzeptalbum übers Trinken verstehen. Doch nähert sich Thundercat dem
Thema Vergänglichkeit nun in seiner charmant-schrägen Art. Während die
funky Basis des Albums Raum für Utopien bietet, bleibt Thundercat auf dem
Boden der Tatsachen und konstatiert, dass der Alkoholgenuss dunkle und
helle Seiten habe. Nur werde über die Abgründe eher selten gesprochen.
Musikalisch steht auch auf „Drunk“ Bruners Instrument, der E-Bass, im
Vordergrund. Dazu gesellen sich sein Falsettgesang, Orgeln und Synthesizer,
FlyLos Beats und einige handverlesene Gaststimmen von Wiz Khalifa, Pharrell
Williams und Kendrick Lamar. Der Shootingstar des US-HipHop erzählt vom
Aufwachsen in L. A., wo viele junge Afroamerikaner Opfer von
Gang-Kriminalität und Polizeigewalt werden. Neun von zehn bei
Polizeieinsätzen getöteten Menschen seien schwarz, rappt Lamar in „Walk On
By“.
## Oszillierendes Universum
Eine Katze habe zwar neun Leben, ein prekär aufwachsender Jugendlicher in
South L. A. aber nur eins, erklärt Bruner. Dennoch nimmt sich Thundercat
und sein virtuoses Funkgegniedel nie zu ernst: Kämm dich, wasch dich,
vergiss nichts zu Haus, heißt es gleich am Anfang, bevor Bruner im „Rabbot
Ho“ verschwindet. „Bus in These Streets“ zeigt, dass auch eingängiger Pop
drin ist: Bei „A Fan’s Mail“, dem Song, worin Thundercat so gern eine Kat…
wäre, schwört er seinem Kater Tron die Treue.
Auch die seltsamste Paarung auf „Drunk“ passt in dieses zwischen
P-Funk-Weltraumfeeling und Electronica, Schrulligkeit und Dunkelheit
oszillierende Universum. Denn Thundercat entpuppt sich als Fan von Country-
und Kindermusikkomponist Kenny Loggins und Doobie-Brothers-Keyboarder
Michael McDonald. Sie sind nicht nur doppelt so alt wie er, sie prägten
auch die softe AOR-Poplandschaft der Siebziger. Bruner bietet ihnen als
Conférencier in „Show You the Way“ eine Bühne und zeigt, was er von ihnen
in seinem Falsettgesang übernommen hat.
Im Outro findet Thundercat zurück zum eigentlichen Thema: „If you’re going
to fill your water bottle with vodka/Always make sure you have a friend
with a bottle that actually has water in it.“ Thundercats viertes Album
zeigt, dass selbst in den düstersten Zeiten, alles gut ist, solange jemand
aufpasst. „Nobody wants to drink alone.“ Auch das mit der Virtuosität
fällt mit anderen leichter als alleine.
3 Mar 2017
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/G-Funk
## AUTOREN
Diviam Hoffmann
## TAGS
Funk
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