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# taz.de -- Nazi-Skandale in der Berliner Polizei: Hitlergruß aus der Wache
> Berichte über rechtsextremistisch auffällige Polizisten häufen sich.
> Intern ermittelt wird aber nur selten. Hat die Berliner Polizei ein
> Problem mit Corpsgeist?
Bild: Die Berliner Polizei beim AfD-Aufmarsch am 7. November
Ein Polizist verschickt Nazi-Grüße an Kollegen. Ein anderer äußert sich bei
WhatsApp abfällig darüber, dass in einer Polizeisporthallle Flüchtlinge
untergebracht sind. Ein Dritter stellt bei einer Pegida-Demonstration ein
Plakat rechtsextremistischen Inhalts zur Schau. Fälle wie diese scheinen
sich zu häufen. Hat die Berliner Polizei in den eigenen Reihen ein
zunehmendes Problem mit Fremdenfeindlichkeit?
Polizeipräsident Klaus Kandt antwortet mit Allgemeinplätzen: „Es wäre naiv
zu glauben, dass es in einer Behörde mit 23.000 Beschäftigten keine
Ressentiments gegen Ausländer gibt“, sagte er. Fremdenfeindlichkeit komme
aus der Mitte der Gesellschaft. „Die Polizei ist Teil davon.“
Aber ganz so einfach ist das nicht. Im Unterschied zu normalen Bürgern sind
Polizeibeamte unmittelbare Repräsentanten des Staates. Als solche
unterliegen sie einem politischen Mäßigungsgebot. Sie sind zur Neutralität
verpflichtet, müssen unvoreingenommen, neutral, frei von Vorurteilen sein.
Und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Nicht nur
im Dienst, auch privat.
Seit Januar 2007 hat die Polizei eigenen Angaben zufolge gegen sieben
Kollegen Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung
eingeleitet. Strafrechtliche Ermittlungen ziehen automatisch
disziplinarrechtliche Prüfungen nach sich. In Fällen, die als gravierend
eingestuft werden, wird der Beamte schon vor Abschluss des Strafverfahrens
bis auf weiteres vom Dienst suspendiert.
So geschehen im Fall eines Berliner Polizisten, der Mitglied des
Kreisvorstandes der AfD im Havelland ist. Bei einer Demonstration des
Pegida-Ablegers Bramm (“Brandenburger für Meinungsfreiheit &
Mitbestimmung“) in Rathenow hatte der Mann ein Plakat getragen. Die
Aufschrift: „Antirassismus, weltoffen, bunt, Vielfalt sind Kennwörter für
weißen Genozid – Europa den Europäern“. Gesehen wurde der Mann mit dem
Plakat bereits Anfang des Jahres. Aber erst seit Ende Oktober wird gegen
ihn ermittelt. Erst kürzlich ist er suspendiert worden.
Warum hat die Polizeiführung so spät reagiert? Eine Handvoll
Ermittlungsverfahren wegen Fremdenhasses in acht Jahren – spiegelt das die
Realität wider? Was spielt sich bei der Polizei im Graubereich ab? Was ist
mit der Dunkelziffer?
Piraten, Grüne und Linke brachten das Thema vergangene Woche im
Innenausschuss zur Sprache, als letzten Tagesordnungspunkt am Ende einer
langen Sitzung. Der SPD-Abgeordnete Frank Zimmermann beantragt mit Blick
auf die Uhr Vertagung. Aber nicht nur die Zeit dient als Vorwand, die
Debatte kurz zu halten. Man kennt das von anderen Sitzungen: Wenn es
spannend wird, verschanzen sich die Vertreter der Exekutive hinter dem
Datenschutzgesetz und dem Recht auf Persönlichkeitsschutz.
Aber so leicht lässt sich die Opposition nicht abspeisen. „Was unternehmen
Sie, um solche Strukturen aufzudecken“, will Christopher Lauer (Piraten)
vom Polizeipräsidenten wissen. Benedikt Lux (Grüne) setzt nach. „Wie
gewährleisten Sie, dass Polizisten, die eigene Kollegen anzeigen, nicht als
‚Kollegenschweine‘ gemobbt werden?“
Es ist der Fall des 28-jährigen Kripobeamten Edmund H., auf den Lux
anspielt. H. war unter anderem beim Staatsschutz beschäftigt. Weihnachten
2014 verschickte er per WhatsApp an rund 16 Kollegen Weihnachtsgrüße mit
Nazimotiven: Adolf Hitler als Weihnachtsmann mit der Sprechblase
„Ho-Ho-Holocaust“, Weihnachtsbaum vor Hakenkreuz-Fahne, Weihnachtskugeln
mit Hakenkreuz. Dazu der Satz „Zum Glück ist alles HEIL!“.
Im September 2015 wurde H. wegen Verwendens von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen zu 2.750 Euro Geldstrafe verurteilt. Vor
Gericht sprach er von einem dummen Scherz. Der Grüne Abgeordnete Lux
berichtetet im Innenausschuss von Gerüchten, wonach H. nach wie vor in der
gleichen Dienststelle tätig sei. Versetzt worden sei aber der Kollege, der
H. wegen des Nazi-Weihnachtsgrußes angezeigt hatte. „Stimmt das“?, fragt
Lux den Polizeipräsidenten. „Was tun Sie gegen so ein Klima“? Ob gegen die
anderen 15 Beamten der WhatsApp-Gruppe, die geschwiegen haben, auch
Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden seien, erkundigt sich Lauer.
Innensenator Frank Henkel (CDU) versucht die Debatte zu beenden. Zu
Personalangelegenheiten sage man aus datenschutzrechtlichen Gründen nichts,
so Henkel. Aber dann macht der Polizeipräsident ein überraschendes
Bekenntnis. „Es ist in diesem Einzelfall nicht so gut gelaufen“, räumt
Kandt mit Blick auf den Fall H. ein. Er selbst habe massiv Einfluss
genommen. Das Ergebnis sei aber nicht zufriedenstellend. Kandts Fazit: „Die
Zivilcourage der Kollegen muss gestärkt werden.“
Besser lief es offenbar in einem anderen WhatsApp-Fall. Vorvergangene Woche
teilte die Pressestelle der Polizei mit: Ein Beamter habe ausgesprochen
geschmacklos kommentiert, dass eine Polizeisporthalle als
Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Auch gegen diesen Polizisten wird nun
wegen Verdachts der Volksverhetzung ermittelt. Diesmal habe die Mehrheit
der Kollegen aber sofort reagiert und sei aus der WhatsApp-Gruppe
ausgetreten, berichtet Kandt im Innenausschuss. „Das spricht dafür, dass
der Mut grundsätzlich da ist, die Hand zu heben.“
Es sei Aufgabe der Führungskräfte, dafür zu sorgen, dass Ressentiments
gegen Ausländer in der Polizei keinen Platz haben, sagt der
Polizeipräsident. „Ich glaube, dass wir eine gute Sensibilisierung haben.“
Aber nicht alles werde zeitnah bekannt. Denn schließlich „erheben wir keine
Daten über politische Aktivitäten unserer Mitarbeiter“.
## Rassensprüche im Dienst
Wenn stimmt, was Medien über den AfDler aus dem Havelland schreiben, dann
war die Nähe des Mannes zum Rechtsextremismus seit Jahren bekannt. Im
Dienst soll er mit Sprüchen aufgefallen sein, etwa zur Reinhaltung der
nordischen Rasse. Auf seinem Auto soll er einen Aufkleber von
Holocaust-Leugnern gehabt haben. 2009 soll er deshalb vom
Spezialeinsatzkommando (SEK) zum Streifendienst strafversetzt worden sein.
Die Erklärung, die der Polizeipräsident im Innenausschuss dazu abgibt,
bringt keine Klarheit: Disziplinarische Vorbelastungen würden nach
spätestens fünf Jahren aus den Personalakten gelöscht. Kennt er die
Vorgeschichte am Ende selbst nicht?
Allerdings stellt nicht jedes Verhalten von Polizisten, das von Dritten als
beleidigend oder rassistisch empfunden wird, immer gleich einen Angriff
gegen die Menschenwürde dar. Wo die Grenze verläuft, zeigt der Fall eines
Berliner Polizeibediensteten, der in Brandenburg wohnt und AfD-Mitglied
ist. In der Gemeinde Schönwalde-Glien polemisierte er in Postwurfsendungen,
die mit seinem Namen unterzeichnet sind, gegen die Ansiedlung eines
Flüchtlingsheims und gegen die Willkommenskultur. Ein Anwohner, der das als
Diskriminierung empfindet, hat die Flugblätter mit der Bitte um Prüfung an
das Landeskriminalamt geschickt.
Mitte September kam die Antwort. „Parallelgesellschaft“, „Vordringen
islamischen Rechts“ und „Import außereuropäischer Konflikte“ seien noch
keine Anstachelung zu Hass im Sinne des Volksverhetzungsparagrafen, schrieb
ein Kripobeamter dem Anwohner in einem ausführlichen, freundlich gehaltenen
Brief. Eine Demokratie müsse derlei Ansichten und Kritiken aushalten. Aber
die Meinung der Polizeibehörde spiegele sich in solchen Flugblätter nicht
wider, „das versichere ich Ihnen“.
17 Nov 2015
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Polizei Berlin
Schwerpunkt Rassismus
Rechtsextremismus
Polizei
Frank Henkel
Polizei Berlin
Ermittlungsverfahren
Polizei
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