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# taz.de -- Viel Kritik an Energie-Kompromiss: Senat unter Schwachstrom
> Statt kompletter Übernahme des Strom- und Gasnetzes soll es eine
> Partnerschaft mit den Großunternehmen Eon und Vattenfall geben.
Bild: Soll nach einem Kompromiss des rot-schwarzen Senats neben Vattenfall Part…
Aus der Verstaatlichung des Stromnetzes – eine zentrale Forderung des knapp
gescheiterten Energie-Volksentscheids von 2013 – wird nichts. Der
Kompromiss, den der Senat nach monatelangen Diskussionen zwischen SPD und
CDU am Dienstag vorstellte, sieht nur eine 51-prozentige Beteiligung am
Stromnetz vor, das derzeit in der Hand des Großversorgers Vattenfall ist.
Beim Gasnetz soll es keine Mehrheitsbeteiligung geben, sondern eine
„Partnerschaft auf Augenhöhe“ mit Deutschlands größtem Energieunternehmen
Eon, derzeit einer von drei Gesellschaftern beim früher landeseigenen
Gasversorger Gasag. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) soll den
Kompromiss mit den beteiligten Unternehmen noch ausverhandeln. Zustimmen
muss anschließend auch das Abgeordnetenhaus.
Der Senat verabschiedet sich mit diesem Weg von seinem ursprünglichen Plan,
über reguläre Vergabeverfahren, die alle 10 bis 20 Jahre anstehen,
Betreiber der Energienetze zu werden. Diese Verfahren sollten eigentlich
schon 2013 und 2014 entschieden sein: Doch beim Gasnetz kippte das
Landgericht eine Senatsentscheidung zugunsten der landeseigenen Berlin
Energie. Da das Land dagegen in Berufung ging, ist der Ausgang weiter
offen.
Gleiches gilt für das Vergabeverfahren beim Stromnetz: Es soll nun parallel
zu den Verhandlungen über die Zusammenarbeit des Landes mit Vattenfall und
Eon weitergehen – inklusive der Bewerbung von Berlin Energie.
## „Faires Verfahren“
Finanzsenator Kollatz-Ahnen sieht keinen Konflikt darin, dass er zum einen
die Verhandlungen für Berlin führt, zum anderen aber seine Verwaltung auch
jene Behörde ist, die über die Vergabe der Netze entscheidet. Es gibt keine
Weisungen an die zuständigen Mitarbeiter, betonte Kollatz-Ahnen. Die
verbliebenen Bewerber für das Stromnetz „können sich darauf verlassen, dass
das Verfahren fair geführt wird“.
Im rot-schwarzen Senat standen sich in Sachen Energie von Beginn der
Koalition 2011 an zwei gegensätzliche Positionen gegenüber. Die SPD setzte
auf Rekommunalisierung, also auf Rückverstaatlichung von früher
landeseigenen Feldern der Daseinsvorsorge. Die CDU hingegen zeigte sich
skeptisch bis ablehnend zu staatlichem Unternehmertum. Der daraus
resultierende Kompromiss im Koalitionsvertrag spricht von öffentlichem
Einfluss auf den Netzbetreiber, „welcher auch über eine Beteiligung des
Landes erfolgen kann“.
## „Kann“-Formulierung
Gemessen an dieser Ausgangslage mit einer „Kann“-Formulierung, steht die
SPD nach der Senatsentscheidung über den weiteren Kurs gut da: Beim Gasnetz
soll das Land den Kurs angeben, beim Stromnetz auf gleicher Höhe mit
Vattenfall sein. Hier lässt der Senatsbeschluss zudem die Möglichkeit
offen, in einigen Jahren doch über die jetzt vereinbarten 50 Prozent
hinauszugehen.
Offen bleibt bei diesen bislang rein politischen Festlegungen allerdings,
wie weit die beteiligten Unternehmen mitziehen – und zu welchem Preis.
Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) sprach erst von einem „für das
Land Berlin vertretbaren Rahmen“, mochte dann aber auf taz-Nachfrage nicht
sagen, wie groß dieser Rahmen gemessen in Euro ist. Offen blieb auch, was
den in den Senatsplänen nicht berücksichtigten teilstaatlichen
französischen Großkonzern Engie motivieren soll, seine Anteile an der Gasag
zu verkaufen.
## Offene Fragen
Auf die gleichfalls offene Frage, warum sich Vattenfall auf den Deal
einlassen sollte, wenn das Unternehmen auch über das nun weitergeführte
Vergabeverfahren alleiniger Stromnetz-Betreiber bleiben kann, antwortete
Regierungschef Michael Müller (SPD): „Weil es nicht klug ist,
Energiepolitik gegen das Land Berlin zu machen.“
Die Reaktionen auf den Senatskompromiss fielen mehrheitlich negativ aus.
Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop sprach von einem „Kuhhandel zweier
Koalitionspartner, die keine Gemeinsamkeiten mehr haben“, und sah die SPD
mit ihren Rekommunalisierungsplänen „kläglich gescheitert“. Für
Exwirtschaftssenator Harald Wolf von der Linksfraktion begibt sich der
Senat mit dem jetzt beschlossenen Weg „in die Hände von Vattenfall“. Wolf
sieht keinen Grund, warum das Unternehmen Zugeständnisse machen sollte.
Die Industrie- und Handelskammer zeigte sich immerhin erleichtert, dass
„zumindest momentan“ keine komplette Rekommunalisierung geplant ist.
## „Fauler Kompromiss“
Vertreter der Genossenschaft Bürger-Energie hingegen, die sich ebenfalls um
das Stromnetz beworben hat, kritisierten den geplanten Deal mit Vattenfall
als „unglaublichen Vorgang“ und politisch als „faulen Kompromiss“. Zum
einen werde Bürger-Energie so um seine Chancen im Vergabeverfahren
betrogen. Zum anderen würden die Berlinerinnen und Berliner Netze in
Bürgerhand wollen und keine Partnerschaften mit Großunternehmen, in denen
die Genossenschaft „Dinosaurier der Energiewende“ sieht. Die Initiative
Berliner Wassertisch will die Entscheidung des Senats nicht akzeptieren und
ihr „Widerstand entgegensetzen“, kündigte Mitglied Heidi Kosche an.
10 Nov 2015
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Erneuerbare Energien
Vattenfall
Berliner Senat
Bürgerenergie
Rekommunalisierung
Ökostrom
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