# taz.de -- Französische Ruanda-Politik: Klage wegen Beihilfe zum Völkermord | |
> Die Regierung in Paris lieferte vor und während des Völkermords Waffen | |
> nach Ruanda. Nun ist eine neue Klage anhängig. | |
Bild: Leichenbergung aus einem Massengrab, Ruanda, 2004 | |
Brüssel taz | Die Schatten des Völkermords in Ruanda 1994 lasten weiter auf | |
Frankreichs politischen und militärischen Verantwortungsträgern. Die | |
französische Organisation Survie, die sich für eine Überwindung der | |
neokolonialen französischen Afrikapolitik einsetzt, hat jetzt in Paris | |
Klage gegen unbekannt wegen Beihilfe zum Völkermord und zu Verbrechen gegen | |
die Menschlichkeit erhoben. | |
Der Vorwurf lautet, dass der französische Staat noch 1994 unter dem | |
sozialistischen Präsidenten François Mitterrand und seinem konservativen | |
Premierminister Édouard Balladur Waffen und Munition an Ruandas Regierung | |
lieferte, obwohl ihm bewusst war, dass diese möglicherweise für einen | |
Völkermord oder für Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingesetzt werden | |
könnten. Damit sei der Tatbestand der Beihilfe erfüllt. | |
In Ruanda starben zwischen dem 6. April 1994 und Anfang Juli bis zu eine | |
Million Menschen, zumeist Tutsi, als zuerst der damalige Hutu-Staatschef | |
Juvénal Habyarimana beim Abschuss seines Flugzeugs ums Leben kam und dann | |
sein Militär faktisch die Macht ergriff, während landesweit eine Jagd auf | |
Tutsi einsetzte. | |
Das Ausmaß und die Brutalität der Massaker ließ ebenso wie die | |
vorhergehende Hetzpropaganda auf das Ziel eines Völkermords schließen, und | |
dies war europäischen Verantwortlichen bekannt. | |
Schon am 22. Januar 1992 hatte der französische Militärattaché in Kigali | |
eine Verteilung von 300 Gewehren an Hutu-Milizen durch die ruandische Armee | |
in den nördlichen Distrikten Ruhengeri und Byumba moniert und in einem | |
Telex gefragt, ob diese Waffen wirklich nur zum Kampf gegen die | |
Tutsi-Guerillaarmee RPF (Ruandische Patriotische Front) dienten: „Könnten | |
damit nicht auch persönliche, politische oder ethnische Fehden ausgetragen | |
werden?“ fragte er in dem Kabel, das Survie jetzt als Teil seiner Klage | |
präsentiert. Ruandas Armee wurde damals maßgeblich von Frankreich trainiert | |
und aufgerüstet. | |
## „Erfüllung bestehender Verträge“ | |
Als in der Nacht zum 7. April die Massaker begannen und Frankreich seine | |
Militärintervention „Amaryllis“ zur Evakuierung weißer Ausländer startet… | |
ohne sich um die verfolgten Tutsi zu scheren –, war den Verantwortlichen | |
sofort klar, was los war: Ruandas Präsidialgarde betreibe seit dem Morgen | |
des 7. April die „Eliminierung von Oppositionellen und Tutsi“, stand im | |
Einsatzbefehl des Verteidigungsministeriums für „Amaryllis“ vom 8. April. | |
Dennoch wurden im Rahmen von „Amaryllis“ ab dem 9. April große Mengen von | |
Waffen und Munition nach Kigali geflogen und später den ruandischen | |
Streitkräften überlassen, so von Survie zitierte Zeugen. | |
Der damalige Generalsekretär des Élysée-Palastes und spätere französische | |
Außenminister Hubert Védrine hat mehrfach zugegeben, dass noch nach Beginn | |
des Völkermords französische Waffen an Ruanda geliefert wurden. | |
Zuletzt bestätigte er das vor dem Verteidigungsausschuss des französischen | |
Parlaments am 16. April 2014. Und am 19. Mai 1994, also nach sechs Wochen | |
Massaker mit über 500.000 Toten, erklärte der französische Geheimdienstler | |
Philippe Jéhanne dem Politologen Gérard Prunier: „Wir liefern Waffen an | |
Ruandas Armee, über Goma (in Zaire/Kongo). Aber wenn Sie mich damit in der | |
Presse zitieren, werden wir das natürlich dementieren.“ | |
Survie verweist auch auf Recherchen von Human Rights Watch aus dem Jahr | |
1995, wonach fünf Waffenflugzeuge für Ruandas Armee am 17. Mai 1994 in Goma | |
landeten und der damalige französische Konsul in der ostkongolesischen | |
Grenzstadt, Jean-Luc Urbano, dies als „Erfüllung bestehender Verträge“ | |
rechtfertigte. | |
4 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Francois Misser | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Völkermord Ruanda | |
Schwerpunkt Frankreich | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Nord-Kivu | |
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024 | |
Kongo | |
Kongo | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Génocide au Rwanda: Les banques accusées | |
Le parquet de Paris enquête sur une plainte accusant la banque BNP Paribas | |
d'avoir financé un achat d'armes au profit des génocidaires en 1994 au | |
Rwanda. | |
Kongo hat jetzt 26 statt 11 Provinzen: Kabila pokert hoch | |
Die Neuordnung der Provinzen des Landes schafft ein echtes Chaos, | |
administrativ und politisch. Das könnte durchaus gewollt sein. | |
Kolumne Afrobeat: Tücken der Wahrheitsfindung | |
Das UN-Ruanda-Völkermordtribunal schließt nach über 20 Jahren. Eine | |
vollständige Aufarbeitung des Genozids an den Tutsi steht jedoch noch aus. | |
Mutmaßlicher Mörder aus Ruanda: Entführt und der UN übergeben | |
Ein mutmaßlicher ruandischer Völkermörder war seit 20 Jahren auf der | |
Flucht. Jetzt wurde er von Unbekannten im Ostkongo gekidnappt. | |
Kongolesischer Politiker stirbt in Haft: Aufregung um ein Totengedenken | |
In der kongolesischen Provinzhauptstadt Goma sorgt der Tod eines bekannten | |
Politikers für Empörung. Die Polizei konfisziert die Leiche. | |
Buch über Voraussetzungen der Shoah: Nur Staatlichkeit schützt vor Holocaust | |
Der Holocaust war kein Staatsverbrechen, sondern wurde möglich, weil | |
Strutkuren zerstört wurden. Timothy Snyders neues Buch „Black Earth“. | |
Kongo sucht Hilfe im Nachbarland Ruanda: Die Hutu-Miliz steht unter Druck | |
Nach dem Urteil gegen die FDLR deutet sich ein Bündnis zwischen Kongo und | |
Ruanda an. Sie wollen gemeinsam gegen die Hutu-Miliz vorgehen. | |
UN-Mission im Kongo: Keine Milizen mehr füttern | |
Die UN-Mission will die Versorgung demobilisierter Rebellen beenden. Das | |
sei Aufgabe der Regierung. Die Hutu-Miliz FDLR ist empört. |