# taz.de -- Obdachlosenhilfe in München: „Jeder bekommt ein Bett“ | |
> In München muss im Winter niemand auf der Straße übernachten und dort | |
> erfrieren. Der Sozialarbeiter Franz Herzog erklärt, warum. | |
Bild: Weihnachtsfeier im Hofbräuhaus: Obdachlosenhilfe in München läuft. | |
taz: Herr Herzog, es wird langsam wieder kalt. Wie bereiten Sie sich in der | |
Obdachlosenhilfe darauf vor? | |
Franz Herzog: Unsere Streetworker sind in ganz München unterwegs, in Parks, | |
unter Brücken, in Abbruchhäusern. Dort gehen sie auf die Obdachlosen zu und | |
informieren sie über Unterbringungsmöglichkeiten. Jetzt machen wir das | |
natürlich noch verstärkt. Uns geht es vor allem darum, dass keiner | |
erfrieren muss. | |
Und? Klappt das? | |
Ja. Ich wüsste zumindest nicht, dass in den letzten zehn Jahren ein | |
Obdachloser auf der Straße erfroren wäre. | |
Die Hamburger zeigen – ganz entgegen ihrer Art – in der Obdachlosenhilfe | |
immer wieder nach München als ein leuchtendes Beispiel. Was macht München | |
anders? | |
Zum einen ist München natürlich relativ reich und hat damit einen größeren | |
Handlungsspielraum als andere Städte. Zum anderen hat es sich die | |
Stadtpolitik aber auch tatsächlich zum Ziel gesetzt, das Thema | |
Obdachlosigkeit in den Griff zu kriegen. Die Stadt hat sich gemeinsam mit | |
freien Trägern viele Gedanken gemacht, Konzepte erarbeitet und die auch | |
umgesetzt. Das eine ist die Versorgung mit Betten, das andere aber ist zu | |
schauen, dass die Menschen ihre Wohnung gar nicht erst verlieren. So gibt | |
es etwa Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit, an die sich | |
Mieter mit Mietschulden wenden können. Wer gar nicht erst auf der Straße | |
landet, dem brauche ich hinterher auch kein Bett besorgen. | |
Allein von 2001 bis 2011 soll München es geschafft haben, die Zahl der | |
Obdachlosen um fast ein Drittel zu verringern. | |
Das stimmt. Und das ist eine Folge eines Paradigmenwechsels. Es gibt jetzt | |
zusätzliche Präventionsangebote, zusätzliche Stellen für Streetworker, | |
zusätzliche Betten in den Wohnheimen. Und das macht es uns natürlich auch | |
wieder leichter, die Leute zu motivieren und dauerhaft von der Straße | |
wegzubringen. | |
Klingt ja, als sei München das reinste Paradies für Leute, die ein Dach | |
über dem Kopf suchen. | |
So ist es auch wieder nicht. Denn eines sollte man nicht schönfärben: | |
Finanzierbare Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger oder Geringverdiener sind | |
hier besonders knapp. Das hat zur Folge, dass unsere Einrichtungen voll | |
sind. Auch Menschen, die schon wieder selbständig in einer eigenen Wohnung | |
leben könnten, bleiben oft in den Unterkünften, weil sie schlicht nichts | |
finden. Und das erschwert es unseren Streetworkern dann wieder, Unterkünfte | |
für die Obdachlosen zu finden. | |
Die Stadt München hat gerade die Kapazitäten im Kälteschutzprogramm | |
aufgestockt – um rund 200 auf 1.000 Plätze. Was genau passiert in diesem | |
Programm? | |
Die überwiegende Mehrheit, die im letzten Winter dieses Angebot in Anspruch | |
genommen hat, waren Rumänen und Bulgaren. Wir haben in München sehr viele | |
Menschen aus Südosteuropa, die gekommen sind, um Arbeit zu suchen. Hier | |
sind sie dann aber sich selbst überlassen und haben nur selten Anspruch auf | |
Sozialleistungen. Diese Menschen, in der Mehrzahl Männer, schlafen dann oft | |
auf der Straße. Vom 1. November bis 31. März stellt ihnen die Stadt in der | |
Bayernkaserne Schlafplätze zur Verfügung. Und da bekommt tatsächlich jeder | |
– unabhängig von der Herkunft – ein Bett. | |
In Hamburg wird auch jedes Jahr ein Notprogramm aufgelegt, die Schlafplätze | |
reichen aber nie aus. | |
Wir gehen davon aus, dass alle einen Platz finden würden. Es gibt aber auch | |
die, die das gar nicht wollen beziehungsweise sich das noch nicht | |
vorstellen können. Die verbringen die Winter seit Jahren draußen. | |
1 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
dominik baur | |
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