# taz.de -- Großmufti über den Tempelberg: „Religion braucht keine Beweise�… | |
> Der Großmufti von Jerusalem will den Tempelberg für die Palästinenser | |
> reklamieren. Dabei geht es ihm nicht um einen Religionskrieg. | |
Bild: Der Felsendom – Zankapfel zwischen Juden und Palästinensern. | |
taz: Scheich Mohammed, würden Sie sagen, dass es beim | |
israelisch-palästinensischen Konflikt um Land geht, oder haben wir es hier | |
mit einem Religionskrieg zu tun? | |
Scheich Mohammed Hussein: Es geht hier nicht um einen Religionskrieg, und | |
das würden wir auch auf keinen Fall wollen. Es ist ein Konflikt um Rechte | |
und um Land, palästinensisches Land, das von Israel besetzt wird. Die | |
Siedlungen werden weiter ausgebaut und die Besatzungsmacht will uns | |
vertreiben. Die Palästinenser fordern ein Ende der Besatzung. Wir wollen | |
Freiheit und Unabhängigkeit. | |
Sie behaupten, dass es auf dem Tempelberg in Jerusalem niemals einen | |
jüdischen Tempel gegeben hat, dort, wo heute der Felsendom steht. Haben Sie | |
Beweise dafür? | |
Bitte sprechen Sie nicht von dem Tempelberg. Dies ist eine Moschee. Der | |
richtige Name lautet Haram al-Scharif (auf Deutsch: „Das edle Heiligtum“ ), | |
und ich wehre mich gegen jede andere Bezeichnung. Es gab dort niemals etwas | |
anderes als eine Moschee, und es ist sehr wichtig, in dieser Frage sehr | |
genau zu sein. | |
Religionen brauchen keine Beweise. Sie basieren auf Botschaften von Gott. | |
Die Muslime bezeichnen die Moschee als Al-Aqsa-Moschee, und so ist es. | |
Ist die islamische Religion nicht erst mit Mohammed entstanden, also gut | |
600 Jahre nach der Geburt Christi? | |
Wir Muslime glauben an alle Propheten, an Moses und Jesus aus der Bibel, | |
wir glauben, dass sie Botschafter waren. Alle Behauptungen, dass es einen | |
Tempel gab, sind Lügen und Fälschungen. | |
Was antworten Sie Kritikern, die sagen, dass derartige Feststellungen die | |
Unruhen eher noch weiter anheizen, anstatt zu ihrer Beruhigung beizutragen? | |
Wenn ich sage, dass dies meine Moschee ist, dann ist das mein Glaube. | |
Was halten Sie von dem Vorschlag der jordanischen Regierung, | |
Überwachungskameras auf dem Tempelberg zu installieren? | |
Die Waqf (die Hüterin der islamischen heiligen Stätten) hat versucht, | |
Kameras anzubringen, aber dann sind die Israelis gekommen und haben sie | |
wieder abgenommen. Die Waqf ist für die Moschee zuständig. Sie muss volle | |
Handlungsfreiheit haben. Dies ist unser heiliger Ort, und wir wollen die | |
Leute fernhalten, die nicht hierher gehören und eindringen wollen. | |
Der seit Beginn der israelischen Besatzung 1967 geltende Status quo hält | |
fest, dass Juden den Tempelberg zwar besuchen, nicht aber dort beten | |
dürfen. Warum ist es so wichtig für die Muslime, dass die Besucher dort | |
nicht beten? | |
Wir reden hier über eine religiöse Stätte, eine Moschee, einen heiligen Ort | |
für Muslime, wie eine Kirche, die Christen heilig ist, und eine Synagoge, | |
in der die Juden beten. Es ist eine Frage von gegenseitigem Respekt. Wir | |
haben nichts dagegen, dass jeder in der für ihn vorgesehenen Stätte betet, | |
genau wie wir von Muslimen erwarten, dass sie in der Moschee beten und | |
nirgendwo sonst. | |
Es kann nicht sein, dass die Juden hier beten und daraus ableiten, dass der | |
Haram al-Scharif ihnen gehört. Wir fordern eine Rückkehr zur Situation, die | |
bis zum Krieg von 1967 bestand. Damals stellten die Juden keinerlei | |
Ansprüche auf unsere heiligen Stätten. | |
Die israelische Regierung hält jedoch sehr hartnäckig daran fest, den | |
Status quo nicht verändern zu wollen. Trotzdem glauben mehr als die Hälfte | |
der Palästinenser, dass Israel an der Stelle der Moscheen einen neuen | |
jüdischen Tempel errichten will. Wie erklären Sie sich das? | |
Welche Art von Status quo schwebt (dem israelischen Regierungschef | |
Benjamin) Netanjahu vor? Das sollten Sie ihn fragen. Er lässt das | |
Eindringen der Siedler in die Moschee zu und macht unsere Heiligtümer zu | |
militärischen Stützpunkten. Sein Gerede über den Status quo ist nichts | |
anderes als eine PR-Kampagne. | |
Werbung scheint Sie selbst aber nicht zu kümmern, denn Sie sagen ja ganz | |
offen, dass Sie den Status quo ablehnen und Juden nicht auf den Tempelberg | |
lassen wollen. | |
Die Juden haben keinerlei Rechte dort. Es ist eine Moschee. | |
Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber hat nicht Jordanien 1967 | |
den Krieg gegen Israel angefangen und verloren? | |
Sind Sie Jüdin? | |
Nein. | |
Es geht nicht nur um den Haram al-Scharif, sondern um palästinensisches | |
Land und die Rechte der Palästinenser auf ihre Selbstbestimmung. Wir wollen | |
diesen Konflikt beenden und in Frieden leben. Leider ist es so, dass sich | |
kein Land auf der Welt traut, Israel entgegenzutreten. Stattdessen kommen | |
sie zu uns und sagen, wir sollen uns zurückhalten und uns beherrschen. Wie | |
ist es möglich, dass die Welt Opfer und Täter miteinander vergleicht? Die | |
Welt muss endlich erkennen, dass das Unrecht ein Ende haben muss. | |
Gibt es denn auf israelischer Seite jüdische Religionsgelehrte, mit denen | |
Sie ein Gespräch führen? | |
Es gibt Leute, die ein Verständnis für das Leid der Palästinenser zeigen, | |
auch Rabbiner. Leider sind sie eine verschwindend kleine Minderheit. Ihre | |
Stimme wird kaum wahrgenommen. | |
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat kürzlich gesagt, der frühere | |
Großmufti Amin al-Husseini habe Hitler zum Holocaust an den Juden | |
angestiftet. Was fällt Ihnen zu dieser Äußerung ein? | |
Da sieht man, was Natanjahu macht. Er verändert die Geschichte. Die Juden | |
selbst sollten dazu Stellung beziehen, schließlich geht es um ihre | |
Tragödie. Die Welt war damals voller Sympathie für die Juden und | |
ermöglichte es ihnen, ihren Staat auf palästinensischem Land zu errichten. | |
Dass Netanjahu jetzt den Mufti beschuldigt, ist nichts anderes als Hetze | |
gegen die Palästinenser, die er nun als Grund für den Holocaust darstellt. | |
Selbst in Israel wird er für diesen Unsinn ausgelacht. | |
3 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## TAGS | |
Israel | |
Tempelberg | |
Benjamin Netanjahu | |
Palästinenser | |
Dokumentarfilm | |
Israel | |
Weser-Kurier | |
Tempelberg | |
Israel | |
Tempelberg | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Dokumentarfilm „Rabbi Wolff“: Humor, Mut und Tatkraft | |
Britta Wauers porträtiert im Film „Rabbi Wolff“ den hellwachen 88-jährigen | |
Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern. | |
Sexskandal in Israel: Innenminister tritt zurück | |
Silvan Schalom gibt wegen des mehrfachen Verdachts der Belästigung seine | |
Ämter auf. Einer polizeilichen Untersuchung wird er kaum entgehen | |
Shalom, Chaverim!: Israel-Freund entlassen | |
„Weser-Kurier“ trennt sich von seinem Chef vom Dienst – und muss nun | |
dementieren, dass das wegen dessen pro-israelischen Texte geschehen sei | |
Gewaltausbrüche in Palästina: Zwei Messerstecher getötet | |
Bei Angriffen auf Israelis sind zwei Palästinenser von israelischen | |
Sicherheitskräften erschossen worden. Beide hatten Israelis mit einem | |
Messer attackiert. | |
Gewalt gegen Israelis: Palästinenserinnen greifen an | |
Erneut hat eine Palästinenserin Israelis mit einem Messer angegriffen. Sie | |
wurde von Polizisten erschossen. Sie hatte ein Bekenner- und | |
Abschiedsschreiben bei sich. | |
Nutzungsrecht des Tempelbergs: Netanjahu will an Regelung festhalten | |
Israels Ministerpräsident will den Status quo am Tempelberg achten. In Tel | |
Aviv demonstrierten tausende Israelis für die Wiederaufnahme der | |
Friedensgespräche. | |
Israel und Jordanien einigen sich: Kameras überwachen Tempelberg | |
König Abdullah hat eine 24-stündige Videoüberachtung am Tempelberg | |
vorgeschlagen. Netanjahu habe zugestimmt, berichtet der US-Außenminister. | |
Israel-Palästina-Konflikt: Nur kleine Schritte sind möglich | |
Während die Angst der Bevölkerung wächst, fehlt in Israel und Palästina der | |
politische Wille, die Spannungen zu entschärfen. |