# taz.de -- Grüne SpitzenkandidatInnen: Katrin sucht Mann | |
> Katrin Göring-Eckardt wird die Grünen im Wahlkampf 2017 anführen. Das ist | |
> so gut wie sicher. Aber wer wird der Mann an ihrer Seite? | |
Bild: Katrin Göring-Eckardt: Kampfname KGE. | |
Katrin Göring-Eckardt ist auf Twitter ganz #aufgeregt, wenn ihre Wiederwahl | |
zur Fraktionschefin ansteht, obwohl die nur eine Formalie ist. Sie postet | |
ein Foto von Spinat-Smoothies oder eines von einem Schaf, das auf einer | |
saftigen Wiese steht. „Wir beide haben jetzt mal #frei.“ | |
Wer ihre [1][Tweets liest], bekommt Lust, sich mit einer Tasse Kakao in | |
eine Lammwolldecke zu kuscheln. Niemand darf Angst vor den Grünen haben. | |
Das Motto gab Göring-Eckardt, 49, Fraktionschefin und Spitzenkandidatin in | |
spe, nach der Bundestagswahl aus. Schluss mit Veggieday, Verbotspolitik und | |
Attacken auf Konzerne, bei den Grünen war Versöhnung angesagt. Gerne auch | |
mit Angela Merkel, denn mit ihr wollen viele von ihnen 2017 regieren. | |
Göring-Eckardt arbeitet daran, die Grünen für ökoaffine Bürgermilieus | |
attraktiv zu machen. Bei dieser Kuscheloffensive müssen ein paar | |
Herzensanliegen der Partei dran glauben. Göring-Eckardt wird niemals | |
wirklich für das Ende des rückständigen Ehegattensplittings kämpfen. Zu | |
konfrontativ. Die Grünen suchen zwei Spitzenkandidaten für den nächsten | |
Bundestagswahlkampf. Eine Frau, ein Mann, die 61.000 Mitglieder stimmen ab. | |
Klar ist jetzt schon: Göring-Eckardt wird dabei sein, weibliche Konkurrenz | |
ist nämlich nicht in Sicht. Falls Schwarz-Grün kommt, wird Göring-Eckardt | |
also Ministerin. | |
Dafür tut sie viel. Göring-Eckardt – Kampfname KGE – kalkuliert kühl und | |
besitzt viel Machtinstinkt. „Die Merkel der Grünen“, das flüstern sie aber | |
nur, wenn KGE nicht in der Nähe ist. Auf wundersame Weise gelang es ihr | |
etwa, jede Verantwortung für das Wahldebakel 2013 abzustreifen. | |
Göring-Eckardt interessiert sich besonders für Sozialpolitik. Sie ist aber | |
längst zur Generalistin geworden, die bei Jauch-Illner-Lanz bella figura | |
macht. Angenehm ist ihre Ironie, mit der sie aus der Riege der total von | |
sich Überzeugten heraussticht. | |
Was sie wirklich denkt, weiß niemand. Göring-Eckardt versteht es, ihre | |
Positionen dem Zeitgeist anzupassen. Sie war schon unter Joschka Fischer | |
Fraktionschefin und kämpfte damals für die Agenda 2010. Später, als | |
Spitzenfrau neben Jürgen Trittin, schlug ihr Herz plötzlich links. | |
Ihre neue Kandidatur begründet sie mit dem Flüchtlingsthema und ihrer | |
DDR-Jugend. Schließlich habe sie erlebt, was es bedeute, sich in Freiheit | |
neu zurechtfinden zu müssen. Warum eine Ostdeutsche bessere Lösungen für | |
Flüchtlinge findet als ein Wessi? Keine Ahnung, klingt halt gut. Als die | |
Grüne ihre Kandidatur bekannt gab, twitterte sie zwei Worte. „So. Läuft.“ | |
Das, liebe LeserInnen jenseits der 50, ist Jugendsprache. Es heißt: Klappt. | |
Sicher. | |
Status: Unvermeidlich | |
## Der Platzhirsch | |
Natürlich will auch Cem Özdemir Minister werden. Aber der Routinier unter | |
den Männern schweigt. Er ist klug genug, nicht zu früh in den Ring zu | |
steigen. Sollen sich die anderen kloppen. | |
Özdemir, 49, führt die Grünen seit sieben Jahren. Er hat lange auf sein | |
Ziel hingearbeitet. Etwa, indem er sich 2013 in den Bundestag wählen ließ | |
und sich auf Außenpolitik konzentrierte, die im Moment alles dominiert. Ja, | |
Außenminister neben Merkel, das wäre schon was. Özdemir hat gute Chancen, | |
der Mann an Göring-Eckardts Seite zu werden. | |
Als prominentester Bewerber sitzt er seit Jahren in Fernsehtalkshows, redet | |
mitreißend auf Parteitagen und kann, wenn Basisnähe gefragt ist, wie auf | |
Knopfdruck vom Hochdeutschen ins Schwäbische wechseln. Jedes Parteimitglied | |
kennt sein Gesicht. Und die Leute kaufen eben, was sie kennen, das ist bei | |
Urwahlen auch nicht anders als bei Alnatura um die Ecke. | |
Özdemir ist inhaltlich so flexibel wie Göring-Eckardt, ein weiterer | |
Schwerpunkt ist Wirtschaftspolitik. Seinen Versuch, die Grünen auf einen | |
Schmusekurs mit Unternehmen zu trimmen, haben die Linksgrünen zwar | |
verhindert. Aber Özdemir wird ein gern gesehener Gast beim Mittelstand | |
bleiben. Seine neue Story liegt auf der Hand. Schließlich kann der | |
„anatolische Schwabe“ (Ö. über Ö.) einen lupenreinen Migrationshintergru… | |
vorweisen. Der Vater Fabrikarbeiter, die Mutter Änderungsschneiderin, | |
kämpfte sich Özdemir in Deutschland nach oben. Vielleicht bald nach ganz | |
oben. | |
Status: Kann klappen | |
## Der Herausforderer | |
Robert Habeck faltet zu Hause die Wäsche auf. Er fühlt sich als Rabenvater, | |
wenn er seine vier Söhne nicht oft genug sieht. Er schreibt schlaue Bücher | |
und springt auch mal von der Bühne in die Arme seiner Anhänger. Habeck, 46, | |
Energiewendeminister in Schleswig-Holstein, ist der einzige stagedivende | |
Spitzenpolitiker der Welt. Außerdem ist er der Typ Mann, den jede Bostoner | |
Literaturprofessorin als Schwiegersohn akzeptieren würde. | |
Mit seiner Kandidatur wagt der norddeutsche Sonnyboy den Sprung in den | |
Bund, was eine Kampfansage an Özdemir ist. Habecks Themen sind urgrün. | |
Energiewende, Landwirtschaft und Umwelt, all das wird zentral im Wahlkampf | |
2017. Gut für Habeck, interessant für die Partei. Schlecht, dass er | |
bundespolitisch keinerlei Erfahrung hat. Ein Spitzenkandidat muss sich aber | |
zu Allem äußern können, vom Nahen Osten bis zur Finanzpolitik. Ein Versuch, | |
sich in die Asylrechtsdebatte einzuschalten, ging prompt nach hinten los. | |
Unions-Innenpolitiker deuteten seine Idee in eine irre Grundgesetzänderung | |
um. Dass die CDU so grundböse sein kann, hatte man sich bis dahin in Kiel | |
nicht träumen lassen. | |
Habeck hat einen Vorteil, der nicht zu unterschätzen ist, nämlich einen | |
Fanclub in den Berliner Zeitungsredaktionen. Ein Politphilosoph, der so | |
lässig wirkt wie diese jungen Menschen da draußen, das hat was. | |
Status: Läuft | |
## Der Zögerliche | |
Anton Hofreiter hat sich mal eineinhalb Tage lang mit gebrochenem Knöchel | |
durch den Bergregenwald in Peru geschleppt. Eine Dschungelexpedition, kein | |
Krankenhaus weit und breit, ging halt nicht anders. | |
Die Story wird oft als Beleg für seine Zähigkeit gedeutet. Das mag | |
Küchenpsychologie sein. Was stimmt, ist, dass sich der promovierte Biologe | |
beharrlich aus einem Loch gekämpft hat. Nachdem ihn die Fraktion im Herbst | |
2013 zum Chef machte, schrieben ihn Journalisten monatelang herunter. Die | |
langen Haare. Der bayerische Akzent. Der tapsige Auftritt. Seitdem hat | |
Hofreiter, 45, eine steile Lernkurve hingelegt. Die Haare wehen noch, aber | |
er hat sich inhaltlich verbreitert und rhetorisch verbessert. Als integerer | |
Typ, der sich kluge Gedanken macht, gilt er sowieso. | |
Hofreiter ist unentschieden, ob er im Kampf um die Spitzenplätze antreten | |
soll. Viele linke Grüne wünschen es sich. Sie fürchten, dass Göring-Eckardt | |
und Özdemir in Koalitionsverhandlungen das linksgrüne Programm in den | |
Papierkorb stopfen, noch bevor die Kanzlerin den Raum betritt. Aber ein | |
Sieg Hofreiters wäre eine Überraschung. Er ist längst nicht so bekannt wie | |
Özdemir, Habeck tritt um einiges eleganter auf. | |
Landwirtschaft, Verkehr und Ökologie, auch Hofreiter kennt sich bestens in | |
urgrünen Gefilden aus. Trotzdem hat er keine Angst vor dem Boulevard. Im | |
Ökofachmagazin Bunte ließ er sich mit Malerkittel und Pinsel vor einer | |
Staffelei fotografieren, ein Auftritt, den man wohl tapfer nennen muss. | |
Seine Kandidatur wäre ein Test, welche Rolle das Äußerliche wirklich | |
spielt. Aufgeklärte Grüne tun ja so, als sei das egal, aber das ist | |
natürlich Unfug. Ob Hofreiter auf ein breites Publikum authentisch wirkt | |
oder befremdlich, ist offen. | |
Status: Überraschungsgast | |
## Der Rebell | |
Robert Zion leidet am neuen Kurs der Grünen. Das Liebäugeln mit Merkel, das | |
postdemokratisch Mittige, das geräuschlose Abräumen von Grundwerten, etwa | |
beim Asylrecht. Wenn man ihn anruft, ist man in Sekunden beim großen | |
Ganzen. Zion sorgt sich über den Rechtsruck in Europa und fürchtet, die | |
progressiven Kräfte könnten angesichts der „gefährlichsten Krise unseres | |
demokratischen Systems seit dem Zweiten Weltkrieg“ versagen. Allen voran | |
die Grünen. | |
Zion, 49, ist in dem Shoot-out der linke Outcast. Seit Jahren schreibt er | |
Pamphlete, Analysen und Anträge, die der Berliner Führung die Wut in den | |
Hals treiben. Auf dem Göttinger Parteitag brachte er 2007 die Mehrheit | |
dazu, den Afghanistan-Einsatz samt Tornados abzulehnen und den Vorstand zu | |
düpieren. Er kämpft für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umverteilung und | |
tingelt im Moment durch die Kreisverbände. Die Hürde in der Satzung, die | |
unbekannte Freaks verhindern soll, hat Zion bereits genommen. Der KV | |
Rhein-Lahn hat ihn offiziell nominiert. | |
Status: Die Rache der Basis | |
23 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/GoeringEckardt | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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