# taz.de -- Kommentar EU-Außenpolitik: Nicht länger wählerisch | |
> Die EU will mit dem syrischen Diktator Assad reden. Merkel hofiert | |
> Erdogan. Beide sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. | |
Bild: Erst wenn die Flüchtlinge nach Europa ziehen, wie hier auf Lesbos, steht… | |
Jahrelang hat Europa weggeschaut, während der Krieg in Syrien eskalierte | |
und Millionen Menschen vertrieben wurden. Auch für den Beitrittskandidaten | |
Türkei zeigte die EU kein gesteigertes Interesse. Erst jetzt, da die | |
Flüchtlinge en masse aus Syrien über die Türkei nach Europa wandern, stehen | |
beide Länder plötzlich im Fokus. | |
Man müsse mit dem syrischen Diktator Assad reden und den türkischen | |
Herrscher Erdogan hofieren, heißt es nun in Brüssel und Berlin. Kanzlerin | |
Merkel will sogar eigens nach Ankara reisen, um Erdogan gnädig zu stimmen. | |
Er sei zwar kein idealer Partner, doch in der Krise dürfe man nicht | |
wählerisch sein, heißt es zur Begründung. | |
Zynischer geht’s kaum noch. Erdogan ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil | |
des Problems. Er hat den Islamischen Staat nicht nur geduldet, sondern | |
sogar aktiv unterstützt. Er sieht sich in der Flüchtlingskrise nicht als | |
Partner der EU, sondern als Gegenspieler, der die Flüchtlinge als | |
Druckmittel nutzen kann. | |
Eine Woche [1][nach dem schwersten Terroranschlag] in der türkischen | |
Geschichte nach Ankara zu reisen, wie es Merkel plant, zeugt von | |
Instinktlosigkeit. Die Kanzlerin setzt damit gleich zwei falsche Zeichen: | |
Sie wertet Erdogan mitten im Wahlkampf auf, und sie übernimmt nun auch noch | |
in der Türkeipolitik die Führung in der EU. | |
Wer jedoch hofft, Brüssel habe einen besseren Plan, der irrt sich gewaltig. | |
EU-Kommissionspräsident Juncker treibt die so genannte Realpolitik, die in | |
Wahrheit eine Irrealpolitik ist, auf die Spitze: Er will die Türkei allen | |
Ernstes zum „sicheren Herkunftsland“ erklären, um Asylbewerber schneller | |
abschieben zu können. | |
Und die EU-Außenvertreterin Mogherini möchte mit dem Schlächter Assad | |
reden, dessen wichtigsten Verbündeten – Russland – jedoch gleichzeitig in | |
die Schranken weisen. Die EU-Politiker sollten die Flüchtlingskrise besser | |
zur Aufarbeitung ihres außenpolitischen Versagens nutzen, statt neue | |
zynische „Initiativen“ zu ergreifen. | |
13 Oct 2015 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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