# taz.de -- Sanktionen gegen Lukaschenko: EU will Geste Richtung Minsk schicken | |
> Nachdem Weißrussland jüngst politische Gefangene freigelassen hat, | |
> bereitet die EU eine vorläufige Aussetzung der Sanktionen vor. | |
Bild: Gutmensch Lukaschenko? Nicht ganz. | |
BRÜSSEL afp | Westliche Kritiker haben ihn immer wieder als „letzten | |
Diktator Europas“ bezeichnet – nun bereitet die EU vor den Wahlen in | |
Weißrussland die Aussetzung der Sanktionen gegen Präsident Alexander | |
Lukaschenko vor. Wie am Freitag aus EU-Kreisen verlautete, sollen auch | |
Einreise- und Vermögenssperren gegen rund 170 Vertraute und Anhänger des | |
seit zwei Jahrzehnten herrschenden Staatschefs ausgesetzt und womöglich | |
später ganz aufgehoben werden. | |
Das Vorhaben sei „eine Geste“, nachdem Minsk jüngst die letzten politischen | |
Gefangenen freigelassen hatte, sagte ein EU-Diplomat. Vor einer endgültigen | |
Entscheidung wollen die Europäer aber noch den Verlauf der | |
Präsidentschaftswahl am Sonntag abwarten. Eine erste Bewertung werde am | |
Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg erfolgen, sagte ein | |
EU-Vertreter. Grundlage würden Berichte der Wahlbeobachter der Organisation | |
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sein. | |
Lukaschenko steht seit 21 Jahren an der Spitze Weißrusslands. Nach seiner | |
letzten Wiederwahl 2010 gingen tausende Weißrussen auf die Straße. Der | |
Staatschef ließ die Proteste blutig niederschlagen. Vor der nun anstehenden | |
Wahl ließ er sechs inhaftierte Oppositionspolitiker frei, darunter einen | |
einstigen Gegenkandidaten. Sie galten als letzte politische Gefangene in | |
der früheren Sowjetrepublik. Doch keiner von ihnen darf bei der | |
Präsidentschaftswahl antreten. Lukaschenkos Gegner haben zum Boykott der | |
Wahl aufgerufen und warnten die EU, die Sanktionen aufzuheben. | |
Die EU muss die Entscheidung dazu vor dem 31. Oktober treffen. Dann laufen | |
die bisherigen Sanktionen ohne Erneuerung automatisch aus. Bei einer | |
positiven Einschätzung solle in zwei Schritten vorgegangen werden, wie es | |
in EU-Kreisen hieß. Die EU werde zunächst die Sanktionen nochmals um vier | |
Monate bis Ende Februar 2016 verlängern, ihre Anwendung aber aussetzen. Die | |
Mitgliedstaaten würden danach Anfang des Jahres prüfen, ob sie die | |
Strafmaßnahmen komplett aufheben, die seit 2004 verhängt wurden. | |
Die Europäer wollten sich mit Blick auf Weißrussland „wieder engagieren“, | |
sagte ein EU-Vertreter. Ziel sei ein „konstruktiverer“ Austausch auf | |
politischer und wirtschaftlicher Ebene. Die Regierung in Minsk sei über | |
vertrauliche Kanäle bereits informiert worden, sagte ein weiterer | |
EU-Verantwortlicher. | |
Beobachter sahen in dem Vorstoß auch eine Reaktion auf das Verhalten | |
Lukaschenkos in der Ukraine-Krise. Mehrere Vermittlungstreffen zu dem | |
Konflikt fanden in Minsk statt. Das dort geschlossene Abkommen zur | |
Beilegung des Konflikts trägt den Namen der weißrussischen Hauptstadt. | |
„Wir machen uns nicht allzu große Illusionen“, sagte ein Botschafter eines | |
EU-Landes. „Lukaschenko bleibt ein Diktator.“ Der Präsident scheine aber | |
zunehmend ein Interesse daran zu haben, sich nicht nur an Russland zu | |
binden, sondern auch zur EU bessere Beziehungen zu unterhalten. | |
Ausgenommen von der Sanktionsaussetzung würden vier Weißrussen, die | |
beschuldigt werden, für das Verschwinden politischer Aktivisten | |
verantwortlich zu sein. Sie bleiben auf der EU-Sanktionsliste. Gleichfalls | |
in Kraft bleibt das europäische Embargo zu Waffenlieferungen und Material, | |
das zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden kann. | |
Die bisher geltenden EU-Strafmaßnahmen betreffen auch 14 Organisationen, | |
auch bei ihnen sollen die Sanktionen ausgesetzt werden. Diplomaten hatten | |
zunächst von 150 Personen und 20 Organisationen gesprochen. Die | |
EU-Kommission teilte am Nachmittag auf Anfrage eine aktualisierte Zahl von | |
insgesamt 175 Weißrussen auf der Sanktionsliste mit. | |
9 Oct 2015 | |
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