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# taz.de -- NSU-Prozess in München: Die rechte Allianz
> Im NSU-Prozess sucht die Angeklagte Beate Zschäpe nun neue Verbündete.
> Fündig wird sie in den Verteidigern eines Mitangeklagten.
Bild: Neue Strategie, alte Gesten: Beate Zschäpe und Anwalt Mathias Grasel.
München taz | Im NSU-Prozess versucht sich sich die Hauptangeklagte Beate
Zschäpe offenbar an einerr neuen Allianz. Der Verhandlungstag am Donnerstag
hat gerade erst begonnen, da stellt Wolfram Nahrath, Verteidiger des als
Waffenbeschaffers mitangeklagten Ralf Wohlleben, einen Antrag.
Der freilich zielt weniger auf seinen Mandanten – als auf die Frau eine
Reihe vor ihm. Man beantrage eine Aussetzung des Verfahrens, erklärt
Nahrath. Zschäpe werde „nicht mehr ordnungsgemäß“ verteidigt, da ihre
Anwälte nicht miteinander kommunizierten. Ein „faires“ Verfahren sei so
nicht möglich.
Sofort meldet sich auch Zschäpes Neu-Anwalt Mathias Grasel: „Meine
Mandantin schließt sich dem Antrag gerne an.“ Der zielt auf den Riss, der
sich schon länger zwischen Zschäpe und ihren drei ursprünglich erwählten
Verteidigern Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl zieht – und nun
auch zwischen dem Anwältetrio und Neuverteidiger Grasel, der erst im Juli
auf Wunsch Zschäpes dazustieß.
Dass Grasel sich nun mit den Anwälten eines anderen Angeklagten
zusammentut, verfolgt „Alt“-Verteidiger Heer entgeistert, immer wieder
schüttelt er den Kopf. „Wir geben dazu ausdrücklich keine Stellungnahme
ab“, sagt er nur bitter. Wohlleben-Verteidiger Narath dagegen geht kurz
darauf demonstrativ zu Grasel, spricht sich kurz mit ihm ab. Die Allianz
steht.
## „An Würdelosigkeit kaum noch zu unterbieten“
Damit erreicht das Zerwürfnis auf der Verteidigerbank einen neuen
Tiefpunkt. Bereits am Vortag hatte es gekracht, und wie. Heer hatte einen
Antrag gestellt, dass sich das Gericht zum jüngsten Eklat um die nicht
existente Nebenklägerin „Meral Keskin“ erklären müsse. Grasel ging sofort
dazwischen: Weder er, noch Zschäpe würden den Antrag kennen. Es folgte ein
harscher Schlagabtausch.
Die fehlende Absprache, sagte Heer, sei ein grundsätzliches Problem. „Das
lag nicht an uns.“ Schon länger wechseln Grasel und die drei ursprünglichen
Anwälte im Saal kaum ein Wort – offenbar auch nicht außerhalb, wie jetzt
klar wurde. Grasel konterte, der Vorwurf sei „haltlos“. Vielmehr hätten ihm
Stahl, Sturm und Heer Besprechungen verwehrt, Mitschriften nicht
ausgehändigt und Informationen „nur vereinzelt“ erteilt.
Heer reagiert genervt: Der Disput sei „an Würdelosigkeit kaum noch zu
unterbieten“. Auf den Streit bezieht sich nun auch Wohlleben-Verteidiger
Nahrath. Im Grunde, sagt er, sei Zschäpe doch seit Juli nicht mehr
verteidigt, seit Stahl, Sturm und Heer erfolglos ihre Entpflichtung
beantragten.
Bundesanwalt Jochen Weingarten widerspricht: Auch wenn die Situation
„suboptimal“ sei, habe Zschäpe vier Anwälte, die sie „adäquat“ vertr…
Auch eine Reihe an Opferanwälten hält dagegen: Hier gehe es wieder nur um
„ein Störfeuer“ der Verteidiger. Der Streit bestimmt den ganzen Prozesstag,
die drei geladenen BKA-Ermittler müssen ungehört abreisen. Wieder kommt das
Verfahren nicht voran.
## Anführer der rechtsextremen Wiking-Jugend
Den Ausführungen der Wohlleben-Anwälte lauschte Zschäpe dagegen schon
länger aufmerksam. Anders als bei ihren eigenen Verteidigern sitzt dort mit
Nahrath ein strammer Szeneanwalt, einst Anführer der rechtsextremen
Wiking-Jugend. Und dem kommt der jüngste Streit gelegen: Viel Entlastendes
kam für Ralf Wohlleben im Prozess nicht zutage. Nun gibt es doch noch einen
Anfechtungsgrund. Prompt beantragt Nahrath auch die Entlassung Wohllebens
aus der U-Haft. Das dürfte aussichtslos sein, auch wenn Richter Götzl erst
später über den Antrag entscheiden will.
Die neue Allianz bringt allerdings auch Zschäpe in eine rechtliche
Bredouille. Ihr „Alt“-Verteidiger Heer deutete unlängst an, wegen des
„Phantom“-Eklats eventuell einen Befangenheitsantrag gegen Götzl stellen zu
wollen. Der aber bräuchte die Zustimmung Zschäpes. Spränge sie dafür über
ihren Schatten? Und wer soll am Ende eigentlich die Plädoyers für Zschäpe
halten?
Sie selbst scheint sich bereits festgelegt zu haben: Am Donnerstag spricht
sie erneut nur mit Grasel. Ihre ursprünglichen Verteidiger würdigt sie
keines Blickes.
8 Oct 2015
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Beate Zschäpe
Mathias Grasel
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