# taz.de -- Demonstration bei Air France: „Parodie der Verhandlungen“ | |
> Bei einer Demo wurde dem Personalmanager von Air France das Hemd vom Leib | |
> gerissen. Wie konnten die Emotionen so hochkochen? | |
Bild: „Arbeiten: Ja. Sterben ... Nein!“: Für die Angestellten von Air Fran… | |
Berlin taz | Falls die Verhandlungen zwischen Air France und den | |
Gewerkschaften wieder aufgenommen werden sollten, wird dies nächstes Mal | |
wohl unter drastischer Aufsicht von Sicherheitskräften passieren. | |
Nachdem am Montag mehrere hundert demonstrierende Angestellte die Sitzung | |
der Direktion gestürmt hatten, ging das Bild des Personalmanagers | |
[1][Xavier Brosetas] im Lauffeuer durch die Online-Netzwerke: mit | |
zerrissenem Hemd und nacktem Oberkörper musste er mit Hilfe einiger | |
Sicherheitskräfte über ein hohes Gitter klettern, um der nicht mehr zu | |
haltenden Menschenmenge zu entkommen. Es gab sieben Verletzte, darunter | |
einen Schwerverletzten. | |
Streik auf französisch eben. Aber auch wenn das Land einiges an Märschen, | |
Menschenmengen und lahmgelegten öffentlichen Diensten gewohnt ist, ging das | |
doch ein bisschen weit. Premierminister Manuel Valls meldete sich aus Japan | |
und sprach der Direktion von Air France seine „volle Unterstützung“ aus, | |
Verkehrsminister Alain Vidalies befand, dass „diese körperlichen | |
Gewalttaten eine Bestrafung verdienen“, und Präsident Hollande fürchtete | |
gar um das Image Frankreichs in der Welt. Die Sache rief also weit mehr als | |
nur das übliche Kopfschütteln hervor. | |
Wie konnte es so weit kommen? Tatsächlich ist die Lage bereits seit | |
mehreren Monaten extrem angespannt. Frédéric Gagey, Direktor von Air | |
France, hatte eigentlich „nur“ vor, die Arbeitszeit der Piloten um 100 | |
Stunden im Jahr zu verlängern, bei gleichbleibendem Lohn. Das Plan hieß | |
„Perform 2020“ und sollte Air France in der Konkurrenz gegen die | |
Billigfluggesellschaften stärken. | |
Nur, wenn „Perform 2020“ keinen Erfolg hätte, müsse man zu einem gewissen | |
„Plan B“ wechseln. Und Plan B bedeutete: die Entlassung von 2.900 | |
Mitarbeitern, die Einstellung von 14 Langzeitflügen, so wie die | |
Beschränkung auf saisonalen Verkehr bei einigen Langzeitflügen. | |
Boykottierte Verhandlungssitzungen | |
Die Stewards und Angestellten vom Bodenpersonal, die von diesen | |
Entlassungen in der Hauptsache betroffen wären, mussten also hoffen, dass | |
die Piloten sich auf den Plan „Perform 2020“ einlassen, um Plan B zu | |
verhindern. Vor zwei Wochen noch hatten sie gegen die harte | |
Verhandlungsposition und den Streik der Piloten demonstriert. „Ich bin | |
unheimlich wütend“, erklärte ein Gewerkschaftler des Bodenpersonals. | |
„Jahrelang mussten wir den Gürtel enger schnallen, und nun stellen sich die | |
Piloten gegen das Wachstum.“ Das war vielleicht ganz im Sinne der Air | |
France Direktion – auch sie gab der Pilotengewerkschaft SNPL in der Folge | |
die Schuld am Scheitern von „Perform 2020“. | |
Doch inzwischen haben sich die meisten Gewerkschaften mit den Piloten | |
solidarisiert. Die SNPL sprach von einer „Parodie der Verhandlungen“, und | |
auch andere Gewerkschaften bestätigten, dass die Direktion von Anfang an | |
geplant habe, den berüchtigten „Plan B“ umzusetzen, ohne „Perform 2020“ | |
jemals ernsthaft in Betracht gezogen zu haben. Einige boykottierten die | |
Verhandlungssitzungen – die übrigens nur knappe zwei Wochen dauerten, bevor | |
die Stimmung am vergangenen Freitag kippte und die Verhandlungen | |
scheiterten. | |
Als am Montagvormittag mehr als 2.000 Angestellte am Flughafen | |
Roissy-Charles-De-Gaulle bei Paris protestierten, hatten sich die | |
verschiedenen Gewerkschaften also wieder zusammengetan.„Wir haben es satt, | |
immer gegeneinander ausgespielt zu werden“, erklärte Mehdi Kemoune von der | |
Gewerkschaft Allgemeine Arbeitskonföderation (CGT). Die Demonstranten | |
forderten einen „Plan D“, D wie „démission“, Rücktritt. | |
Allerdings hatte mit der Eskalation des Protests wohl niemand gerechnet. | |
Gegen mehrere Demonstranten soll Klage erhoben werden, andere Teilnehmer | |
sowie Gewerkschaftsführer distanzierten sich von den Übergriffen. Sie | |
fürchten, dass man sie als Verhandlungspartner nicht mehr ernstnehmen wird. | |
Indessen werden aber auch Stimmen laut, die den Protest verteidigen. So | |
schrieb etwa Attac France [2][auf Twitter]: „Wenn man einem Personalmanager | |
das Hemd wegnimmt, ist Manuel Valls schockiert. Wenn man 2.900 Menschen den | |
Arbeitsplatz wegnimmt, gibt es keine Reaktion.“ | |
Immerhin: Generaldirektor De Juniac von Air France und KLM kündigte noch am | |
selben Tag seine Bereitschaft an, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. | |
7 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=z42dm7Ylcq4 | |
[2] https://twitter.com/attac_fr/status/651137689274552320 | |
## AUTOREN | |
Lea Fauth | |
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