# taz.de -- Kommentar Neuer Afghanistan-Einsatz: Beruhigungspille für Kundus | |
> Dass die Bundesregierung über eine neue Mission in Afghanistan nachdenkt, | |
> ist das Eingeständnis des Scheiterns – und hilft niemandem. | |
Bild: In Kabul protestieren Menschen gegen die Taliban. | |
Wenn einige Hundert Taliban die zahlenmäßig viel stärkeren Regierungskräfte | |
in nur wenigen Stunden aus Kundus vertreiben können, erscheinen letztere | |
unprofessionell. Sie ließen sich überraschen, ergriffen die Flucht und | |
hinterliessen Waffen und Munition. | |
Solche Soldaten besser zu trainieren und deshalb die Ausbilder der | |
Bundeswehr über das bisherige Mandatsende 2016 hinaus in Afghanistan zu | |
lassen, wie es derzeit in Deutschland vorgeschlagen wird, scheint auf den | |
ersten Blick sinnvoll. Laut einem Spiegel-Bericht hat die Bundesregierung | |
dies schon beschlossen und darüber mit den USA gesprochen. Denn ohne die | |
US-Army würde Bundeswehr das nicht schaffen. | |
Eine längerer Verbleib der Bundeswehr-Ausbilder sendet zugleich das | |
psychologisch wichtige Signal, dass Deutschland die Afghanen trotz der | |
Rückschläge nicht im Stich lässt. Dann flüchten auch weniger Afghanen nach | |
Deutschland, so das beabsichtigte innenpolitische Signal. | |
Doch lässt sich die symbolische Niederlage der Regierungskräfte in Kundus | |
vom Montag wirklich so einfach auf ein Ausbildungsproblem reduzieren? Hielt | |
nicht viel stärker ein Motivationsproblem die einfachen Soldaten und | |
Polizisten davon ab, für verbrecherische Warlords und korrupte Kommandanten | |
den Kopf hinzuhalten? | |
## Zu früh abgezogen | |
Die Nato ist in Afghanistan eben nicht nur militärisch gescheitert, sondern | |
vor allem politisch. Es wurde ein dysfunktionales politisches System mit | |
fragwürdigen Repräsentanten aufgebaut, zu dem die Taliban eine an klaren | |
Werten orientierte Alternative sind. Zumindest erscheinen sie nicht so viel | |
schlimmer, dass viele Soldaten Anlass hätten, deren Herrschaft mit ihrem | |
Leben zu verhindern. | |
Die Bundeswehrmission in Afghanistan über 2016 zu verlängern ist ein | |
Eingeständnis, dass man zu früh abgezogen ist und sich die Lage am | |
Hindukusch schön geredet hat. Doch solange sich dort nichts grundsätzlich | |
ändert, ist eine Verlängerung der Ausbildungsmission nur eine | |
Beruhigungspille für Afghanen und Deutsche. | |
Auch die Entsendung von Kampftruppen, wie sie der frühere | |
Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat fordert, ist keine Alternative. | |
Das wäre zu recht innenpolitisch nicht durchsetzbar, wie auch Kujat | |
einräumt. Der Vorschlag verkennt vor allem die Realität, dass es den | |
internationalen Truppen in ihren dreizehn Jahren mit bis zu 130.000 | |
Soldaten weder gelungen ist, Afghanistan zu befrieden, noch das Erstarken | |
der Taliban zu verhindern. Warum sollten einige tausend Kampftruppen | |
ausrechnet jetzt daran etwas ändern können? | |
Die Verlängerung der Ausbildungsmission ist damit auch eine | |
Beruhigungspille für die Bundesregierung selbst. „Wir tun was“ ist die | |
Botschaft und will so darüber hinwegtäuschen, in Afghanistan gescheitert | |
und dort mit ihrem Latein am Ende zu sein. Das ist vor allem in Afghanistan | |
unmittelbar zu spüren. Gerade deshalb verlassen ja derzeit auch so viele | |
Afghanen ihr Land. | |
2 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Bundeswehr | |
Taliban | |
Kundus | |
Kundus | |
Die Linke | |
Hamburg | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Taliban | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Taliban | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Bomben auf Klinik in Kundus: Möglicherweise ein Kriegsverbrechen | |
Die Bombardierung der Klinik in Kundus zeigt Parallelen zu einem tödlichen | |
Luftangriff auf zwei Tanklaster vor sechs Jahren am gleichen Ort. | |
Kämpfe um afghanische Stadt abgeflaut: Ruhe in Kundus | |
Die Taliban sind aus Kundus vertrieben. Geschäfte öffnen wieder, Alltag | |
zieht ein. Die Linke fordert den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus | |
Afghanistan. | |
Übersetzer im Exil: Flucht vor den Taliban | |
Weil sie in Afghanistan für die Bundeswehr übersetzt haben, mussten sie vor | |
den Taliban fliehen. Es bleibt die Angst um jene, die sie zurückgelassen | |
haben. | |
Nach Angriff auf Krankenhaus in Kundus: Obama spricht von „Tragödie“ | |
22 Menschen starben bei dem Beschuss einer Klinik im afghanischen Kundus. | |
Die USA, die mutmaßlich dafür verantwortlich sind, versprechen Aufklärung. | |
Umkämpftes Kundus in Afghanistan: 16 Tote bei US-Angriff auf Klinik | |
Die USA unterstützen Afghanistan mit Luftschlägen, um die Taliban aus | |
Kundus zu vertreiben. Bomben trafen versehentlich eine Klinik. 16 Menschen | |
starben. | |
Kämpfe mit Taliban in Afghanistan: Armee gewinnt Kundus zurück | |
Nach offiziellen Angaben hat die afghanische Armee die Provinzhauptstadt | |
Kundus weitgehend zurückerobert. Am Montag hatten Islamisten eine Offensive | |
gestartet. | |
Taliban-Offensive in Kundus: Nato-Soldaten greifen ein | |
Die Gegenoffensive der afghanischen Armee stockt. Sie wird vielmehr am | |
Flughafen in Kundus von den Taliban angegriffen. | |
Kommentar Taliban in Kundus: Stärker denn je | |
Besonders für die Deutschen ist Kundus ein bitteres Signal. Neun Monate | |
nach dem Nato-Abzug steht es schlecht um die Stabilität in Afghanistan. | |
Taliban-Angriff auf Kundus: „Die Lage ist besorgniserregend“ | |
Deutschlands Verteidigungsministerin will den Zeitplan des Abzugs der | |
restlichen Soldaten in Afghanistan überdenken. Die Linke ist dagegen. | |
Kampf um Kundus: US-Kampfjets greifen ein | |
Die Taliban haben Montag Kundus erobert, nun setzt die afghanische | |
Regierung zum Gegenschlag an. Unterstützt werden sie von US-Streitkräften. |