# taz.de -- Kommentar Taliban in Kundus: Stärker denn je | |
> Besonders für die Deutschen ist Kundus ein bitteres Signal. Neun Monate | |
> nach dem Nato-Abzug steht es schlecht um die Stabilität in Afghanistan. | |
Bild: Regierungstruppen gehen vor Kundus in Stellung. | |
Ob sich die Taliban in der von ihnen am Montag eroberten nordafghanischen | |
Stadt Kundus halten können, ist unklar. Doch unabhängig davon senden sie | |
mit der ersten Einnahme einer Großstadt seit 2001 starke Signale. | |
Nur neun Monate nach dem Abzug der Nato-Kampftruppen steht es um die | |
Stabilität am Hindukusch noch schlechter, als es selbst Pessimisten | |
befürchtet hatten. Mit dem – mindestens – propagandistischen Erfolg der | |
Taliban in Kundus kann die Situation im Land jetzt vollends ins Rutschen | |
geraten. Die Wirtschaftskrise wird sich verschärfen, noch mehr Afghanen | |
werden ihr Land fluchtartig verlassen. | |
Kundus ist auch ein Signal an die internationale Gemeinschaft und besonders | |
an jene Länder, die dort nach 9/11 militärisch interveniert haben. Der | |
Abzug der Nato-Kampftruppen basierte auf jeweiligen innenpolitischen | |
Erwägungen der Entsendeländer – nicht auf der Analyse der realen Lage vor | |
Ort. Dort überwogen die warnenden Stimmen. Die bekommen jetzt leider recht. | |
Zugleich wird Afghanistan auf der To-do-Liste der internationalen Politik | |
wieder ganz nach oben katapultiert. Doch westliche Politiker sind des | |
Themas überdrüssig. Mit Afghanistan können sie keine Wahlen gewinnen. Und | |
eine schnelle oder gar eine langfristige Lösung hat ohnehin niemand parat. | |
Für die Deutschen ist Kundus ein besonders bitteres Signal. Die | |
Bundesrepublik ist mit ihrer ersten großen militärischen Intervention mit | |
humanitärem Anspruch außerhalb Europas nach dem Zweiten Weltkrieg | |
gescheitert. Für eine deutliche Aufstockung der in Masar-i- Scharif | |
verbleibenden Soldaten dürfte es im Bundestag keine Mehrheit geben, | |
umgekehrt wird ein schneller Abzug der letzten 725 Bundeswehrsoldaten | |
Afghanistans Zusammenbruch nur noch beschleunigen. | |
Am schlimmsten ist aber vielleicht dies: Zuletzt hatte sich bei allen an | |
dem Konflikt Beteiligten die Erkenntnis durchgesetzt, dass es in | |
Afghanistan Frieden nur durch Gespräche mit den Taliban geben kann. Doch | |
jetzt zeigen die Ereignisse in Kundus, dass die Radikalislamisten entweder | |
doch nicht gesprächsbereit sind, oder aber dass der Preis von Verhandlungen | |
sowohl für die afghanische Regierung als auch für die internationale | |
Gemeinschaft noch beträchtlich steigen wird: Die Taliban jedenfalls sind | |
stärker denn je. | |
30 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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