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# taz.de -- Fotoausstellung von Wim Wenders: Bis die Orte ihre Geschichten erz�…
> Regisseur Wim Wenders war unterwegs, um Fotos zu machen: von verfallenen
> Sauerkrautfabriken, einsamen Spargelfeldern und Dixi-Toiletten.
Bild: Foto vom Fotografen: Wim Wenders bei der Eröffnung seiner Ausstellung �…
Berlin taz | Mit sechs oder sieben bekam Wim Wenders seine erste
Fotokamera. Ein billiges Ding aus Plastik, mit dem er, wie er in
verschiedenen Interviews sagte, meist schiefe Bilder machte. Zum Abi gab es
dann eine schicke Leica. Die wurde ihm geklaut. Seither ist viel Zeit
vergangen – der Regisseur und Fotograf wurde im August 70 Jahre alt. In der
Galerie Blain Southern in Berlin ist nun eine Ausstellung mit seinen
Landschaftsaufnahmen zu sehen. Verwackelt sind die nicht mehr, erzählen
aber spannende Geschichten. Über Deutschland, Amerika und den Künstler
selbst.
Wim Wenders ist ein Herumtreiber – wenn es ums Fotografieren geht. In den
vergangenen 30 Jahren war er oft mit der Kamera unterwegs, zu Fuß und mit
dem Auto, hat immer wieder Halt gemacht und Orte eingefangen, die ihn
anzogen: die Elbe und wie sie sich durch eine Wiese schlängelt. Ein
Beelitzer Spargelfeld, an dessen Ende ein Dixi-Klo steht. Ein Flugzeugwrack
in der Steppe zwischen Utah und Arizona. Und eine verfallene
Sauerkrautfabrik, irgendwo im Mittleren Westen. Natürliche und urbane
Landschaften. Trist und verlassen.
Und trotzdem, wenn die Fotos so im XXL-Format vor einem hängen, in dieser
großen weißen Halle, sind sie wahnsinnig schön. Aber … warum eigentlich? Um
das zu beantworten, muss man vielleicht doch auch ein bisschen was über
Wenders wissen. Verstehen, wie er tickt.
## „Da bin ich auf der Pirsch“
Als Regisseur ist er in erster Linie ein Geschichtenerzähler. Am liebsten
erzählt er von Roadtrips, von Menschen, die reisen: auf dem Pferd, im
Kleinbus oder im Pkw. Am Tag oder in der Nacht. Bei Sonne und bei Regen.
Mal schnell und mal langsam. Weil sie wegwollen. Mit dem Fotografieren fand
Wenders einen Grund, um selbst zu verschwinden, etwa von seiner Arbeit am
Filmset, für seine eigenen Roadtrips.
„Da bin ich auf der Pirsch“, sagt er beim Pressetermin zur
Ausstellungseröffnung. Er lasse sich intuitiv leiten und warte, bis ihn ein
Ort zu sich locke. Und Orte, die könnten sich vor der Linse zieren und
launisch sein. Da brauche es Zeit. Wenders ist deshalb gerne allein beim
Fotografieren, wartet, bis auch der letzte Mensch aus dem Bild gegangen
ist. Sonst würde man auf einem Foto nur diesen betrachten. So beginnen aber
die Orte mit ihm zu sprechen, sie können ihre Geschichten erzählen.
Dann berichten sie von den Spuren, die die Zivilisation hinterlassen hat –
vor Hunderten von Jahren oder erst gestern. Kontrastierend setzt Wenders
Bilder unberührter Natur neben welche, die durchsetzt sind von
Menschgemachtem: Maschinen und Zerstörung. „Wir haben im Laufe der Zeit
ziemlich viel Blödsinn gebaut“, sagt er. Und meint damit wohl vor allem die
USA, in denen Wenders lange lebte.
## Mit dem Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Mythos brechen
Die einsame Bar in Montana, das verlassene Städtchen in Pennsylvania, die
verschlossene Poststelle in der Wüste – sie berichten von einem Amerika,
das nicht mehr an den „American Dream“ glaubt. Thematisch sind diese Bilder
deshalb eng mit seinem filmischen Werk verbunden, bei dem es ihm immer
wichtig war, mit dem Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Mythos zu brechen.
Wendes Protagonisten sind Loser und Träumer. Herumtreiber eben.
Mitte der nuller Jahre zog es Wenders zurück in seine Heimat. Auch in
Deutschland fotografiert er. Auch schon vor dem Umzug. Seine Aufnahme von
der Baustelle am Potsdamer Platz 1995 zeigt eine Stadt im Wandel nach der
Wende. Ein Loch mitten in der Berlin. Überall Kräne, nirgends Menschen. Ein
Nicht-Ort.
Manchmal kehre er nach Jahren wieder zu den in den Fotos gezeigten Orten
zurück, um zu schauen, ob seine Bilder sie noch richtig einfangen, sagt
Wenders. Denn das sollen sie, nicht umsonst heißt die Ausstellung im Blain
Southern „Time Capsules. By the side of the road“. Die Landschaften sollen
als Punkte in seiner Biografie, als fotografisches Tagebuch festgehalten
werden.
## Ohne zu schummeln
Deshalb ist Wenders die Wahrhaftigkeit seiner Bilder wichtig.
Digitalkameras mag er nicht, aus diesem Grund nimmt er seine Bilder mit
einem analogen Apparat auf. „Ohne zu schummeln, das mache ich beim Film
schon oft genug“, erklärt er.
Er fotografiert auch ohne Stativ. Das sorgt dafür, dass sein Körper ein
Verhältnis zum Ort finden muss. Indem er auf Nachbearbeitungen verzichtet,
erstrahlen seine Bilder in krassen, klaren Farben – sattes Rot, kräftiges
Blau – und wirken dabei so lebendig wie Filmstills, die jeden Moment
weiterlaufen.
Eigentlich müsste man das alles, die Hinweise, die Erklärungen, bei so
einer Ausstellung von Wenders mit seiner ruhigen Stimme aus dem Off
erzählen lassen. Zwar liegen in der Galerie ein paar Begleitbücher herum,
zwischendurch in diese hineinzuschauen stört aber doch den Fluss des
Guckens bei den Bildern. Die wahnsinnig schön bleiben, auch wenn man gar
kein Wenders-Experte ist. Auch so erzählen die Orte eine Geschichte. Weil
all das irgendwie mitschwingt. Das Abenteuer. Und die Ruhe.
21 Sep 2015
## AUTOREN
Christine Stöckel
## TAGS
Wim Wenders
Ausstellung
Fotografie
Wim Wenders
Filmfestival
Spielfilm
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