# taz.de -- Hilfe für Flüchtlinge in Island: Wohnraum, Tickets, Sprachunterri… | |
> In Island organisieren Tausende via Facebook Unterstützung für | |
> Flüchtlinge. Sie machen der Regierung Druck, mehr Menschen aufzunehmen. | |
Bild: In Island – hier die Hauptstadt Reykjavik – zeigen die BürgerInnen g… | |
STOCKHOLM taz | Das Echo war enorm. Innerhalb eines Tages hatten sich | |
10.000 IsländerInnen einem Facebook-Aufruf angeschlossen, in dem sie von | |
ihrer Regierung verlangen, großzügiger bei der Aufnahme von Flüchtlingen | |
aus Syrien zu sein. | |
Am Mittwoch waren es über 13.700 der 320.000 EinwohnerInnen des Landes, von | |
denen viele gleichzeitig ihre Hilfe anbieten: Geld, Kleidung, Unterkunft, | |
Spielsachen, Flugtickets nach Island, persönliche Hilfsleistungen wie | |
Sprachunterricht, Gesundheitsvorsorge oder ganz einfach als Kontaktperson. | |
Die Schriftstellerin und Professorin Bryndís Björgvinsdóttir hatte den | |
[1][Aufruf „Syrien ruft“] gestartet. Er ist in Form eines offenen Briefes | |
an Sozialministerin Eygló Harðardóttir adressiert und kam zustande nachdem | |
die Regierung im August mitgeteilt hatte, man könne 2015 und 2016 höchstens | |
50 Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenregionen aufnehmen. Man könne und | |
müsse viel mehr aufnehmen fordert die Initiatorin: „Die Flüchtlinge sind | |
unsere künftigen Ehegatten, besten Freunde oder Seelenverwandte, | |
Schlagzeuger in der Band unserer Kinder, unsere künftigen Arbeitskollegen, | |
Miss Island 2022, der Handwerker, der endlich unser Bad renoviert, der Koch | |
in der Cafeteria, der Feuerwehrmann oder die TV-Moderatorin.“ | |
Unter denen, die den Aufruf beantworteten, bieten nun viele Wohnraum bei | |
sich für einzelne Flüchtlinge oder ganze Familien an. „Natürlich bezahle | |
ich die Flugtickets“, erklärt eine Lehrerin, die Verfasserin Auður | |
Jónsdóttir will ein Kinderbuch schreiben, dessen Einnahmen in die | |
Flüchtlingshilfe fließen sollen und eine Familie, die 1996 vor dem Krieg | |
auf dem Balkan nach Island geflohen war, appelliert an die Regierung, es | |
nun syrischen Flüchtlingen zu ermöglichen, was sie selbst erlebt hätten: | |
„Von den wunderbarsten Menschen empfangen zu werden, die wir je in unserem | |
Leben kennengelernt haben.“ | |
Dieser Aufruf und [2][ein ähnlicher, der fordert, nicht 50, sondern 5000 | |
Flüchtlinge aufzunehmen] und der mittlerweile über 8000 Likes erhalten hat, | |
sorgten für große Aufmerksamkeit nicht nur in nationalen, sondern auch | |
internationalen Medien. Die Regierung reagierte bereits am Dienstag mit der | |
Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die prüfen soll, wie die Aufnahme von mehr | |
Flüchtlingen und das öffentliche Engagement am besten koordiniert werden | |
können. Die Kommunalvertretungen der Hauptstadt Reykjavik und drei anderer | |
größerer Orte haben angeboten ihre Aufnahmekapazitäten zu erhöhen. | |
Die Sozialministerin verkündete, die Maximalzahl der Flüchtlinge, die das | |
Land aufnehmen wolle, sei nun vom Tisch. Man werde bei deren Auswahl mit | |
dem UNHCR, der Flüchtlingskommission der Vereinten Nationen, | |
zusammenarbeiten und wie in der Vergangenheit in erster Linie besonders | |
schutzbedürftige Personen aufnehmen wie alleinstehende Frauen mit Kindern | |
und wegen ihrer sexuellen Orientierung Verfolgte. | |
## Durchweg gute Erfahrungen | |
Auch Finanzminister Bjarni Benediktsson erklärte in einem | |
Rundfunkinterview, angesichts dieser „beispiellosen humanitären | |
Katastrophe“ werde Island mehr tun als zunächst geplant, aber die oft | |
genannte Zahl von 1600 Flüchtlingen – dies würde proportional in etwa der | |
Aufnahme von Flüchtlingen durch Schweden entsprechen – sei für Island | |
„nicht realistisch“. Das sieht Björn Teitsson, | |
Kommunikationsverantwortlicher des isländischen Roten Kreuzes allerdings | |
ganz anders: „Schweden wäre ein ausgezeichnter Maßstab.“ Island sei immer | |
etwas zurückhaltend gewesen, was die Aufnahme von Flüchtlingen angehe, | |
dabei habe man durchweg gute Erfahrungen mit diesen Menschen gemacht. | |
Beginnend mit dem Aufstand in Ungarn 1956 hat das Land bislang rund 500 | |
Flüchtlinge aufgenommen. Vor allem in den Kommentarspalten der Zeitungen | |
und in den sozialen Medien melden sich aber auch kritische Stimmen. Das | |
häufigste Argument dagegen, dass Island derzeit überhaupt Flüchtlinge | |
aufnimmt: Noch reiche es in Folge der Wirtschaftskrise bei vielen | |
IsländerInnen nicht einmal für die Miete und den notwendigen | |
Lebensunterhalt. | |
2 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/events/1481734488816658/1481836258806481/ | |
[2] https://www.facebook.com/5000flottamenn?fref=ts | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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