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# taz.de -- Anti-Drogen-Kampf in Peru: Koka-Bauern ohne Lebensgrundlage
> Um den Kokainhandel zu stoppen, treibt Peru die Vernichtung der
> Koka-Pflanzen voran. Die Bauern klagen über fehlende Alternativen.
Bild: Bisheriger Rekord: Rund 55.000 Hektar Koka-Felder wurden in den vergangen…
NUEVO CANAVERAL ap | Edma Duran versucht zu retten, was noch zu retten ist.
Sie sammelt die letzten Koka-Blätter von ihrem Feld an den Hängen der
peruanischen Anden. Viel ist nicht übrig geblieben, nachdem Mitarbeiter der
Behörden dem Großteil der Pflanzen den Garaus gemacht haben. Von der
Kampagne zur Ausrottung der Koka-Sträucher sind bislang rund eine halben
Million Peruaner betroffen.
„Davon leben wir doch“, klagt Edma Duran. Die sechsfache Mutter muss ihre
Familie in einem 110-Seelen-Dorf ernähren, in dem es weder Strom noch
Wasser oder Telefone gibt. Vom nächsten Arzt ist sie fünf Stunden entfernt.
Der von den USA unterstützte Feldzug gegen den Koka-Anbau zielt auf die
Ausrottung der Pflanze, aus der Kokain auch für den amerikanischen Markt
gewonnen wird. Für Tausende Bauern wie Duran ist es das Aus für ihre
Lebensgrundlage. Ihnen sei nur eine armselige Entschädigung geboten worden,
beklagen sie.
Rund 55.000 Hektar Koka-Felder wurden in den vergangenen beiden Jahren
zerstört - ein Rekord. Die Regierung spricht von einem Minus von 30
Prozent. Damit fiel Peru hinter Kolumbien zurück, was die Anbaufläche
angeht. Dennoch blieb das Andenland der weltweit größte Kokainproduzent.
Für dieses Jahr steht die Vernichtung von Koka-Pflanzen auf weiteren 35.000
Hektar Land auf dem Programm. Das entspricht einer Fläche größer als
München.
## „Ein paar Kakao-Samen und dann vergessen sie dich“
„Erstmals in der Geschichte des Landes haben wir die Zunahme der
Koka-Blatt-Produktion für den Drogenhandel gestoppt“, feierte Präsident
Ollanta Humala vor einigen Wochen seinen Erfolg. Nach Auskunft der
Regierung wurden allein im vergangenen Jahr 42.000 Familien finanziell
entschädigt oder beim Anbau alternativer Pflanzen unterstützt.
Viele Familien aber erhalten keine Unterstützung. Oder sie weisen sie
zurück: „Sie geben dir eine Machete und ein paar Kakao-Samen und dann
vergessen sie dich“, sagt Edma Duran. Sie und ihr Mann pflanzten Bananen
an, nachdem die Koka-Bekämpfer ihre Sträucher im Jahr 2013 zum ersten Mal
zerstörten. Als die Früchte reif waren, lag der Fluss, der sie mit dem
nächsten Markt verband, trocken. Sie mussten fünf Stunden laufen. Für die
100 Bananen erhielten sie schließlich umgerechnet nur knapp einen Euro.
Die Familie pflanzte also wieder Koka an. Das spülte alle vier Monate fast
900 Euro in die Kasse. „Alle kaufen nur Koka“, sagt Duran. In Peru und
anderen Andenländern werden die Blätter auch gekaut, um Hunger und
Müdigkeit zu verdrängen. Koka-Blätter und Koka-Tee gelten zudem als
wirksames Mittel gegen die Höhenkrankheit.
Ein großer Teil der Ernte geht aber in die Rauschgiftproduktion. In der
Gegend, in der Duran lebt, seien in den vergangenen beiden Jahren mehr als
300 Kokain-Labore entdeckt worden, meldete die Polizei. Auch etwa 20
versteckte Landebahnen für Kleinflugzeuge zum Drogenschmuggel seien
aufgespürt worden.
Im Juli kamen schließlich die Koka-Bekämpfer in US-Hubschraubern in Durans
Dorf zurück. Unter Polizeischutz vernichteten 70 Männer binnen einer halben
Stunde Durans Sträucher. Die betroffenen Bauern wehren sich zunehmend.
## Finanzielle Unterstützung durch die USA
Ein Protest mehrerer Tausend Menschen in Ciudad Constitucion schlug im Juli
gar in Gewalt um. Ein Bauer wurde von einer Polizeikugel tödlich getroffen,
mehr als 20 Menschen wurden verletzt. Die Koka-Bauern fordern, die
Zerstörungsaktion zu stoppen, bis die Regierung tragfähige Alternativen für
den Lebensunterhalt bieten könne. Die Behörden würden zudem Gelder aus
einem dafür vorgesehenen Entwicklungsfonds in sinnlose und unseriöse
Projekte stecken, kritisiert Protestführer Hipolito Rodriguez.
Seit Humala 2011 das Präsidentenamt übernahm, investierte die Regierung
umgerechnet gut 250 Millionen Euro in den Anti-Drogen-Kampf. Die USA
steuerten rund 50 Millionen Euro bei und stellten 22 „Huey“-Hubschrauber.
Zugleich gaben sie gut 90 Millionen Euro für alternativen Anbau, vor allem
von Kakao, Kaffee und Palmöl. Humalas Mannschaft zerstörte unzählige
Sträucher, doch in die Kernregionen wagen sie sich offenbar nicht. Um die
Täler von Apurimac, Ene und Mantaro, wo angeblich rund zwei Drittel des
peruanischen Kokas angebaut werden, machen sie einen Bogen. Dort fürchten
sie gewaltsamen Widerstand, Gangs schützen ihre Pfründe. Die Polizei geht
von etwa 15 Drogenschmugglerbanden in der Region aus.
20 Aug 2015
## AUTOREN
Franklin Briceno
## TAGS
Landwirtschaft
Peru
Drogenhandel
Kokain
Abwasser
Heilpraktiker
Drogen
Cannabis
WM 2014
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