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# taz.de -- Sachbuch über psychedelische Drogen: Recht auf Bewusstseinserweite…
> Ein ernster Versuch, die Drogendebatte zu versachlichen: „Neues von der
> anderen Seite“ von Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter.
Bild: Alles so schön bunt hier: LSD-Moleküle, wie der Computerkünstler sie s…
Cary Grant war 55 Jahre alt, als er sich als riesigen Penis sah, der von
der Erde in einem Raumschiff abhebt. Von dieser fundamentalen, bei einer
Paartherapie gemachten Erfahrung erzählte der Star 1958 einem Reporter des
Herald Tribune. Grant gab an, von einem Psychiater in Hollywood LSD
bekommen zu haben, eine Substanz, die damals noch nicht verboten war.
Den Drang auf LSD „hemmt kein Verbot“, schicken die Autoren Paul-Philipp
Hanske und Benedikt Sarreiter ihrem Buch „Neues von der anderen Seite“
voraus und reklamieren im Vorwort ein Recht auf den
bewusstseinserweiternden Rausch. Manipulierte, durch Halluzinogene erzeugte
Wahrnehmung mache ihre User „offener, stärker, lustiger“, heißt es im
Vorwort des Buches, das die Kehrseite nicht unerwähnt lässt: Den „War On
Drugs“, einen weltweit geführten Kampf gegen die Verbreitung von illegalen
Genussmitteln, der nach Meinung der Autoren „die Etablierung krimineller
Strukturen“ fördere. Drogengebrauch werde dadurch nicht eingedämmt, sondern
nur in die Schmuddelecke verbannt.
„Neues von der anderen Seite“ hat daher anderes im Fokus. Zum einen liefert
es eine gut lesbare und chronologisch angeordnete Kulturgeschichte von LSD
und anderer psychedelischer Drogen, zum anderen wollen seine beiden Autoren
Vorurteile und Fehleinschätzungen über LSD, Psilocybin oder MDMA abbauen
helfen. Drogen, die im War On Drugs ohnehin eine untergeordnete Rolle
spielen.
Dabei verharmlosen Hanske und Sarreiter keinesfalls die Nebenwirkungen und
Gefahren von Psychedelika und den intensiven Erfahrungen bei ihrem
Gebrauch. Immer wieder betonen sie Set und Setting, also die mentale
Verfassung der User und die sorgsam gewählten Umstände bei der Einnahme.
Sie dokumentieren Rauschprotokolle, auch von Usern, die LSD als
Freizeitdroge einnehmen und schlechte Trips hatten, und lassen Forscher wie
den Schweizer Psychiater Peter Gasser zu Wort kommen, der im Rahmen eines
offiziell bewilligten Programms seinen Patienten LSD verabreicht hat. Zu
Horrortrips kam es dabei übrigens nicht.
Stärker als LSD liegen heute sogenannte Ayahuasca-Zeremonien im Trend.
Ayahuasca, so nennt man das psychedelische Gebräu peruanischer Ureinwohner.
Ayahuasca fungiere in ganz Südamerika als „spiritueller Mittler“, schreiben
Hanske/Sarreiter und lassen Ethnologen, Botaniker und Biochemiker Bedeutung
und Wirkstoffe des Zaubertranks erläutern.
## Kollegiales Bonding auf Drogen
Interessant ist auch, wie sie die Psychedelisierung des Arbeitslebens
darstellen: Ein Angestellter einer Firma im Silicon Valley stellt einen
Zusammenhang zwischen der Einnahme von LSD und den Entwicklungen am
digitalen Markt her. „Turn on, tune in, drop out“ – das viel zitierte
Diktum des kalifornischen LSD-Papstes Timothy Leary ist Geschichte.
Psychedelische Drogen dienen auch zum kollegialen Bonding, also letztlich
zur Umsatzsteigerung von Unternehmen.
Während die Legalisierung von Marihuana gegenwärtig Mainstreamthema ist,
bleiben psychedelische Drogen wie LSD weiterhin tabu. Ein Verdienst dieses
Buches ist es, aufzuzeigen, dass das nicht immer der Fall war. Das belegen
Zitate von Schriftstellern wie Aldous Huxley, in dessen Werk LSD eine
zentrale Rolle spielte. Und die Autoren lassen auch einen Veteranen der
U.S. Army zu Wort kommen, dessen posttraumatische Störung durch eine
Behandlung mit MDMA gelindert wurde.
„Neues von der anderen Seite“ ist ein ernst zu nehmender Versuch, die
Debatte über psychedelische Drogen zu versachlichen, und landet damit in
einem Themenfeld, das seit dem Tod des Kulturkritikers Günther Amendt nicht
besonders viel Aufmerksamkeit erhielt. Den beiden Münchner Autoren ist
damit ein Kompendium gelungen, dessen Stil irgendwo zwischen
populärwissenschaftlicher Abhandlung, Kulturgeschichte und Volksaufklärung
liegt.
Nur gelegentlich driftet „Neues von der anderen Seite“ in
Lifestyle-Hipsterismus ab, die Kapitel zu LSD und bildender Kunst, Film und
Popmusik am Ende wirken etwas gehetzt und fallen im Vergleich zur
Informationsfülle des Hauptteils ab. Gerne hätte man Genaueres von den
psychedelischen Erfahrungen der beiden Autoren erfahren.
23 Aug 2015
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Drogen
LSD
Pilze
Drogen
Drogen
Heilpraktiker
Drogenhandel
Computerspiel
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