# taz.de -- Flüchtling über deutsche Waffenindustrie: „Ihre Fabriken verurs… | |
> Rex Osa floh aus Nigeria. Am Bodensee demonstriert er gegen die hiesige | |
> Rüstungsindustrie. Deren Waffen unterstützten das Regime. | |
Bild: Mehrere Kundgebungen geplant: vor den Waffenfabriken von Diehl in Überli… | |
taz: Herr Osa, Sie sind Flüchtling aus Nigeria. Am Wochenende organisieren | |
Sie Aktionstage gegen die deutsche Waffenindustrie. Was hat die mit Ihrer | |
Flucht zu tun? | |
Rex Osa: Gäbe es in meinem Land keine Waffen, könnte ich die Politik als | |
Oppositioneller herausfordern. So kann ich das nicht. Die Waffenproduzenten | |
stützen korrupte Regime und damit Ausbeutung und Ausplünderung, das hat in | |
Nigeria eine lange Geschichte. Aktuelle droht Krieg mit Boko Haram. Woher | |
stammen all die Waffen, die die Dschihadisten haben? Nigeria produziert | |
keine. Unsere Botschaft ist: Wer Instrumente der Gewalt produziert oder die | |
Wirtschaft eines Landes ausbeutet, erntet Flüchtlinge. Das werden wir auf | |
unser Front-Transparent schreiben. | |
Was planen Sie während dieser Aktionstage? | |
Wir werden vor den Waffenfabriken von Diehl in Überlingen, Movag in | |
Kreuzlingen und ATM in Konstanz Kundgebungen machen. Und dann werden wir in | |
die Städte gehen und auch den Leuten dort sagen, dass ihre Fabriken Flucht | |
verursachen. Uns geht es dabei vor allem um die Bigotterie der sogenannten | |
Flüchtlingshelfer. | |
Wissen Sie, wohin die Waffen dieser Unternehmen exportiert werden? | |
Panzerfahrzeuge von Mowag gehen etwa an Saudi-Arabien, dessen Soldaten | |
daraus auf die Demonstranten in Bahrain geschossen haben. Außerdem werden | |
sie weltweit von den USA und von der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt. | |
ATM stellt Computer und Software für die KMW-Panzer wie den Leopard 2 her. | |
Die wurden etwa an Katar und die Türkei geliefert. Diehl ist an Bau und | |
Vermarktung der Predator-Drohne beteiligt, mit der die USA unter anderem in | |
Afghanistan, Pakistan, Irak, Libyen und Jemen hunderte Menschen getötet | |
haben. Seine Lenkflugkörper und Munition gehen unter anderem nach Saudi | |
Arabien, Ägypten und die Türkei. Doch das ist nur ein Thema. Uns geht es | |
insbesondere auch um die Bigotterie der so genannten Flüchtlingshelfer. | |
Inwiefern? | |
Uns passt die Richtung der Hilfe nicht, die immer mehr in Mode kommt. Die | |
Fluchtursachen werden nicht thematisiert. Die Leute leisten humanitäre | |
Hilfe, oft ohne darüber nachzudenken, dass sie auch Ursache des Problems | |
sind. | |
Nicht jeder, der ehrenamtlich im Flüchtlingsheim hilft, arbeitet beim | |
Panzerbauer. | |
Das ist nicht der Punkt. 80 Prozent der Steuereinnahmen der Stadt | |
Überlingen stammen von Diehl. Gleichzeitig gibt es dort 200 ehrenamtliche | |
HelferInnen. Die wollen wir mit den Rüstungsexportstrukturen konfrontieren. | |
Die meisten kennen das Problem ja durchaus, aber statt etwas dagegen zu | |
tun, wollen sie lieber ein bisschen Flüchtlingen helfen. Sie wollen | |
ausdrücklich unpolitisch sein. Das geht dann so weit, dass ein Mensch von | |
der Caritas Sätze sagt wie: „Unsere Flüchtlinge brauchen ihre Ruhe.“ Nein, | |
brauchen wir nicht. Die Leute sollen lieber dafür sorgen, dass aus ihren | |
Städten nicht so viele Waffen exportiert werden. Wir wollen durch unsere | |
Aktion mit vielen ehrenamtlichen Helfern darüber ins Gespräch kommen. | |
Die Lage in vielen Flüchtlingsheimen ist desolat. Wollen Sie ernsthaft, | |
dass dort nicht mehr geholfen wird? | |
Wir wollen, dass die Leute mit uns sprechen und uns bestimmen lassen, was | |
Hilfe für uns bedeutet. Die Friedensbewegung hat eine Kampagne, sie heißt | |
„Der Krieg beginnt am Bodensee“, wegen der extrem hohen Dichte an | |
Rüstungsfirmen dort. Wir finden, dass das ein zutreffender Satz ist und wir | |
erwarten, dass Leute, die Flüchtlingen helfen wollen, sich das klarmachen. | |
Wenn sie das nicht tun, handeln sie paternalistisch. Sie halten uns in der | |
Rolle der Opfer. Wir sitzen im Heim und müssen ihre Hilfe annehmen. Das | |
wollen wir nicht. Wir wollen die Strukturen bekämpfen, wegen derer wir | |
fliehen mussten. Alles andere ist keine Lösung. | |
Ein Großteil der Flüchtlinge flieht aktuell vor Konflikten, in denen | |
deutsche Waffen wohl keine besondere Rolle spielen, etwa Syrien oder | |
Eritrea. | |
Deutschland ist unser Referenzpunkt, denn wir sind hier. Und deswegen | |
skandalisieren wir die Dinge hier. Wir wissen, warum wir fliehen mussten, | |
und wir sehen, wie wir behandelt werden. Es geht hier nicht direkt um | |
Syrien, aber sehr wohl stellvertretend um die Gesamtheit der Flüchtlinge. | |
Haben Sie die Kundgebungen angemeldet? | |
Ja. | |
Gab es Schwierigkeiten? | |
Nein. Die Behörden waren bislang kooperativ. | |
20 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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