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# taz.de -- Sauffestival in Berlin ohne Nazis: Odin-Trunk gibt‘s nicht mehr
> Das Bierfestival war lange ein Wohlfühlort für Neonazis. Das hat sich
> geändert – dank einer intensiven Beratung und eines engagierten
> Veranstalters.
Bild: Nazis sind auf dem Bierfestival selten geworden, aber andere seltsame Ges…
BERLIN taz | Eine Nazi-Massenschlägerei am Stand „Germanenzug“. Ungestörte
Stelldicheins bekannter NPD-Kader. Große Gruppen, die in „White
Pride“-Shirts über das Gelände ziehen. Und nicht zuletzt ein deutlich
erhöhtes Aufkommen rassistischer Übergriffe in der Umgebung: Das
Internationale Bierfestival, meist Biermeile genannt, hatte lange ein
braunes Problem.
Seit gut fünf Jahren aber wendet sich das Blatt: Nachdem anfangs – die
Biermeile gibt es seit 1996 –, einige Antifagruppen noch allein auf weiter
Flur standen mit ihrer Kritik an der Neonazi-Schlagseite des Festivals,
ließ sich der Veranstalter ab 2010 von der Mobilen Beratung gegen
Rechtsextremismus (MBR) helfen. Seitdem ist viel passiert: Es gibt eine
Hausordnung, die rassistische Äußerungen und rechtsextreme Symbole
verbietet, der Sicherheitsdienst ist eigens geschult, es gibt
antirassistische Bühnen und einen Stand des Kreuzberger Unternehmens
Quartiermeister“, dessen Erlöse an das Netzwerk „Berlin gegen Nazis“ geh…
„Die Entwicklungen auf der Biermeile sind aus unserer Sicht wirklich ein
Paradebeispiel dafür, wie es gut laufen kann“, sagt Michael Trube von der
MBR. „Die Zusammenarbeit klappt hervorragend, es hat sich einiges
verändert“, sagt Lothar Grasnick, dessen Firma Präsenta das feuchtfröhliche
Spektakel veranstaltet. Auch aus dem Berliner Register, in dem
rechtsextreme Übergriffe gemeldet werden, lässt sich ein deutlicher
Rückgang der Vorfälle rund um die Bierfete ablesen: Seit 2013 wurde kein
Übergriff mehr gemeldet.
Eine Erfolgsstory also, obwohl es am Anfang nicht danach aussah: 2006
traute sich die Friedrichshainer Initiative gegen rechts zum ersten Mal,
einen eigenen Stand auf der Biermeile zu betreiben – und musste wüste
Beschimpfungen und Bedrohungen in Kauf nehmen. Die Neonazis fühlten sich
damals sicher auf dem Festival. Besonders bestimmte Stände, etwa von
Biermarken mit germanischem Namen oder altdeutschem Schriftzug, wurden zu
alljährlichen Treffpunkten.
2010 begann dann die MBR auf Vermittlung des grün geführten Bezirksamts mit
der Beratung. „Am Anfang mussten wir da durchaus dicke Bretter bohren“,
sagt Trube. Zuerst sei es darum gegangen, den Veranstalter überhaupt zu
sensibilisieren, eine „gemeinsame Problembeschreibung“ zu schaffen.
Grasnick, Typ zupackender Unternehmer mit Berliner Schnauze, sagt selbst:
„Ich wusste am Anfang nicht, was wir da für eine Dimension haben.“ Zu
vermitteln, dass die Biermeile für Menschen, die aufgrund ihres Äußeren
oder ihrer Einstellung den Hass von Neonazis auf sich ziehen, eine
No-go-Area darstellte, war deswegen ein erstes Ziel der Beratung.
## Rechtsextreme Codes und Symbole erkennen
Gemeinsam wurde dann eine Hausordnung erstellt, die dem Sicherheitsdienst
die Möglichkeit gibt, Besucher, die sich rassistisch äußern oder Symbole
mit Bezug zur rechtsextremen Szene tragen, vom Festival zu werfen. Jedes
Jahr wird das Sicherheitspersonal erneut von der MBR geschult, um
rechtsextreme Codes und Symbole erkennen zu können.
„Das Sicherheitspersonal hat sich die Umsetzung der Hausordnung
mittlerweile zu ihrem eigenen Anliegen gemacht“, sagt Trube. Und Grasnick
berichtet, durchaus auch einen Teil des Sicherheitspersonals ausgetauscht
zu haben – „wenn Sie da erst mal tiefer reinsteigen, merken Sie erst, was
alles nötig ist“, sagt er.
Auch von den Bierbrauereien, die mit Namen wie „Odin-Trunk“ und bestimmten
Schriftarten Rechtsextreme anziehen, ob nun gewollt oder nicht,
verabschiedete sich Grasnick. „Da mussten wir am Anfang schon noch Lehrgeld
zahlen und haben Minusgeschäfte gemacht, weil wir die Unternehmen so
kurzfristig ausgeladen haben“, sagt Grasnick. Es sei ihm nie nur darum
gegangen, dass die Nazis für sein Bierfestival, das ja ein internationales
sein will, ein Geschäftsrisiko waren, sondern er habe sich auch abseits
geschäftlicher Interessen aus persönlicher Überzeugung für eine Lösung
eingesetzt.
Die Situation hat sich nun bereits deutlich verbessert: „Wir sehen schon
noch vereinzelte Nazis auf der Biermeile – aber die sind dann privat da und
geben sich auch nicht als Nazis zu erkennen“, sagt Trube. Mit den Kameraden
am Bierstand stehen und rechte Parolen rufen – das ist nicht mehr.
6 Aug 2015
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Nazis
Bier
Saufen
Bier
Schwerpunkt AfD
Protest
Nazis
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