# taz.de -- Privatisierungen in Griechenland: Syrizas Kehrtwende | |
> Die griechische Regierung war bis vor Kurzem gegen Privatisierungen. | |
> Jetzt verspricht sie eine ganze Welle davon – aber lohnt sich das? | |
Bild: Wieviel Geld wird das bringen? Artefakt auf dem verlassenen Flughafen im … | |
Athen ap | Eigentlich sollten die Arbeiten an dem sieben Milliarden Euro | |
schweren Ufer-Entwicklungsprojekt in Athen – auf einer Fläche fast doppelt | |
so groß wie der New Yorker Central Park – im vergangenen Jahr beginnen. | |
Beinahe eine Milliarde Euro hätte das Griechenlands leerer Kasse bescheren | |
können. Aber die Pläne hingen fest, nachdem die linksgerichtete | |
Syriza-Partei an die Macht gekommen war und versprach, Versuche zu stoppen, | |
Staatseigentum in die Kontrolle des privaten Sektors zu übertragen. | |
Dahinter steckte neben ideologischen Gründen die Überzeugung, dass vor | |
einem Ausverkauf erst das Problem der wuchernden Korruption angegangen | |
werden müsse. | |
Jetzt, da Griechenland ein drittes europäisches Hilfspaket sichern und die | |
Wirtschaft vor dem Zusammenbruch bewahren will, hat die Regierungspartei | |
eine Kehrtwende vollzogen. Sie verspricht, dass das Ufer-Projekt im | |
Eiltempo in Angriff genommen, Staatsvermögen veräußert und staatseigenes | |
Gelände für private Entwicklung geöffnet wird. | |
50 Milliarden Euro sollen demnach durch Privatisierungen und private | |
Nutzung von Staatseigentum zusammenkommen. Das alles soll dabei helfen, | |
Griechenlands Schuldenberg von 320 Milliarden Euro zu verringern und Geld | |
zurückzuzahlen, das europäische Länder zur Stützung der leidenden Banken | |
geliehen haben. | |
Zu den großen Geldvermögen, die Griechenland veräußern könnte, zählen | |
staatseigene Anteile an Athens neuem Flughafen, dem Energiekonzern Hellenec | |
Petroleum und der Stromgesellschaft Public Power Corp. sowie Parzellen zur | |
Öl- und Erdgasförderung vor der Küste. Hinzu kommen Beteiligungen an Banken | |
in geschätztem Umfang von 7,5 Milliarden Euro. Der wahre Wert der Anteile | |
ist allerdings unbekannt, da am Athener Aktienmarkt seit Ende Juni, als das | |
Land in finanzielles Chaos stürzte, nicht mehr gehandelt worden ist. | |
## Preise stark gesunken | |
Der Hellenic Republic Asset Development Fund, der für die Deals mit dem | |
privaten Sektor zuständig ist, besitzt außerdem Grundstücke auf schönen | |
Inseln zum langfristigen Leasing, ein Schloss auf Korfu sowie Gebäude in | |
Athen und anderen Teilen Griechenlands. Der Verwertungsfonds für das | |
öffentliche Privatvermögen wurde 2011 gegründet, nachdem sich die Rufe von | |
Griechenlands Gläubigern nach einer Privatisierungswelle verstärkt hatten. | |
Aber bisher hat er nur 3,5 Milliarden Euro zusammenbekommen. | |
Ständig wechselnde gesetzliche Regeln für Veräußerungen, gerichtliche | |
Klagen, örtlicher Widerstand und finanzieller Aufruhr haben die Abwicklung | |
von Verkäufen verkompliziert. Es ist schwierig, den Wert der | |
Staatseigentümer zu schätzen, und es gibt Kritik, dass die Preise so stark | |
gesunken sind, dass es nichts bringt, überhaupt etwas zu verkaufen. | |
Der Fonds selbst sagt öffentlich nichts über den möglichen Wert des | |
Staatsbesitzes, den er im Angebot hat. Aber der Deal, den er für das | |
Ufer-Entwicklungsprojekt ausgehandelt hat, würde Griechenland 950 Millionen | |
Euro im Gegenzug für eine 99-jährige Verpachtung des Geländes einbringen. | |
Ein griechisches Unternehmen mit chinesischen und arabischen Investoren im | |
Rücken will darauf eine große Grünanlage, ein Einkaufszentrum, eine | |
Seeufer-Promenade, ein 1000-Betten-Hotel und ein Hochhaus mit Wohnungen | |
entstehen lassen. | |
In einem Hafen auf dem Gelände, gebaut für die Olympischen Spiele 2004, | |
docken Millionen teure Jachten. Aber ein zwei Straßenzüge langer | |
Gebäudekomplex hat ein leckes Dach, fängt an, heruntergekommen auszusehen. | |
Er wurde für Athleten gebaut, aber nach den Spielen nie wieder benutzt. | |
„Derzeit ist es eine Verschwendung“, sagt Bootskapitän Jiorgos Kourtelis, | |
der jedes Mal wütend wird, wenn er an den leer stehenden Gebäuden | |
vorbeifährt. Er möchte dort ein Café für Hafenarbeiter und Bootsbesatzungen | |
eröffnen. | |
Oft verhindern Konflikte zwischen örtlichen und staatlichen Stellen eine | |
Privatisierung. Aber selbst wenn Griechenland derartige Hürden aus dem Weg | |
räumen könnte, würden sich die Einkünfte wahrscheinlich nur im Bereich von | |
15 bis 20 Millionen bewegen, schätzt Manos Giakoumis, der für die | |
wirtschaftliche und politische Analyse-Webseite Macropolis in Athen | |
arbeitet. „Man muss ins Kalkül ziehen, dass die Marktbedingungen zurzeit | |
sehr ungünstig sind“, sagt er. „Selbst wenn du sagst, dass ein Eigentum 300 | |
Millionen Euro wert ist, dann heißt das nicht, dass das der aktuelle Wert | |
ist. Es gibt eine Menge von Grundstücken, die privatisiert werden könnten. | |
Aber niemand weiß, wie viel Geld dadurch eingenommen werden kann.“ | |
Giakoumis glaubt, dass Griechenland nun so stark auf europäische Hilfen | |
angewiesen sei, dass es gezwungen sein werde, die Privatisierungen und | |
Deals voranzutreiben, die dem privaten Sektor die Nutzung von staatseigenem | |
Land und anderem Eigentum gestattet. „Es gibt keine Möglichkeit für die | |
gegenwärtige Regierung, diese Privatisierungen weiter abzulehnen. Sie | |
müssen die abschließenden Genehmigungsverfahren beschleunigen.“ | |
19 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Alan Clendenning | |
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