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# taz.de -- Besetzte Flüchtlingsschule in Berlin: Kampf hinter verschlossenen …
> Noch immer harren 24 Geflüchtete in der Gerhart-Hauptmann-Schule in
> Kreuzberg aus. Der Bezirk würde sie gern loswerden. Doch das müsste nicht
> sein.
Bild: Geräumt wird hier nichts: Das Tür zum Gelände der einstigen Gerhart-Ha…
Ein Eisentor, verschlossen mit einem Fahrradschloss, dahinter ein stiller
Hof im Schatten der Bäume: Ein ruhiges Bild bietet sich dem Besucher, der
sich der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in
Kreuzberg nähert. Wie anders sah es hier noch vor gut einem Jahr aus: Vor
dem Gebäude standen sich Hunderte Demonstranten und Polizisten gegenüber.
Auf dem Dach der Schule protestierten die Flüchtlinge mit wehenden Fahnen.
Hubschrauber kreisten über der Szenerie. Dazu ein Pulk von Journalisten und
Fotografen: Halb Deutschland schaute damals auf dieses Gebäude, das
Flüchtlingsaktivisten im Dezember 2012 besetzt hatten, in dem zeitweise bis
zu 300 Menschen wohnten und das der grün regierte Bezirk endlich leer haben
wollte.
Und jetzt? Der Konflikt um das Haus schwelt weiter – nur dass sich kaum
jemand mehr dafür interessiert. Nachdem die Aktivisten vom Dach gestiegen
waren und eine Vereinbarung mit dem Bezirksamt unterzeichnet hatten, die
ihnen zusicherte, in einem Teil des Gebäudes bleiben zu können, zogen alle
ab: Polizisten, Fotografen, Journalisten und Demonstranten. Hinter
verschlossenen Türen aber wird weiter um die Zukunft des Gebäudes
gestritten.
Der Bezirk will hier eine vom Land finanzierte und von der Diakonie
betriebene Flüchtlingsunterkunft mit 150 Plätzen einrichten und
argumentiert, für die Umbauarbeiten müsse das Gebäude leer sein. Die
jetzigen Bewohner hätten jedoch kaum Aussicht auf einen Platz in einer
solchen Unterkunft: Die meisten von ihnen sind nicht in Berlin registriert.
24 Personen wohnen aktuell noch in der ehemaligen Schule. Besucher
empfangen dürfen sie nicht, rund um die Uhr wacht das Sicherheitspersonal
über den Zugang zum Gelände. Rund 100.000 Euro im Monat zahlt der Bezirk
für den Status quo, ein Großteil davon für den Wachschutz, den Rest für
Wasser, Strom und die Instandhaltung des Gebäudes.
## Bezirksamt in der Kritik
Dass sich daran so schnell etwas ändert, erscheint unwahrscheinlich: Im Mai
dieses Jahres entschied das Verwaltungsgericht, die Schule dürfe nicht ohne
Weiteres geräumt werden. Schließlich sei hier weder eine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit gegeben, noch könne sich der Bezirk einfach über die
nach der Dachbesetzung getroffene Vereinbarung hinwegsetzen.
Doch das Bezirksamt hat nicht nur juristische Schwierigkeiten: Die Linie
der Grünen – oder deren vermeintlicher Mangel – wird von links und rechts
gleichermaßen kritisiert. Der CDU-Bezirkspolitiker Kurt Wansner ist sich
sicher, dass der Bezirk vor Gericht verlieren wird. Reza Amiri von der
Linksfraktion wirft dem Bezirksamt vor, kein Interesse mehr an einer Lösung
zu haben. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andy Lehmke sagt, das Bezirksamt
betreibe „Symbolpolitik“.
Die Opposition übt Kritik, das ist ihr Job – könnte man meinen. Doch das
Problem des Bezirks geht tiefer: Denn der Konflikt, der an der
Hauptmann-Schule ausgetragen wird, hat sich verschoben. Ursprünglich war es
den Flüchtlingsaktivisten nicht um das Gebäude an sich gegangen: Mit der
Besetzung wollten sie zunächst nur eine Schlafplatzalternative zum Camp am
Oranienplatz schaffen, ihr Kampf drehte sich um die Forderungen nach einem
Abschiebungsstopp und der Abschaffung von Residenzpflicht und
Sammelunterkünften. Der Bezirk konnte damals darauf verweisen, für die
Erfüllung dieser Forderungen weder die Zuständigkeit noch die Macht zu
haben. Seit einer Weile schon erhebt die Flüchtlingsbewegung aber auch eine
Forderung, die unmittelbar mit der Schule verknüpft ist: Hier soll ein
selbstverwaltetes Flüchtlingszentrum entstehen.
## Verhandlungen ausgesetzt
Die Zuständigkeit für diese Forderung kann der Bezirk nicht so einfach
zurückweisen, schließlich gehört ihm das Gebäude. Gleichwohl stehen seine
eigenen Pläne, hier eine reguläre Flüchtlingsunterkunft einzurichten, im
Widerspruch zu diesem Vorhaben. Trotzdem gab es Verhandlungen zwischen der
Diakonie, den Bewohnern und Vertretern anderer Gruppen. Das Bezirksamt war
an diesen Gesprächen nicht beteiligt.
Seit April sind die Verhandlungen jedoch ausgesetzt – weil die Bewohner
„jedes Angebot ablehnten“, sagt der Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach.
Die Beteiligten sehen das anders: „Aus meiner Sicht sind die Gespräche sehr
konstruktiv verlaufen, es gibt den Willen, eine gemeinsame Lösung zu
finden“, sagt Evelyn Gülzow, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks
Stadtmitte.
Warum dann die Aussetzung der Gespräche? Der Knackpunkt, sagen die
Beteiligten übereinstimmend, sei das genaue Nutzungskonzept und dessen
Finanzierung gewesen: Die Diakonie habe nichts dagegen, dass ein Teil des
Gebäudes für ein selbstverwaltetes Flüchtlingszentrum genutzt werde, sagt
Gülzow – finanzieren aber könne sie nur den Teil für die reguläre
Unterbringung, nur dafür gibt es Geld vom Land. Für das selbstverwaltete
Zentrum müsse ein anderer Träger und eine andere Finanzierung gefunden
werden.
Wie groß die Finanzierungslücke sei, wisse niemand, da es dazu noch keine
Gutachten gebe. Man sei im April mit der Vereinbarung auseinander gegangen,
sich dann wieder zusammenzusetzen, wenn sich in der Finanzierungsfrage
etwas getan habe – bisher sei das nicht passiert. Dennoch: In diesen
Gesprächen scheint es mehr Möglichkeitsfenster für gemeinsame Lösungen zu
geben, als angesichts des verhärteten Konflikts bisher erwartet.
Der Bezirk erhebt derweil weiter Vorwürfe gegen die Bewohner: „Es wurden
ihnen von verschiedenen Stellen Angebote gemacht, von der temporären
Unterbringung bis zu bezahlten Praktika, aber diese Gesten der
ausgestreckten Hand wurden ausgeschlagen“, sagt Sprecher Langenbach. Gegen
den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat der Bezirk Beschwerde eingelegt.
Welche nächsten Schritte der Bezirk nach einer Entscheidung – ob diese nun
ablehnend oder bestätigend ausfällt – gehen möchte, will Langenbach nicht
sagen: „Dazu kann ich mich im Moment definitiv nicht äußern, weil wir das
noch gar nicht wissen“, sagt er.
## Wachschutz soll bleiben
Auch zu der Möglichkeit eines kombinierten Nutzungskonzepts aus regulärer
Unterkunft und selbstverwaltetem Zentrum will Langenbach sich nicht äußern
– solche Überlegungen seien zu theoretisch: „Bisher gibt es kein
Schriftstück, in dem die Wünsche formuliert und mit Vorschlägen zur
Finanzierung versehen worden sind.“ An dem momentanen Sicherheitskonzept –
Wachschutz rund um die Uhr, generelles Besuchsverbot außer für Ärzte –
werde sich zunächst nichts ändern.
„Der Bezirk versucht hier nach wie vor nicht zu gestalten oder eine
politische Lösung herbeizuführen, sondern will die Situation rein
ordnungsrechtlich lösen“, sagt der Anwalt Ralph Monneck, der die 24
verbliebenen Bewohner gemeinsam mit seinem Kollegen Benjamin Hersch
vertritt. Er rechnet fest damit, dass das Oberverwaltungsgericht die
Beschwerde des Bezirks zurückweist – eine Räumung wäre damit äußerst
unwahrscheinlich. Dann bliebe dem Bezirk nur noch darauf zu setzen, dass
die 24 irgendwann freiwillig ausziehen. Bleiben die Bedingungen in der
Schule, wie sie sind, könnte diese Strategie aufgehen. Sollten die Bewohner
ihrem Ziel eines selbstverwalteten Zentrums aber doch noch näher kommen,
scheint das unwahrscheinlich.
Mitarbeit: Philipp Idel
Dieser Text ist Teil des aktuellen Themenschwerpunkts in der taz.berlin.
Darin außerdem: Wie die Bewohner der Schule ihre Zukunft sehen. In Ihrem
Briefkasten und am Kiosk.
26 Jul 2015
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Flüchtlinge
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