# taz.de -- Nitrat im Trinkwasser: „Verzögern und verschleppen“ | |
> Wasserwirtschaft und EU-Kommission fordern, die Düngemittelverordnung zu | |
> verschärfen. Das Landwirtschaftsministerium spielt auf Zeit. | |
Bild: Dickes Ding: Die Agrarindustrie sorgt sich eher um Effizienzsteigerung al… | |
Berlin taz | Die Überdüngung der Böden gefährdet das Trinkwasser, und eine | |
Besserung ist nicht in Sicht. Der Bundesverband der Energie- und | |
Wasserwirtschaft übt diesbezüglich scharfe Kritik an der Bundesregierung. | |
Weder der neue Entwurf zur Verschärfung der Düngemittelverordnung noch das | |
geplante Düngemittelgesetz seien geeignet, die Nitratbelastung von Böden | |
und Grundwasserreservoirs zu verringern, beklagte Verbandsvize Jörg Simon | |
am Dienstag. | |
Damit stärkt die Wasserwirtschaftslobby die Position der EU-Kommission, die | |
auf eine rasche Umsetzung der europäischen Nitratrichtlinie in Deutschland | |
pocht und inzwischen ein EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat. | |
Aber das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium bremse durch | |
Klientelpolitik die Reform, sagte Verbandsgeschäftsführer Martin Weyand: | |
„So kennen wir das Ministerium: verzögern, verschleppen, vertuschen.“ | |
Der Entwurf der Verordnung ist noch in der Abstimmungsphase zwischen den | |
Ministerien der Länder und des Bundes. Der Wasserverband bemängelt, dass er | |
keine konkreten Maßnahmen beinhalte. Stattdessen sei geplant, zunächst eine | |
Bund-Länder-Gruppe einen Plan ausarbeiten zu lassen, wie | |
Stickstoffbelastungen gemessen werden und wie viel Düngung erlaubt sein | |
soll. | |
Der Verband ist überzeugt, mit diesem Vorgehen könne die Umsetzung der | |
EU-Nitratrichtlinie frühestens in fünf bis zehn Jahren beginnen. Er | |
fordert, stattdessen sofort eine so genannte Hoftorbilanz für Stickstoffe | |
einzuführen. Diese Bilanz beruht auf einer Differenzrechnung: Erfasst | |
werden alle Stickstoffe, die einen Agrarbetrieb in Form von Dünger oder | |
Tierfutter erreichen. Anschließend wird die Summe der Stickstoffe | |
abgezogen, die den Hof als Bestandteil landwirtschaftlicher Produkte wieder | |
verlassen. Die Differenz, so die plausible Annahme, ist auf den Böden des | |
Betriebes verblieben – und dafür muss ein Grenzwert eingehalten werden. | |
## Grenzwertüberschreitungen werden noch zunehmen | |
Einen Grenzwert gibt es derzeit nur für die Nitratkonzentration im | |
Trinkwasser. Überschreitet ein Grundwasserreservoir die Konzentration von | |
50 Milligramm Nitrat pro Liter, müssen Trinkwasserversorger nitratärmeres | |
Wasser zum Verdünnen beimischen oder teure Mikrofiltersysteme anschaffen. | |
Laut Simon überschreiten aktuell schon 27 Prozent der deutschen | |
Grundwasserreservoirs den genannten Grenzwert. Der Verband befürchtet eine | |
weitere Verschlechterung, auch weil das dringend nötige Gegensteuern wegen | |
langer Sickerzeiten erst stark verzögert wirken wird. | |
Das Salpetersalz Nitrat wird in Düngemitteln der Agrarindustrie verwendet, | |
weil Pflanzen es als Stickstoffquelle aufnehmen. Nach exzessiver Düngung | |
sickert überschüssiges Nitrat, das die Pflanzen nicht absorbieren können, | |
durch tiefere Bodenschichten ins Grundwasser, von Regengüssen transportiert | |
und beschleunigt. | |
Zusätzlich gelangt Nitrat über Erosion und Abschwemmungen nach Unwettern in | |
Flüsse und Seen, wo der dadurch entstehende Nährstoffüberschuss das | |
Wachstum von Algen begünstigt – vor allem bei sommerlicher Hitze. | |
15 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Jakob Pontius | |
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