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# taz.de -- Umweltverschmutzung: Lizenz zum Trinkwasserverseuchen
> Wasserversorger in Norddeutschland schlagen Alarm: Das Übermaß an Gülle
> und Gärresten in der Landwirtschaft gefährdet das Trinkwasser.
Bild: Gülle im Übermaß: Die intensive Landwirtschaft gefährdet das Trinkwas…
OLDENBURG taz | Südlich von Oldenburg, etwa auf der Kreisstraße nach
Garrel, hängt ein süßlicher Geruch in der Luft. Er ist gemischt mit dem von
herber Gülle. Man bräuchte einen Schnaps, um den galligen Geschmack von der
Zunge zu kriegen. Der Schluck aus der Pulle macht vielleicht duselig, ein
Schluck aus dem Wasserhahn aber könnte einen pökeln.
Denn durch das Übermaß an Gülle sind Seen und Flüsse seit Langem über die
Grenzwerte hinaus mit Nitrat belastet und allmählich dringt der schädliche
Stoff in den Untergrund ein. Das Trinkwasser spendende Grundwasser sei mehr
und mehr gefährdet, warnt der regionale Trinkwasserversorger, der
Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) aus Brake. Der Verband
versorgt eine Million Verbraucher mit Trinkwasser und ist der größte
Flächenanbieter in Deutschland.
Aus dem südlichen Oldenburgischen kommt Fleisch, das mit „alles frisch“,
„Mühlenfrische“ und „bauernecht“ beworben wird. Von hier her kommt jed…
zweite Hähnchen auf deutsche und ausländische Tische. Jede dritte in
Deutschland verarbeitete Sau bekommt hier ihren finalen Stromstoß. Von hier
kommt auch das Geschmäckle im Trinkwasser.
Das südliche Oldenburg ist das Zentrum der deutschen Massentierhaltung und
„Fleischveredelung“. Entsprechende Produktionszahlen werden gerne auf die
Gesamtfläche Niedersachsens verteilt. Aber hier in der Nähe Oldenburgs
konzentrieren sich Schweine-, Rinder- und Hühnermastbetriebe,
Schlachtfabriken und Wursthersteller wie nirgendwo in Deutschland. Und hier
geht es auch dem Wasser an den Kragen. Denn Massentierhaltung und
„Veredelung“ verbrauchen viel Wasser und erzeugen viel Abwasser.
Bereits im vergangenen Jahr warnte eine Studie des Niedersächsischen
Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN),
Deutschland könne die Vorschriften der EU zur Verbesserung der Wassergüte
in Flüssen und Seen niemals einhalten. Die Vergiftung der Gewässer durch
direkte oder diffuse Einleitungen von Schadstoffen sei zu groß. Deutschland
droht ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie.
Um das Düngen der Äcker mit Gülle zu regeln, hat die Bundesregierung einen
Entwurf zur Novellierung der Düngeverordnung vorgelegt. Dieser wird derzeit
abschließend im Bundesrat beraten. Der OOWV, andere Wasserversorger und
kommunale Verbände lehnen den Entwurf ab. „Wenn der Entwurf der
Bundesregierung zur Düngeverordnung in den nächsten Tagen wirklich vom
Bundesrat verabschiedet wird, dann bekommen die Landwirte eine Lizenz zur
Wasserverseuchung“, sagt Egon Harms vom OOWV.
Der Wasserverband hat im Oldenburgischen Flächen für Wasserschutzgebiete
aufgekauft und diese aufgeforstet. Mit dem Wasserpfennig, den jeder
Wasserverbraucher in Niedersachsen bezahlen muss, werden Landwirte
unterstützt, wenn sie ihre Äcker in der Nähe dieser Wasserschutzgebiete
schonend bewirtschaften.
„Wir haben lange Zeit halbwegs gut mit den Landwirten zusammengearbeitet“,
sagt Harms. Doch mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hätten sich die
Verhältnisse seit 2004 gewandelt. Die Bauern haben Biogasanlagen errichtet,
die sie mit Mais füttern. Zur der Gülle aus den Ställen kommen jetzt die
Gärreste aus den Biogasanlagen – und das in einer Situation, in der ohnehin
schon mehr Dünger anfällt als das Land verkraften kann. Der Überschuss an
Nitrat versickert über die Jahre im Boden, bis er im Grundwasser anlangt,
aus dem der Stoff nur mit viel Aufwand entfernt werden kann.
Und je mehr die Landwirte mästen, je intensiver sie die staatlich
geförderten Biogasanlagen betreiben, desto mehr Flächen brauchen sie für
den Anbau von Mais und zur Ausbringung der Gülle. Konsequenz: Die ohnehin
knappen Flächen werden extrem teuer.
Um Cloppenburg herum sind die Preise für Pachtland von 50 Euro auf weit
über 2.000 Euro pro Hektar jährlich gestiegen. „Da können wir nicht mehr
mitbieten, um Wasserschutz einrichten zu können“, sagt Harms vom OOWV.
18 Mar 2015
## AUTOREN
Thomas Schumacher
Thomas Schumacher
## TAGS
Landwirtschaft
Umweltverschmutzung
Trinkwasser
Landwirtschaft
Grenzwerte
Sachsen-Anhalt
Bioland
Grundwasser
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