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# taz.de -- Kommentar Völkermord in Namibia: Nur der erste Schritt
> Deutschland erkennt den Völkermord an den Herero und Nama an – ein
> wichtiges Zeichen. Nun muss auch die Nichtbeachtung der Opfer enden.
Bild: Die Vertreter der Opfervölker werden nicht einbezogen: Esther Utjiua Mui…
Endlich will die Bundesregierung offenbar den Völkermord, den deutsche
Truppen zu Anfang des 20. Jahrhunderts im heutigen Namibia verübten, als
solchen anerkennen. Was das Auswärtige Amt jetzt mit einer neuen
„Leitlinie“ in Aussicht gestellt hat, ist eine lange überfällige
Selbstverständlichkeit.
Nach Jahrzehnten des Leugnens war die deutsche Verweigerungshaltung
zuletzt, nach den Auseinandersetzungen um den türkischen Genozid in
Armenien, nur noch peinlich gewesen: Nach dem Motto „Wenn ich die Augen
schließe, sieht mich keiner“ versuchte die Bundesregierung, die
Anerkennungsforderungen der Herero und Nama aus Namibia zu ignorieren.
Selbst bei der Anreise von Vertretern der beiden Opfervölker, die in Berlin
von der offiziellen Politik wie Luft behandelt wurden.
Drei Forderungen haben die Herero- und Nama-Delegierten in Berlin gestellt:
Anerkennung, Entschuldigung, Dialog. Die erste davon scheint nun vor der
Erfüllung zu stehen. Das ist der erste Schritt, psychologisch gesehen
vielleicht der schwerste. Nach diesem Tabubruch müssten die beiden anderen
Schritte eigentlich leichter fallen.
Man kann ja wohl kaum anerkennen, dass man Völkermord begangen hat, und
sich dann weigern, sich dafür zu entschuldigen oder über die Folgen mit den
Opfern zu reden. Oder?
Man kann. Und das zeigt, dass die Debatte jetzt erst am Anfang steht. Ob es
eine Entschuldigung geben wird, sei noch offen, heißt es. Das Problem
scheint zu sein, dass aus einer Entschuldigung eine Verpflichtung gegenüber
den Opfern folgen könnte, was Deutschland vermeiden will. Denn nach wie vor
bleibt es bei der Linie: Über die Aufarbeitung der Vergangenheit spricht
die Regierung Deutschlands mit der Regierung Namibias. Nicht mit den Herero
und Nama direkt. Soweit also zur dritten Forderung der Vertreter der
Opfervölker nach einem Dialog am Runden Tisch.
## Identitätsstiftender Tiefpunkt
Das liegt auch daran, dass die Politik mit den Herero und Nama so umgeht,
als seien sie eine lästige Interessengruppe unter Tausenden, und ihre
Forderungen auf eine Stufe stellt mit all den anderen lästigen
Partikularinteressen unter Tausenden, denen sich eine Regierung stellen
muss.
Aber der Völkermord in Namibia war kein Einzelvorgang unter Tausenden. Er
war ein zentraler und auch für Deutschland identitätsstiftender Tiefpunkt
der deutschen Politik. Er machte Rassenpolitik und die geplante Vernichtung
ganzer Völker salonfähig. Die breite Akzeptanz von Rassismus gegenüber
Afrikanern in Deutschland bis heute zeugt davon, wie hartnäckig sein
gesellschaftliches Erbe ist.
Dies zu überwinden, ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Aber wenn
die Bundesregierung dabei nicht mit gutem Beispiel vorangeht, hat die
Politik versagt. Zu sagen: Gut, dann war es eben Völkermord, aber ansonsten
machen wir weiter wie bisher – das geht nicht.
10 Jul 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Völkermord
Schwerpunkt Völkermord an den Herero und Nama
Namibia
Bundesregierung
Armenien
Ruprecht Polenz
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