Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Digital Bauhaus Summit 2015: „Eine witzige Person“
> Super-Performer Friedrich Liechtenstein spricht an diesem Wochenende in
> Weimar über den US-Utopisten Buckminster Fuller.
Bild: Friedrich Liechtenstein & Heavy Listening im Fahrstuhl des Grand Hotel d�…
taz: Sie referieren beim Jahrestreffen des Digitalen Bauhauses in Weimar an
diesem Wochenende über den US-amerikanischen Ingenieur, Designer und
Utopisten Buckminster Fuller. Das ist einigermaßen überraschend, wie kommt
es?
Friedrich Liechtenstein: Der war mal sehr hip in den Nuller Jahren in
Architektenkreisen. Irgendwie bin ich da auf ihn gestoßen und bin in seiner
Biografie hängengeblieben, die mich sehr beeindruckt hat. Ich hab dann auch
den Übersetzer kennengelernt, der seine Texte ins Deutsche übersetzt hat.
Ich finde Buckminster Fuller eine witzige Person und dazu ist er einer, der
das Ruder rumreißen konnte, als er in der größten Krise seines Lebens
steckte und sich mit 50 umbringen wollte.
Sein Persönlichkeitsprofil wird mit Marineoffizier, Ingenieur, Designer,
Geometer, Philosoph und – nicht zu vergessen – freundlicher Lunatic
angegeben. Was interessiert Sie an ihm?
Den Wissenschaftler und Architekten kann ich nicht wirklich beurteilen.
Seine wesentliche Technik war Sprechen. Ich bin ja auch vor allem
Performer, meine Hauptaktivität liegt auch im Unsichtbaren, was ich sage
und tu, und was dann im Raum passiert. Ich sehe ihn als Performer, als
Künstler und als Visionär: „We are all astronauts on the spaceship earth“.
Solche Sachen sagte er. Und er nannte sich selbst Experimentalseminarist,
er begriff seine Vorträge als Experiment. Manchmal ist er lange auf der
Bühne hin-und hergelaufen, ohne ein Wort zu sagen. Und dann erst fing er an
zu reden. Ohne Konzept. Ganz trocken. Immer so, bakabakak, wie ein Roboter
und das bis zu zwölf Stunden am Stück. Er sagte, Sprechen ist Gott.
Und Sie beten sozusagen zum gleichen Gott?
Ja, das kann ich unterschreiben. Er sagte ja, dass er aus einem Vortrag
immer schlauer herausgekommen sei, obwohl er es war, der die ganze Zeit
erzählt hat. Er hat sehr viel vom Auditorium bekommen und aus der Luft
gegriffen. Thinking Out Loud war sein Motto. Das ist auch meine Erfahrung.
Man geht schlauer raus, wenn’s gut läuft. Und je mehr man riskiert, desto
besser wird das. So war das auch bei den Schlingensief-Theatertorten, sag
ich mal so, wir haben nicht geprobt, aber er hat das alles zusammengeführt,
quasi über den Köpfen der Leute, zwischen Bühne und Auditorium, da entstand
etwas, das man manchmal gar nicht beschreiben konnte, Theater eben, Kunst.
Wie kann ich das verstehen?
Theater, das Performative ist für mich dann Kunst, wenn es im Luftraum
zwischen Bühne und Auditorium dieses Erlebnis von Wahrheit und Schönheit
gibt. Oft bleibt es im Angewandten hängen, es geht um die Fotos, die
Kulissen, die nachprüfbaren Texte und da ist Theater in meiner Wahrnehmung
nicht Kunst. Theater ist Kunst, wenn es eben in seinem ureigensten Milieu,
in diesem Luftraum funktioniert und da ist diese Versuchsanordnung wie
Thinking Out Loud die beste.
Thinking Out Loud jetzt also am Bauhaus ...
Ja, ich bin da mal aufgetreten. In Dessau. Mit einer kleinen Buckminster
Fuller Revue, in dem Theater. Das war vielleicht 2005. Die Bühne ist so
klein, obwohl das Bauhaus doch so ein großer Gedanke war.
Da fällt mir Le Corbusier ein, dessen Häuser und Villen auch immer viel
zierlicher sind als man aufgrund der Fotos denkt. In Jan Schmidt Garres
Filmporträt von Ihnen, „Super Leben“, da checken Sie sich im Hotel von Le
Corbusiers Cité Radieuse in Marseille ein. Was bedeutet Ihnen das Gebäude?
Ja, hier hat sich der Ansatz der Moderne eingelöst. Die Utopie hat sich
eingelöst, das Haus wird sehr akzeptiert, alles sind stolz darauf, es
stehen Schlangen davor, die Leute wollen rein und es sich anschauen. Das
hat mich sehr gefreut, weil ich ja aus dieser Moderne herkomme, aus
Eisenhüttenstadt.
Sie meinen also durch Ihr Aufwachsen in der Plan- und Idealstadt
Eisenhüttenstadt eine größere Sensibilität für Bauen als Weltentwurf zu
haben?
Ja. Unbedingt. Ich war zwar zunächst nicht besonders stolz darauf, in
dieser komischen Stadt aufgewachsen zu sein. Die wurde ja belächelt, weil
sie keine Marktplatz hatte und keine Kirche. Aber ich kann das nicht
leugnen, das war meine Kindheit, das hat mich geprägt.
Die Häuser, in denen Sie großgeworden sind oder das Cobusierhaus in
Marseille, die brauchen einen Aufzug, nicht wahr?
Ja, die brauchen einen Elevator.
Und einen Elevator Man wie einer Ihrer Songs geht?
Ja, da gibt es auch verschiedene Aspekte. Einmal geht es um die Vertikale
als radikale Veränderung, der Turm im Tarot. Und dann habe ich jetzt öfter
sehr hoch gewohnt, als Schmuckeremit. Die Perspektive da oben, die stellt
schon etwas mit einem an. Das ist das eine. Und dann gibt es noch diese
Geschichte, die ich mag, aus dem Umfeld Buckminster Fullers. Es gibt da den
Orgon Akkumulator.
Das ist Wilhelm Reich.
Ja, genau. Ich finde das eine gute Idee, dass er sich in diese
Blechtoilette setzt und sagt, ich bekomme da jetzt ganz viel Energie. Ich
bin auch so einer, der sich in einen Blechbehälter setzt, um große sexuelle
Energie zu bekommen. Davon handelt der Elevator Man, von meinem
metaphysischen Fahrstuhl, mit dem ich in der Vertikalen hoch und
runterfahren kann.
Legen Sie denn Tarot?
Ich selbst nicht, aber ich hab eine sehr gute Freundin, die Tarot legt und
mir alles erklärt. Das Prinzip leuchtet mir sehr ein. Und mit Marseille wie
Sie wissen, hab ich ja auch was am Hut. Da kommt das Tarot her. Es ist das
Systemische daran, das mir zusagt. Das ist ein Arbeitsmittel, an das ich
fest glaube, die Tarottechnik funktioniert. Ich hatte schon ein paar schöne
Erlebnisse damit und es gefällt mir, dass man nicht einfach so redet,
sondern über den Tisch hinweg mit Symbolen. Der Eremit spielt im Tarot auch
eine große Rolle.
Anders als der Turm kommt dieser Bautyp im Tarot nicht vor, aber mir
scheint, Sie lieben Pavillons? Bei Buckminster Fuller denkt man ja auch
immer an seinen Pavillon auf der Expo Montreal 1967, einen seiner berühmten
geodedic domes. Und dann schwärmen Sie ja auch in Ihrem Lied Belgique von
der Expo 1958 und dem amerikanischen Pavillon.
Ich finde Expo-Architektur tatsächlich schön. Ich mag dieses
Experimentelle, dieses Flüchtige, diese vorrübergehende Stadt und
vorrübergehende Welt, die da entsteht. Die finde ich immer toll. Und ich
weiß auch, das ist ein bisschen cheesy und uncool, aber ich liebe diese
architectural follies, manche davon sind doch großartig und andere wieder
missglückt.
Vor etwas mehr als zehn Jahren haben sie den Fernsehturm am Alexanderplatz
...
Gerockt.
Ja, und Sie haben dabei eines der großen modernen Architekturwahrzeichen
der DDR als Discokugel entlarvt.
Bei der Fernsehturmgeschichte ging es wieder darum, den Luftraum zu
erobern. Mit Radio und mit Licht. Im Radio wurde ein Song gespielt und auf
der Aussichtsplattform standen die Leute mit ihren Flashlights, das war
noch vor den Flashmobs, und an einer bestimmten Stelle haben sie auf die
Auslöser gedrückt. Ich stand da und hab gesungen. Das alles, die
terrestrisch verstrahlten Radiowellen, das Blitzlicht und die
Aufmerksamkeit, der Blick der Leute sind im Luftraum verschmolzen, zu einem
funkelnden Moment. Das war echt cool. Für die, die dabei waren, es war ja
nur ein kleines Grüppchen, die dachten, das kann doch jetzt nicht wahr
sein. Man musste sich dabei auch vor dem Wetter verneigen. Wäre die Sicht
nicht gut gewesen, dann wär ‚s das auch gewesen. Das war der Buckminster
Fuller Aspekt an der Sache. Dass man sagt, okay, es kommt wie es kommt.
Waren Sie eigentlich im Kindergarten?
Ja, klar.
Mit was haben sie gespielt? Können Sie sich erinnern?
Danach wurde ich noch nie gefragt. Mittagschlaf ist bei mir am
eindrücklichsten hängen geblieben. Am liebsten hab ich nicht mit Spielzeug
gespielt, sondern mit Natur, mit Sand, Stöckchen, Steinen.
Ich frag deshalb, weil der Erfinder des Kindergartens ...
Fröbel, ja, meine Mutter war Kindergärtnerin.
Ja, der arbeitete mit so genannten Spielgaben und Buckminster Fuller
besuchte als Kind eine Fröbelschule und behauptete, er habe schon im
Kindergarten mit diesen Spielgaben seine erste geodätische Kuppel gebaut.
Auf dem Dach der Cité radieuse gibt es übrigen einen kleinen Kindergarten
-- und einen Pool und eine kleine Bühne. Auf dem Dach der Cité radieuse
wäre es schön den Goldenen Zeppelin zu haben. Es gibt ja zwei Oberthemen
bei mir, der Zeppelin, das ist das Eine und die Algen, das ist das Viele.
Ich suche ja immer noch nach dem idealen Landeplatz für den Goldenen
Zeppelin. Ich habe es ja am eigenen Leib erfahren: der größte
Wirtschaftsfaktor ist Aufmerksamkeit. Wenn ein Zeppelin um die Welt fährt,
dann hat man die ungeteilte Aufmerksamkeit!
Der Zeppelin, das ist wieder Ihre Kunst der Eroberung des Luftraums. Aber
was ist mit den Algen?
Die Alge ist so groß und abstrakt, die kann man anders als Tiere nicht
anthropomorph sehen. Gleichzeitig erscheint sie mir als eine unglaublich
starke Struktur, die in der Natur vorkommt. Sie ist sozusagen unkaputtbar.
Auf dieses Bild, diese Allmachtphantasie greife ich in Zeiten der Ohnmacht
zurück. Gerade wenn alles durcheinandergeht, dann stellt sich heraus, dass
so ein chaotisches Leben doch sehr gut strukturiert und stabil ist. Im
Sinne des Algenmodells. Das ist viel besser als dieses langweilige
Baumbild. Deshalb sage ich: Die Zeit der Eiche ist vorbei, jetzt ist die
Zeit der Alge. Und wenn wir dann schon im Meer sind. Statt auf
Schwarmintelligenz wie jetzt alle Welt, setze ich auf Planktonintelligenz:
Man lässt sich treiben.
2 Jul 2015
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Bauhaus
Design
Fernsehen
HipHop
Ausstellung
Stasi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Alternativer Weltkarten-Entwurf: Kein Zentrum, keine Richtung
Die japanische Authagraph-Weltkarte mutet zerknautscht an. Ihr Designer
Hajime Narukawa will mit ihr neue Denkräume erschließen.
PR-Aktion eines TV-Senders: Entertainer vom Dienst
Der Musiker Friedrich Liechtenstein wird Chef bei Tele 5. Zumindest eine
Woche lang. Die PR-Aktion des TV-Senders funktioniert.
HipHop aus Berlin-Köpenick: Check mal seine Patches
Romano hat zwei Zöpfe und schreibt seltsame Lieder über seine „Metalkutte�…
Ein Treffen mit dem Rapper aus dem Berliner Osten.
McQueen-Modeausstellung in London: Die Eleganz des Klumpfußes
Das Victoria and Albert Museum in London feiert den Designer Alexander
McQueen. Die spektakuläre Ausstellung inszeniert Kleidung als Performance.
Edeka-Star Liechtenstein im Gespräch: „Ich kann nicht mehr einsam tun“
Letztes Jahr sang Friedrich Liechtenstein „Supergeil“ in einem Werbespot
von Edeka – und wurde berühmt. Was macht er jetzt?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.