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# taz.de -- Torhüterin Nadine Angerer: Ganz groß mit Hut
> Ruhig und fokussiert, aber gern mit dem letzten Wort: Nadine Angerer. Im
> Halbfinale gegen die USA wird es radikal, weiß die Sportlerin.
Bild: „Eigentlich bin ich zu alt für so was“, sagt Nadine Angerer über ge…
Montréal taz | Vielleicht steht sie an diesem Dienstagabend zum letzten Mal
bei einer WM im Tor. Nadine Angerer, genannt „Natze“, 36, bekennend
bisexuell, fünfmalige Europameisterin, 2003 und 2007 Weltmeisterin ohne
Gegentor, 2013 Welt- und Europafußballerin der Jahres, spielt derzeit für
den US-amerikanischen FC Portland und wird nach der Weltmeisterschaft in
Kanada definitiv ihren Hut als deutsche Nationalspielerin abgeben.
Den Hut hat Nadine Angerer als Kapitänin der DFB-Auswahl aber nicht nur als
blöde Metapher auf. Gestrickt, mit Krempe oder als Batschkapp – die
eigenwillige Unterfränkin sieht man selten ohne was auf dem Kopf. Hier in
Kanada trägt sie vor allem eine Basecap mit der Aufschrift PDX, dem
Städtecode Portlands. Auch im Sheraton Hotel in der Innenstadt Montréals
kommt sie zum Gespräch mit Kappe.
Beim [1][Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Frankreich] vergangenen
Freitag war es ihr linkes Knie, das die Deutschen vor dem Ausscheiden
rettete. „Eigentlich bin ich zu alt für so was“, sagte sie danach. Der
Gegner im Halbfinale aber wird für sie eher noch schwerer werden.
Er heißt USA, und den kennt Angerer aus eigener Erfahrung recht gut. „Da
kommt ein ICE auf uns zugerast“, erzählt sie am Sonntagvormittag im
Teamhotel. „Einen 5-Meter-Raum kennen die nicht. Als Torwart wird man nicht
geschützt“, plaudert sie aus ihrer Erfahrung in Portland.
Die US-Stürmerinnen seien ein anderes Kaliber als die französischen. Mit
Abby Wambach sei sie in der Liga schon das eine oder andere Mal
aneinandergerasselt. „Unangenehm“ nennt sie Sydney Leroux und Amy
Rodriguez. „Da muss man radikaler rausgehen, weil sie physisch und
athletisch unglaublich stark sind.“ Wie sie sich gegen deren Angriffe
wappnet? „Ich konzentrier mich auf den Ball.“
## Verwunderung bis Genervtheit
Sie ist nicht wirklich patzig, aber Verwunderung bis Genervtheit lässt
Angerer deutlich anklingen, wenn ihr eine Frage oder Aussage nicht passt.
Irgendeinen Spruch, über den man schmunzeln kann, schickt sie aber gleich
hinterher. So als könne sie es nicht aushalten, nicht das letzte Wort zu
haben. „Der Matchplan war gut, ne?“ ist so ein Spruch, den sie auf die
Frage entgegnet, warum gegen Frankreich jeder Plan aufgegeben wurde. Eine
Torhüterin wie Angerer wird man vielleicht nur, wenn man immer das letzte
Wort haben will, vor dem alle Respekt haben.
Angerer hat Spaß daran, im Rampenlicht zu stehen. Sonst hätte sie
sicherlich kein Buch über ihr Leben geschrieben, wäre damit nicht durch
Talkshows gezogen und hätte sich nicht mit der Lederhosen-Band „voXXclub“
in ein Boot gesetzt und das Video „So wie heut“ gedreht, im Morgengrauen
mit einem Kasten Bier. Das passt: Lederhosen-Jungs und die Frau mit dem
Lederband am Arm.
Angerer sagt: „Ich bin für jeden Spaß zu haben.“ Feixen kann sie. Aber die
Lockerheit der US-Amerikanerinnen ist ihr auch irgendwie suspekt. „Amis“
nennt sie die konsequent. Die würden noch bei einem 4:0-Rückstand fest
daran glauben, dass sie das Spiel gewinnen werden. „Das ist schon auch
ansteckend. Die pushen sich extrem. Wenn ich sehe, wie hochkonzentriert wir
Deutschen da in der Kabine sitzen und bei den Amis läuft da Musik und die
tanzen.“ Sieges- und Durchhaltewillen, das sind doch aber auch berüchtigte
deutsche Tugenden? „Schon. Aber die Amis haben so ein eingebautes
optimistisches Gen.“
## Hope Solo? Eine sehr gute Torhüterin
Auf ihr Gegenüber, die US-Keeperin Hope Solo, angesprochen, hält sie sich
so knapp wie möglich: „Wir sind unterschiedlich vom Typus her. Ich finde,
sie ist eine sehr gute Torhüterin. Was sie privat macht, interessiert mich
nicht.“ Selbst wenn man nochmal betont, dass man nicht an ihrer Meinung
über die Privatperson Solo, sondern an ihrer Meinung zu deren Leistung als
Torhüterin interessiert ist, wird sie noch knapper: „Ich sag doch, sie ist
eine super Torhüterin.“ Kann die deutsche Nummer 1 es nicht richtig
vertragen, dass mal sie und mal Hope Solo als beste Torhüterin der Welt
bezeichnet werden?
Auch über die anderen Torhüterinnen bei der WM will Angerer nicht konkreter
sprechen. Die internationalen Leistungen im Tor seien besser geworden. In
das Torwarttraining werde aber immer noch viel zu wenig investiert.
In der regulären Spielzeit haben die Deutschen das US-Team zuletzt 2003
besiegt. „Ich glaube nicht, dass das bei den Amerikanerinnen noch eine
große Rolle spielt. Unsere Spielerinnen haben ja auch keine Ahnung davon.“
Und vor den Zehntausenden amerikanischen Fans, die das Stade Olympique
rocken werden, hat sie erst recht keine Angst. „Wir stellen uns darauf ein,
dass wieder alle gegen uns sein werden. Aber das stachelt uns noch mehr an
und bringt uns als Mannschaft zusammen.“ Ausgebuht zu werden kann eine
Nadine Angerer nicht schocken. Eher schon hat sie davor Angst, dass der
Beton des Stadions bröckelt, wenn die ultralauten Fans der Amis richtig
loslegen.
29 Jun 2015
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## AUTOREN
Doris Akrap
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