# taz.de -- Deutsche Bank KunstHalle: „Checkpoint California“ | |
> Die Ausstellung zum 20-jährigen Jubiläum der Villa Aurora zeigt neun | |
> Perspektiven zur kulturellen Identität Kaliforniens. | |
Bild: „Mountain, Anaheim, 2013“ von Thomas Struth zeigt die Einflüsse der … | |
Wenn man die [1][KunstHalle der Deutschen Bank] betritt, muss man sein | |
Transit-Gepäck, die kulturelle Identität nicht abgeben. Man betritt das | |
Gebäude und ist sofort im [2][“Checkpoint California“], einer Ausstellung, | |
die sich mit dieser kulturellen Identität, aber auch dem Anderssein, der | |
Popkultur und der amerikanischen Exilerfahrung auseinandersetzt. Bis | |
Sonntag wird mit der Ausstellung und einem vielseitigen Rahmenprogramm das | |
20-jährige Bestehen der [3][Villa Aurora] gefeiert – ein Ort des Exils und | |
Treffpunkt europäischer Künstler in Los Angeles. | |
Die Villa Aurora war in den 1940er Jahren die Exilresidenz von Marta und | |
Lion Feuchtwanger und damit nicht nur Zuflucht vor dem Nationalsozialismus, | |
sondern auch Symbol des freien Denkens. Intellektuelle wie Thomas Mann, | |
Bertolt Brecht und Charles Laughton waren regelmäßige Gäste. Das Haus wurde | |
zu einer Begegnungsstätte der europäischen und amerikanischen Kultur. | |
1995 wurde ein Residenzprogramm ins Leben gerufen, dass dem Dialog dieser | |
Kulturen dienen soll. Es werden jährlich bis zu zwölf dreimonatige | |
Stipendien für Künstler der Bereiche Bildende Kunst, Komposition, Film, | |
Literatur und Performance vergeben. Gefördert wird der Aufenthalt in der | |
Villa vom Auswärtigen Amt und dem Beauftragten der Bundesregierung für | |
Kultur und Medien. | |
Seitdem setzten sich junge Künstler wie Helene Hegemann und Jan Wagner, | |
aber auch die neun ausgewählten Künstler des „Checkpoint California“ mit | |
der amerikanischen Kultur und Kalifornien künstlerisch auseinander. | |
## Nichts bleibt, wenn es war | |
Schon das erste Werk „STARS“ von Peggy Buth stimmt auf die Thematik der | |
Ausstellung ein. Man läuft über eine Projektion eines namenlosen Sterns des | |
„Walk of Fame“ und steht dann vor weiteren 183 Schwarz-Weiß-Fotografien. | |
Die Bodenplatten in ihrer Verwitterung, Beschädigung und Serialität sind | |
eine wichtige Besonderheit der Stadt Los Angeles. Sie wirken, wie | |
Platzhalter für zukünftige Persönlichkeiten und genießen ohne Namen keine | |
Aufmerksamkeit. Das verdeutlicht weniger die unerfüllte Hoffnung, als mehr | |
den Zwang Hollywoods eine Produktionsmaschine für Träume und | |
Persönlichkeiten zu sein. | |
Auch „Mountain“ und „Research Vehicle“ von Thomas Struth zeigen die | |
Ambivalenz von konstruierten Wunschbildern Kaliforniens. Auf der ersten | |
Fotografie ist das amerikanische Disneyland zu sehen, das eine dialogische | |
Verbindung zu Europa verdeutlicht. Das schweizer Matterhorn, die Nautilus‘ | |
Jules Vernes und die Spitze des Neuschwanstein-ähnlichen Disneyschlosses | |
nutzen die europäische Kultur, um eine lebendige kalifornische Traumwelt zu | |
formen. | |
Dem steht „Research Vehicle“ gegenüber. Es dekonstruiert die in unseren | |
Köpfen bestehende Vorstellung von Raumfahrt. Das abgebildete | |
Forschungsfahrzeug verliert als erfüllter Traum seine Relevanz. Das | |
danebengestellte kleinere Modell, der dreckige Boden und die abblätternde | |
Lackierung unterstreichen den Eindruck eines ausrangierten Traumes. | |
Der Vorraum zum großen Ausstellungssaal setzt das Setting von Träumen und | |
Utopien, vom Umgang mit dem American Dream, seiner Ambiguität und der | |
Identität. Dem Rezipienten wird so die konstruierte kulturelle Identität in | |
Details zerlegt und hinterfragt, da nichts ist, wie es scheint oder nichts | |
bleibt, wenn es war. | |
Sabine Horning arbeitet in der Installation „Spilled Light“ mit Räumen. In | |
den Fenstern und Schiebetüren, die an die kalifornischen Patios erinnern, | |
sind spiegelnde Innen- und Außenaufnahmen einer Berliner Straßenszene zu | |
sehen. Während der Rezipient hinter die transparenten Fotografien sehen | |
kann, spiegelt er sich selbst darin. Dadurch werden vier Orte imaginiert, | |
die sich in der kalifornischen Glasscheibe komprimieren und so zu einem | |
Nicht-Ort oder unerreichbaren Viel-Ort werden, der den Blick überlädt und | |
keine Orientierung zulässt. | |
## Übersetzung und Differenz | |
Jedes der neun Kunstwerke arbeitet dialogisch mit dem Ort und seinen | |
Phänomenen. Während Michael Just die Differenz zwischen popkultureller | |
Inszenierung und Realität absteckt, versuchen Philipp Lachenmann und | |
Albrecht Schäfer mit konzeptionellen Transformationstechniken Literatur und | |
Bildende Kunst zu verbinden. | |
Lachenmanns „Mirror Series“ ist eine silbern schimmernde Leinwand. Der | |
graue Pinselstrich zitiert die „Brushstrokes“ des amerikanischen Künstlers | |
Roy Lichtenstein. Vor der Leinwand steht ein gleichfarbiger, aber lautloser | |
Ghettoblaster, daneben zwei Kopfhörer. Das Werk wird durch die Ergänzungen | |
zu einer interaktiven Installation. Der Betrachter wird in der monochromen | |
Oberfläche der Leinwand reflektiert. Die Kopfhörer spielen Georges Perecs | |
Hörspiel „Die Maschine“, das Goethes Gedicht „Wandrers Nachtlied“ | |
systematisch zerlegt und in Fremdsprachen und Assoziationen übersetzt. | |
Auch der Pinselstrich ist eine Übersetzung. Aus der expressiven Geste wird | |
Konzeptkunst, denn Lachenmann hat seinen Pinselstrich digitalisiert, | |
vergrößert und dann mit einer Schablone auf die Leinwand übertragen. Der | |
Pinselstrich wirkt wie der eines Malers, ohne es zu sein. Der Rezipient | |
wird Teil des Werkes und selbst von Außenstehenden beobachtet. | |
Auch Christian Jankowski und Rosa Barba übertreten die Grenzen ihres | |
Mediums und setzen in Film und Installation auf Dialog und Wirkkraft von 16 | |
mm Projektoren. Am Sonntag spricht Janokowski mit der Künstlerin Susan | |
Philipsz in der Deuschen Bank Kunsthalle über ihre künstlerische Arbeit. | |
Die Ausstellung wurde von Hans-Jörg Clement, Laurence Rieckels und | |
Alexandra von Stosch kuratiert. Es ist gelungen, das Thema zu setzen und | |
mit weniger Hintergrundinformationen durch die unterschiedlichen Facetten | |
zu leiten. Schade ist, dass die Ausstellung nicht in Los Angeles | |
ausgestellt wird und so die Perspektive und Rezeption ausschließlich | |
deutsch bleibt. | |
26 Jun 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.deutsche-bank-kunsthalle.de | |
[2] http://www.deutsche-bank-kunsthalle.de/kunsthalle/de/aktuelle_ausstellung.h… | |
[3] http://www.villa-aurora.org/de/ | |
## AUTOREN | |
Jan Russezki | |
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