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# taz.de -- Alexander Schalck-Golodkowski ist tot: Der Mann mit dem Westgeld
> Seine Macht war klein und überdimensioniert. Mit Schalck-Golodkowski
> stirbt ein Händler zwischen den Systemen.
Bild: Ein ums andere Mal beteuerte er seine Unschuld: Alexander Schalck-Golodko…
Nun hat das Schweigen wirklich ein Ende. Der, der hätte erzählen können,
lebt nicht mehr. Alexander Schalck-Golodkowski, der am Sonntag in München
gestorben ist, hätte viel zu sagen gehabt. Doch der Mann mit dem Westgeld
schwieg sich lieber aus.
Gemessen an dem Hass, der dem Ostberliner bis zuletzt entgegengeschlagen
war, wunderte das nicht. Schalck-Golodkowski galt in der DDR als schlimmer
Finger, als Beschaffer von so ziemlich allem. Und das in einem Land, das
zwar die „sozialistische Planwirtschaft“ zur Staatsdoktrin erhoben hatte –
aber an ebendieser permanent zu scheitern drohte.
Die Werktätigen brauchten Kinderwagen für ihren zahlreichen Nachwuchs?
Schalck-Golodkowski kaufte im Westen die fehlenden Schrauben und Muttern.
Die Jugendlichen lechzten nach Salamander-Schuhen? Schalck-Golodkowski
regelte die Lizenzproduktion. Die DDR drohte pleitezugehen, weil Staatschef
Erich Honecker gegen jede Vernunft darauf bestand, dass Mieten, Brot und
Milch „stabile Preise“, also Minibeträge kosteten? Schalck-Golodkowski
besorgte beim damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß
einen Milliardenkredit.
1983 war das. Der Kredit des CSU-Politikers zögerte das Ableben der DDR um
weitere sechs Jahre hinaus. Und dem Genossen Schalck-Golodkowski wurde
sowohl der Karl-Marx-Orden verliehen als auch – fast schon ironisch – der
als „Held der Arbeit“ .
So klein und so überdimensioniert war die Macht dieses Staatssekretärs und
späteren Mitglieds des Zentralkomitees der SED in diesem Land.
Schalck-Golodkowski versah die Drecksarbeit für jene Spitzenpolitiker, die
nach internationaler Anerkennung und gleich bleibend lauwarmen
innenpolitischen Verhältnissen winselten. Eine parlamentarische Kontrolle
fand bekanntlich nicht statt.
## Er war nicht wählerisch
Alexander Schalck-Golodkowski war ein Vertreter jener Aufbaugeneration der
DDR, die dem neuen Staat eine Menge zu verdanken hatte und ihm deshalb umso
ergebener diente. 1932 in Berlin in einfachen Verhältnisse geboren, trat
der gelernte Mechaniker mit 23 Jahren der SED bei. Er holte das Abitur nach
und stieg rasch auf. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, 1970
promovierte er über die „Vermeidung ökonomischer Verluste und
Erwirtschaftung zusätzlicher Devisen“.
Genau das wurde sein Job im Wirtschaftsapparat der DDR: Waren zu Devisen
machen. Und da war er nicht wählerisch. Als Staatssekretär im
Außenhandelsministerium war er für den Bereich „Kommerzielle Koordinierung�…
zuständig. Die Abteilung, launig mit „Koko“ abgekürzt, machte mit
verdeckten Geschäften alles zu Westgeld, was nur ging. Antiquitäten und
Kunstschätze wurden verschoben, eigentlich in der DDR benötigte Waren
wurden billig in den Westen exportiert. Ab 1981 standen auch Waffen und
Ausrüstungen auf Schalck-Golodkowskis Verkaufsliste. Laut einer Recherche
der Welt aus dem Jahr 1990 soll seine KoKo auch in die Abwicklung von
Häftlingsfreikäufen involviert gewesen sein.
Allein zwischen 1987 und 1989, das gab Schalck-Golodkowski später zu
Protokoll, habe seine KoKo 3 Milliarden Valuta-Mark erzielt. Die Hälfte
davon ging direkt an den Staat, die andere Hälfte wurde gegen Zinsen auf
Auslandskonten und bei Außenhandelsbanken angelegt. Insgesamt soll er 27
Milliarden Westmark beschafft haben.
Menschen, Waffen, Waren – das klingt dubios und war es auch.
Schalck-Golodkowskis Geschäfte konnten aber nur florieren, weil es auch
Kunden gab. Und die saßen vornehmlich in Westdeutschland.
So nahm es nicht wunder, dass Alexander Schalck-Golodkowski sich
unmittelbar nach dem Mauerfall der westdeutschen Justiz stellte. In der BRD
kannte er einflussreiche Leute; der Gerichtsbarkeit seines einst so
geliebten Vaterlandes traute er offenbar nicht. Er sollte recht behalten.
Die Westberliner Justiz nahm Schalck-Golodkowski in Untersuchungshaft, ein
Überstellungsersuchen aus Ostberlin lehnte sie ab. Fünf Wochen darauf wurde
der Delinquent entlassen. Dem Bundesnachrichtendienst gab
Schalck-Golodkowski hernach sein umfangreiches Wissen über das
Geschäftsgebaren der KoKo preis. Sein Deckname: „Schneewittchen“.
## „Alles anständig und korrekt abgewickelt“
Im März 1993 folgte die Einstellung der Ermittlungen wegen Veruntreuung von
Milliardenbeträgen durch Überweisungen ins Ausland. Auch der Vorwurf der
Steuerhinterziehung wurde später fallen gelassen. Ein eigens eingesetzter
parlamentarischer „Schalck-Ausschuss“ des Bundestages konstatierte in
seinem Abschlussbericht 1994, man habe zur Aufklärung nichts Wesentliches
beitragen können. Mitte der 1990er Jahre wurde Alexander
Schalck-Golodkowski schließlich wegen illegaler Waffengeschäfte und
Embargovergehen zu Bewährungsstrafen verurteilt. Da lebte er längst in
Bayern, genauer in Rottach-Egern und gründete die Firma Dr. Schalck & Co.
Er kannte seine Rechte.
Für Unruhe bei seinen alten Weggefährten sorgten Berichte über die
vielfältigen Kontakte des KoKo-Chefs mit prominenten westdeutschen
Unternehmern und Politikern. Aber auch diese Ermittlungen verliefen äußerst
zäh. So zäh, dass der damalige Justizminister Klaus Kinkel (FDP) sich 1991
genötigt sah, Vorwürfen entgegenzutreten, die Justiz schaue bei dem
Ostdeutschen nicht so genau hin.
Alexander Schalck-Golodkowski selbst war sich keiner Schuld bewusst. Ein
ums andere Mal beteuerte er seine Unschuld. 1991 sagte er gegenüber dem
Fernsehsender RTL, er habe „alles anständig und korrekt abgewickelt“ und
nach bestem Wissen gehandelt, in der Absicht, „der DDR und den Menschen zu
dienen“.
Viel ist über ihn geschrieben worden, noch mehr gemutmaßt. Die letzte
persönliche Äußerung des Alexander Schalck-Golodkowski datiert aus dem Jahr
2000. Damals erschien im Rowohlt-Verlag seine Autobiografie
„Deutsch-deutsche Erinnerungen“. Gebraucht gibt es das Buch bei Amazon ab
2,58 Euro.
## Skrupellose Beschaffungsmaschine
Nun ist er gestorben. Ein Begräbnis wie bei anderen ehemaligen
DDR-Funktionären auf dem Ostberliner Friedhof der Sozialisten wird es wohl
kaum geben. Er habe einen dubiosen Ruf gehabt, sagt einer, der ihn noch aus
KoKo-Zeiten kennt. Im persönlichen Kontakt sei er aber eher freundlich und
seriös gewesen. Das Geheimnis seiner persönlichen Macht habe vor allem
darauf basiert, dass dem „roten Alex“ in einem intransparenten Land wie der
DDR einfach alles zugetraut wurde. Der Satz „Ich hab das aber mit Alex
besprochen“ konnte eine Menge Diskussionen abrupt beenden.
Dieses politische Gewicht lag immer auch in Schalck-Golodkowskis sehr engen
Kontakten zur Macht begründet. Er kannte Günter Mittag, einflussreiches
Mitglied des SED-Politbüros, sowie Staatschef Erich Honecker sehr gut. Die
brauchten eine im Zweifel skrupellose Beschaffungsmaschine wie ihn. Und
Schalck-Golodkowski lieferte. Von den Zuständen im Land, dessen Innenstädte
verfielen, dessen Umwelt verrottete und dessen Bürger immer resignierter
wurden, sollten die Oberen nichts mitbekommen. Alexander
Schalck-Golodkowski hat viel dafür getan, dass das bis zuletzt so blieb.
22 Jun 2015
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Erich Honecker
DDR
Devisen
30 Jahre friedliche Revolution
Franz Josef Strauß
DDR
DDR
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