# taz.de -- Prognose der IHK: Berlin soll in die Lehre | |
> Trotz des Zuzugs gibt es bis 2030 rund 200.000 Fachkräfte weniger in der | |
> Stadt als heute, sagt die IHK – und fordert eine schnellere Einbindung | |
> von Flüchtlingen. | |
Bild: Wer kann was am Bohrer? Fehlen werden der IHK zufolge vor allem Menschen … | |
Schon heute hat man als ausgebildete Erzieherin oder als Erzieher in Berlin | |
gute Chancen, einen Job zu finden. Im Jahr 2030 werden sich die Arbeitgeber | |
um jeden reißen, der qualifiziert ist, in den Kitas auf den Nachwuchs | |
aufzupassen: Bis dahin wird sich die Zahl der in diesem Bereich fehlenden | |
Fachkräfte fast verfünffacht haben. | |
Das jedenfalls prognostiziert der Fachkräftemonitor der Industrie- und | |
Handelskammer (IHK) Berlin. Die IHK hat Einschätzungen zur Entwicklung der | |
Konjunktur mit Ausbildungszahlen kombiniert und für die verschiedenen | |
Wirtschaftszweige den zukünftigen Bedarf errechnet. Das Ergebnis kann sich | |
jeder unter www.fachkraeftemonitor-berlin.de anschauen. | |
„Aktuell ist die Situation noch relativ entspannt“, sagte am Montag | |
IHK-Vertreter Simon Margraf. Das liege am starken Zuzug, die | |
NeuberlinerInnen deckten den Bedarf der Unternehmen. Ab 2020 werde sich die | |
Situation aber dramatisch verschärfen. „Dann gehen die Babyboomer in | |
Rente“, so Margraf. Über alle Branchen hinweg stünden 2030 insgesamt rund | |
200.000 Fachkräfte weniger zur Verfügung als jetzt. | |
Fehlen werden der IHK zufolge vor allem Menschen mit einer abgeschlossenen | |
Berufsausbildung und möglichst einer Zusatzqualifikation – beispielsweise | |
Handwerker, die ihren Meister gemacht haben. Viele junge Menschen gehen | |
heute lieber auf eine Hochschule statt in die Lehre. Das zeigt sich in den | |
Berechnungen: Der Anteil der beruflich Qualifizierten am Fachkräftemangel | |
macht heute 60 Prozent aus, im Jahr 2030 werden es laut IHK 90 Prozent | |
sein. | |
„Wir brauchen wieder eine stärkere Praxisorientierung“, sagte der | |
stellvertretende IHK-Geschäftsführer, Christian Wiesenhütter. | |
Schulabgängern riet er zur Ausbildung. „Die beruflich hoch Qualifizierten | |
haben später die größte Chance – größer als die, die studiert haben.“ | |
## Highway to hell | |
Besteht der größte Engpass in Berlin derzeit in der Industrie, so wird es | |
2030 vor allem im öffentlichen Dienst an geeignetem Personal fehlen, | |
prognostiziert die IHK. Die Kammer fordert deshalb „eine demografiefeste | |
Personalstrategie für den öffentlichen Dienst“. „Da sind wir sonst auf dem | |
Highway to Hell“, warnte IHK-Mitarbeiter Constantin Terton. | |
Angesichts des Fachkräftemangels fordert die Kammer auch ein Umdenken im | |
Asylrecht. Viele Asylsuchende verfügten über Qualifikationen, die von den | |
Unternehmen gebraucht würden. Terton sagte, es gebe viele Menschen, die | |
länger in Deutschland bleiben werden, weil die Lage in ihren | |
Herkunftsländern nichts anderes zulasse. „Denen müssen wir eine berufliche | |
und gesellschaftliche Perspektive bieten.“ | |
Die IHK plädiert für eine zentrale Anlaufstelle, damit Flüchtlinge | |
schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Auch in Geduldeten, | |
die zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen, sieht die Kammer | |
potenzielle Arbeitskräfte – und fordert deshalb ein generelles Verbot ihrer | |
Abschiebung. | |
23 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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