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# taz.de -- Ökonom Gustav Horn über 90 Jahre DIW: „Die Prognosen sind nicht…
> Das DIW wird 90 Jahre alt. Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn hat
> keine guten Erinnerungen an seine letzte Zeit dort – und gratuliert
> trotzdem.
Bild: „Die Argumente gegen den Mindestlohn waren geradezu absurd – und sie …
taz: Herr Horn, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wird 90
Jahre alt. Wie wichtig ist das DIW heute?
Gustav Horn: Erst einmal herzlichen Glückwunsch an die Kollegen! Ich nehme
mit Freude zur Kenntnis, dass das DIW in den vergangenen Jahren wieder an
Bedeutung gewonnen hat.
War das DIW zwischendurch unwichtig?
Das Institut hatte sich zeitweise ganz aus wirtschaftspolitischen Themen
zurückgezogen und nur noch akademische Forschung betrieben. Die Jahre unter
dem ehemaligen Präsidenten Klaus F. Zimmermann waren kein guter Zustand.
Der jetzige Präsident Marcel Fratzscher schlägt ein Schuldenmoratorium für
Griechenland vor. Was halten Sie davon?
Es ist eine vernünftige Idee, dass die Griechen ihre Schulden erst bedienen
sollen, wenn ihre Wirtschaft wieder wächst. Dies sollte ein Element einer
umfassenden Lösung sein. Es ist ja trivial: Man kann Zinsen nur zahlen,
wenn es Erträge gibt.
Da Sie so zufrieden mit dem DIW sind: Ist Ihr Institut für Makroökonomie
und Konjunkturforschung da noch nötig?
Ich bitte Sie! Unsere Themen sind oft andere, weil wir die Perspektive der
Arbeitnehmer und ihrer Familien in den Mittelpunkt stellen. Zudem kommen
wir oft zu unterschiedlichen Einschätzungen. Marcel Fratzscher ist etwa der
Meinung, dass man staatliche Investitionen durch private Geldgeber
finanzieren sollte. Wir haben erhebliche Zweifel, dass man das tun sollte.
Denn es wäre sehr teuer, weil der Staat hohe Renditen versprechen müsste.
Aber solche strittigen Debatten sind nichts Schlechtes.
Was soll die Politik mit so unterschiedlichen Ratschlägen anfangen? Die
Bundeskanzlerin hat sich kürzlich beschwert, dass die
Wirtschaftswissenschaften nicht weiterhelfen.
Da kann ich die Kanzlerin verstehen. Nehmen Sie nur das letzte Gutachten
des Sachverständigenrats. Die Argumente gegen den Mindestlohn waren
geradezu absurd – und sie sind inzwischen von den Fakten widerlegt worden.
Aber wie soll sich die Politik verhalten, wenn ständig unterschiedliche
Ratschläge kommen? Bei Griechenland rät das DIW zu einem
Schuldenmoratorium, während andere Ökonomen wie Hans-Werner Sinn den
„Grexit“ fordern.
Diese Unterschiede zeigen, dass wir nicht im Bereich der Mechanik tätig
sind. Viele Volkswirte hängen der Illusion an, dass sie eine
Naturwissenschaft betreiben. Stattdessen muss man sehr präzise beschreiben,
unter welchen Bedingungen die eigene Schlussfolgerung gilt. Entscheiden
muss dann die Politik, nach ihren Prioritäten.
Das DIW war vor 90 Jahren das erste Institut, das Konjunkturforschung
betrieb. Inzwischen weiß man: Wirtschaftsprognosen sind eigentlich immer
falsch. Ist Konjunkturforschung noch sinnvoll?
Da muss ich widersprechen. Die Prognosen sind nicht falsch, sondern nur
nicht ganz exakt. Man entscheidet sich für die Prognose mit der höchsten
Wahrscheinlichkeit – die liegt aber nicht bei 100 Prozent, sondern kann
auch nur 55 Prozent betragen.
Welchen Rat haben Sie für das Geburtstagskind DIW – und alle anderen
Ökonomen?
Sie sollten sich den realen Problemen zuwenden.
1 Jul 2015
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
DIW
Konjunkturprogramm
Konjunktur
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Handwerk
Konjunktur
Reiche
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