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# taz.de -- Geschmacksache Matjes: Ein Genuss aus Fett und Salz
> Die feierliche Eröffnung der Matjessaison hat sich dieses Jahr um eine
> Woche verschoben. Na und?
Bild: Lecker fettig? Eröffnung der niederländischen Matjes-Saison 1998
Er gehört zu Norddeutschland wie der Emmentaler zur Schweiz: der
Matjeshering. Der fettige salzige Fisch wird traditionell im Mai oder Juni
auf den Markt gebracht. Die Versteigerung des ersten Eichenfässchens, die
den Saisonbeginn markiert, musste in diesem Jahr um eine Woche verschoben
werden. Die Fische hatten wegen der niedrigen Wassertemperaturen nicht
genügend Zeit, sich fett zu fressen, und nur ein fetter Matjes ist ein
guter Matjes.
Der Begriff „Matjes“ leitet sich aus dem Niederländischen ab. Zu Matjes
werden nicht geschlechtsreife Heringe verarbeitet. In den Niederlanden
heißen sie deshalb „maagdenharing“, was übersetzt so etwas wie
Jungfernhering heißt.
Der Legende nach soll ein holländische Fischer namens Wilhelm oder Jan
Pieter Beukelzoon 1395 auf die Idee gekommen sein, den Heringen den Hals
aufzuschneiden und ihnen alle Eingeweide bis auf die Bauchspeicheldrüse zu
entnehmen. Dann schmiss er die Fische in Fässer mit Salzlake, in der sie
nach Hause transportiert werden konnten, ohne zu verderben. Während des
Transports „reifte“ der Fisch durch die Enzyme aus der Bauchspeicheldrüse.
Nach einer Woche hatten die Fische, rechtzeitig zum Verkauf, den Schmelz,
der den Matjeshering zum Genuss macht.
Um die besondere Konsistenz eines Matjes zu erreichen, müssen die Fische
einen Mindestfettgehalt erreichen - die Holländer sagen 16 Prozent. Das
wiederum macht den echten Matjes vollends zum Naturprodukt, denn er kann ja
nur fressen, was er im Meer findet. Dass er in diesem Jahr nicht so schnell
fett wurde, wie erwartet, liegt an den ungewöhnlich niedrigen
Wassertemperaturen in diesem Frühjahr vor Schottland.
Der Hering ernährt sich von Zooplankton, im Meer treibenden
Kleinstlebewesen - vor allem Krebsen. Wie viele es davon in einem Seegebiet
gibt, hängt von den Meeresströmungen, der Wassertemperatur und der Nahrung
der Krebse, dem pflanzlichen Plankton, ab. Dass es Matjes im späten
Frühjahr gibt, liegt also zum einen daran, dass die Meeresalgen genug Licht
gehabt haben müssen, zum andern aber am biologischen Zyklus des Herings.
„Jungfräulich“ meint bei Heringen nicht, dass sie noch nie gelaicht hätte…
sondern bloß, dass sie in der laufenden Saison noch keinen Rogen und keine
„Milch“ (Samen) gebildet haben. „Die haben noch nichts in ihre Reprodukti…
investiert“, sagt Norbert Rohlf vom Johann Heinrich-von-Thünen-Institut für
Seefischerei in Hamburg. Die überschüssigen Kalorien, die die Fische bei
ihrem Fressfest aufnehmen, wandern ins Fettpolster. Baby-Heringe dürfen aus
Gründen der Bestandserhaltung gar nicht gefangen werden, sondern lediglich
junge Heringe, die schon ein paar Jahre alt sind.
Zu Saisonbeginn machen die Fischer Probefänge, bei denen der Fettgehalt
gemessen wird. Rohlfs Kollege Christopher Zimmermann vom Thünen-Institut
für Ostseefischerei in Rostock weist darauf hin, dass die Fischer dabei
unterschiedlich nachhaltige Methoden anwenden. So bringe die
Ringwadenfischerei den Fang erst nach einer positiven Analyse an Bord und
lasse ihn wieder frei, wenn er nicht die gewünschten Parameter aufweise.
Hierbei führt der Kutter ein Netz um den Schwarm und zieht es von unten zu.
Es werde angenommen, dass dabei wenige Fische umkommen, sagt Zimmermann.
„Aber so ganz genau weiß man das nicht.“
Bei der Schleppnetzfischerei, wo der Kutter das Netz wie einen Sack hinter
sich herzieht, könne dagegen keine Probe gezogen werden, sagt der Rostocker
Fischerei-Experte Zimmermann. Der Fang müsse hinterher ganz verwertet
werden, auch wenn die Fische nicht fett genug seien und viel weniger Geld
brächten.
Lesen Sie mehr über die Eröffnung der Matjes-Saison in unserem Schwerpunkt
in der taz.amWochenende auf Seite 44, 45 oder [1][im E-Kiosk].
19 Jun 2015
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## AUTOREN
Gernot Knoedler
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