| # taz.de -- Die NPD nach den Wahlen: Matjes und Todesstrafe | |
| > Die NPD ist aus den Wahlen gestärkt hervorgegangen. Interne Fehden wurden | |
| > beseitigt, und das Ende des Pakts mit der DVU zahlte sich aus. | |
| Bild: NPD-Parteichef Udo Voigt setzt auf ein Bündnis mit den gewaltbereiten Fr… | |
| Es ist eine exklusive Veranstaltung am Dienstag Abend in einer | |
| gutbürgerlichen Berliner Gaststätte. Der Eintritt kostet 25 Euro und wer an | |
| den kantigen Türstehern von der Freien Kameradschaft "Frontbann 24" vorbei | |
| ins Kellergewölbe möchte, muss ein Einladungsschreiben vorweisen. Drinnen | |
| diskutieren die Führungskader der deutschen Rechtsextremen über ihre | |
| Zukunft. Etwa 80 Zuschauer futtern dazu Matjes. | |
| Es reden Udo Voigt, Chef der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, | |
| und Matthias Faust, der Vorsitzende der Deutschen Volksunion. Es geht unter | |
| anderem darum, ob beide Parteien enger zusammenarbeiten sollten. Eine | |
| ältere Dame mit Designerbrille und Goldarmreif fordert das, und das | |
| Publikum applaudiert stürmisch. Doch NPD-Chef Voigt sieht dazu überhaupt | |
| keine Notwendigkeit: Die Volksunion habe bei der Europawahl mit 0,4 Prozent | |
| kläglich versagt, bollert er, "deshalb müssen wir als stärkste Kraft es | |
| jetzt alleine machen." | |
| Damit hat Voigt noch einmal bestätigt: Der Deutschlandpakt, also der | |
| freiwillige Verzicht einer der beiden rechtsxtremen Parteien zugunsten | |
| einer anderen bei Wahlen, ist perdu. | |
| Dieses Selbstbewusstsein ist mehr als reine Show. "Auch wenn die NPD von | |
| den Landtagswahlen mehr erwartet hat, ist sie daraus gestärkt | |
| hervorgegangen", sagt Fabian Virchow, Rechtsextremismusexperte und | |
| Herausgeber des Buches "88 Fragen und Antworten zur NPD". | |
| Die Partei habe zeigen können, dass sie in Sachsen über eine | |
| Stammwählerschaft verfügt, und in Thüringen mit radikalen Hetzparolen fast | |
| den Einzug ins Parlament geschafft hat, sagt der Berliner Parteienforscher | |
| Oskar Niedermayer. "Dazu brauchte sie nicht einmal ein großes Thema wie | |
| Hartz IV vor ein paar Jahren. Offenbar sind ihre normalen Anliegen wie | |
| Fremdenfeindlichkeit inzwischen mobilisierend genug". | |
| Der Marburger Soziologe Virchow warnt deshalb vor einem weiteren Erstarken | |
| der Voigt-Truppe: "Der Zentralisierungsprozess in der Szene läuft jetzt | |
| noch stärker auf die NPD hinaus." Und weiter: "Damit hat sich die weitaus | |
| radikalere der beiden Parteien durchgesetzt." | |
| So setzt Parteichef Udo Voigt offen auf ein Bündnis mit den gewaltbereiten | |
| Freien Kameradschaften. In einem Strategiepapier vom 26.04.2009 bedauert | |
| der dem Parteichef treu ergebene Bundesvorstand: "Das System aktiv | |
| politisch zu stürzen, liegt derzeit nicht in unserer Hand, da wir über | |
| derartige Machtfülle und Druckmittel noch nicht verfügen." Man merke: noch | |
| nicht. | |
| Das Konzept der DVU, sich als moderate Alternative zur NPD zu präsentieren, | |
| lockt nach Virchows Einschätzung bisher kaum Wähler aus dem rechten bis | |
| rechtsextremen Spektrum an. Die nähmen lieber das Original. | |
| Auch am Dienstag Abend in Berlin liegt die NPD vorn. Während Voigt | |
| knallhart die "Wiedereinführung der Todestrafe" für Kindesvergewaltiger | |
| fordert, will Faust vorgeblich nur eine "strenge Anwendung der Gesetze." | |
| Den Applaus bekommt meist der NPD-Chef, obwohl das Publikum Zweireiher und | |
| Kostüm trägt. | |
| Hinzu kommt, dass die Führung der Nationaldemokraten auch die Kämpfe | |
| innerhalb der Partei vorläufig in den Griff bekommen hat. Nach großen | |
| finanziellen Schwierigkeiten und mehreren Prozessen gegen wichtige | |
| Parteikader wollte ein Kreis von führenden NPDlern Parteichef Voigt | |
| stürzen. | |
| Es gab auch inhaltliche Differenzen, so will der sächsische Fraktionschef | |
| Holger Apfel der NPD einen breiteren bürgerlichen Anstrich verpassen als | |
| Voigt, der glaubt die Partei müsse sich als "radikale Systemopposition" für | |
| die "sozial Ausgebeuteten", enttäuschten Arbeitslosen, besorgten Handwerk | |
| und verbitterten Rentner präsentieren. Der Sturz scheiterte am Widerstand | |
| der Basis auf dem Berliner Parteitag im April 2009. | |
| Voigt war danach so klug, nicht offensiv gegen seine beiden mächtigsten | |
| Widersacher -Udo Pastörs, den Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern und | |
| Apfel vorzugehen. Obwohl Pastörs ihm gerade als Gegenkandidat unterlegen | |
| war, wetterte Voigt auf dem Parteitag nur gegen Peter Marx, der für die NPD | |
| schon fast überall in Deutschland gearbeitet hat. | |
| Der Grund: Pastörs und Apfel verfügen über eine Hausmacht und die braucht | |
| Voigt. Den in der Partei weithin unbeliebten Reisekader Marx hingegen | |
| konnte er ohne Weiteres abservieren. Hier nutzt Voigt sogar das schwache | |
| Abschneiden der NPD im Saarland. Denn dort war Marx Spitzenkandidat, das | |
| Desaster fällt nun ihm auf die Füße. | |
| Im sächsischen Wahlkampf dagegen traten Voigt und Apfel häufig zusammen auf | |
| - immer ging es offensiv freundschaftlich zu. Der NPD-Chef überließ dem | |
| Fraktionsvorsitzenden bei einer internen Veranstaltung in Papstdorf | |
| beispielsweise die weit größere Redezeit. Als Holger Apfel am Wahlabend | |
| wegen der Stimmenverluste konsterniert wirkte, versuchte Udo Voigt seine | |
| Laune mit Scherzen aufzubessern und legte seinem ehemaligen politischen | |
| Ziehsohn väterlich die Hand auf die Schulter. | |
| Unklar ist derzeit, ob die relative gute Position der NPD sich auch bei den | |
| Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein und bei der | |
| Bundestagswahl niederschlägt. Pierre Freyber von der | |
| Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein | |
| sagt: "Noch führt die NPD keinen starken Wahlkampf, weil viele aus den | |
| Freien Kameradschaften in Thüringen für sie als Wahlkampfhelfer unterwegs | |
| waren." | |
| In Brandenburg treten die noch im Landesparlament sitzende DVU und die NPD | |
| gegeneinander an. Dirk Wilking, Geschäftsführer vom "Mobilen Beratungsteam" | |
| in Brandenburg glaubt, dass es deshalb keine von beiden in den Landtag | |
| schafft: "Deshalb sind auch deren Anhänger frustriert." Wilking sagt | |
| allerdings auch: "Ein solches Ergebnis schadet der DVU mehr als der NPD, | |
| weil die Volksunion ihre letzten Mandatsträger und damit Geld verlieren | |
| würde." | |
| Die NPD könnte bei einem Ergebnis über ein Prozent dagegen zusätzliches | |
| Geld aus der Parteienfinanzierung bekommen. Aus demselben Grund, so glauben | |
| Experten wie Virchow, tritt die NPD auch bei der Bundestagswahl an. An | |
| einen Einzug ins Parlament glaubte niemand. | |
| 2 Sep 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| M. Bartsch | |
| D. Schulz | |
| A. Speit | |
| ## TAGS | |
| Promis | |
| Ottfried Fischer | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Symbolisches Kapital: Matjes, Bourdieu und meine Oma | |
| Matjes sei „Kult“ und nicht nur Fisch, sagt das Holländische Fischbüro - | |
| und eröffnet die Saison mit der ehemaligen Fernseh-Glücksfee. | |
| Geschmacksache Matjes: Ein Genuss aus Fett und Salz | |
| Die feierliche Eröffnung der Matjessaison hat sich dieses Jahr um eine | |
| Woche verschoben. Na und? | |
| NPD-Kassen: Das Geld fließt noch reichlich | |
| Mit ihrem Bildungswerk will die sächsische NPD an mehr Geld vom Land | |
| kommen. Doch auch bisher kassierten die Staatsfeinde ganz gut ab. | |
| Kommentar Nazistrategien: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich | |
| Die NPD sei ein Problem, das sich von selbst löst, mutmaßte so mancher | |
| Beobachter Anfang des Jahres. Doch nach den Machtkämpfen erstarkt die NPD | |
| wieder. |