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# taz.de -- Essays von Zadie Smith: Kommt von Herzen
> Im persönlich inspirierten Erzählen liegt ihre große Stärke. Das zeigt
> die Autorin in ihren autobiografischen wie auch in sachlichen Essays.
Bild: Die Schriftstellerin im Kulturhaus Nato in Leipzig.
Was haben Greta Garbo, E. M. Forster, Barack Obama und Franz Kafka
gemeinsam? Auf den ersten Blick vielleicht recht wenig. Aber jetzt doch
immerhin dieses: Zadie Smith hat über sie geschrieben. Das macht sie – und
die meisten anderen Personen, die in Smith’ Essays vorkommen – zu
Charakteren in einer großen Sacherzählung. In den englischsprachigen
Ländern ist Zadie Smith nicht nur als Romanautorin renommiert, sondern auch
als Verfasserin journalistischer Textformen bekannt – Essays, Rezensionen,
Reportagen –, die sie für verschiedene britische und amerikanische
Printmedien schrieb. Es sind Auftragsarbeiten, manchmal sind es auch
Vorträge, für die sie über die Jahre immer wieder angefragt wurde.
Schließlich wurden diese „Gelegenheitsessays“, wie sie im Untertitel des
eben auf Deutsch erschienenen Buches heißen (das englische Original
erschien bereits 2009), in einem Band zusammengefasst. Es sind Texte über
Literatur, über Filme, über das Leben und auch aus dem Leben der Familie
Smith selbst. Natürlich sind diese Essays insgesamt sehr unterschiedlich in
ihrer thematischen und gedanklichen Ausrichtung. Was sie vereint, ist ihr
narrativer Duktus.
Die autobiografischen Texte, in denen Smith über ihre Familie, insbesondere
ihren verstorbenen Vater schreibt, geizen nicht mit privaten Details – wie
zum Beispiel, dass die Autorin die Asche ihres Vaters zeitweilig in einer
Tupperdose aufbewahrte –, ohne dass dabei je das Gefühl aufkäme, hier würde
ein Autorinnen-Ich sich und die Nächsten über Gebühr entblößen. Bei aller
persönlichen Beteiligung besteht durchgehend ein gewisser erzählerischer
Abstand zwischen dem Autorinnen-Ich und jenem Etwas, das man das erzählte
Ich nennen könnte. Beim Schreiben macht die Autorin das Leben der eigenen
Familie zum Gegenstand, objektiviert es damit sozusagen. Umgekehrt ist ihre
Herangehensweise an andere, außerhalb des privaten Rahmens liegende Themen
mitunter eine sehr persönliche.
Exemplarisch dafür stehen die Filmbesprechungen, die Smith bereits vor
etlichen Jahren für den Sunday Telegraph verfasste. Der Fellini-Klassiker
„Bellissima“ mit Anna Magnani in der Hauptrolle ist ihr spürbar ein
Herzensanliegen. In diesem Text gelingt es Smith, die persönliche Wirkung
der Magnani und die Geschichte von deren Filmfigur in einem erzählerischen
Strang zusammenzuführen und dabei auch noch mit der Frage nach der Existenz
oder Nichtexistenz eines italienischen Feminismus zu verquicken. In einem
anderen Text zeichnet sie anregend das Leben und die Karriere der Garbo
nach, und in ihrem Kafka-Essay kontrastiert Smith ihre Erzählung vom Leben
des Autors mit der Frage nach unseren überlieferten Vorstellungen von Kafka
als einer fast mythischen Autorenfigur.
Es ist in erster Linie der souveräne Erzählton der Autorin, der all diesen
unterschiedlichen Arbeiten gemeinsam ist. Dieser beginnt vor allem dort zu
strahlen, wo die Texte von Personen handeln, die spürbar ihre Fantasie
anregen. Magnanis Bellissima etwa sieht man vor dem inneren Auge schon fast
als Figur eines Smith-Romans vor sich. In analytischer Hinsicht durchaus
verdienstvoll, aber deutlich weniger vor Esprit sprühend sind da im
Vergleich die Essays über englische Literaturklassiker (meist als Vorworte
für irgendwelche Neuausgaben verfasst). Und auch die Reportage, die Smith
im Rahmen einer von Oxfam organisierten Pressereise nach Liberia schrieb,
wirkt im Vergleich eher wie eine ordentliche, aber verhältnismäßig
uninspirierte Pflichtübung.
Dass all diese Texte Eingang in den Band gefunden haben, ist dennoch nicht
schlecht, zeigt es doch den Normalsterblichen, dass auch berühmte
Autorinnen nicht alles gleich gut können. Wieso auch? Das mag jetzt sowieso
Nörgeln im Angesicht hohen Niveaus sein. Denn eines ist Smith auf jeden
Fall sicher, worüber auch immer sie schreibt: dieser ungeheuer souveräne
Erzählton.
20 Jun 2015
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Franz Kafka
Essay
Oxfam
Roman
Literatur
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