| # taz.de -- Taxigewerbe trickst bei Mindestlohn: Öfter mal auf „Pause“ sch… | |
| > Manch einer im Taxigewerbe mogelt: Um bei niedrigem Umsatz auf den | |
| > Mindestlohn zu kommen, stellen Fahrer ihren Taxameter auf „Pause“. | |
| Bild: Pause oder Arbeitszeit? – In Sachen Mindestlohn ist das die entscheiden… | |
| Berlin taz | Die Wartezeiten an Haltestellen sind schon immer das Problem | |
| im Taxigewerbe: Pausen, in denen nichts verdient wird. Mit Einführung des | |
| Mindestlohns zu Jahresbeginn ist dieses Problem noch größer geworden. | |
| Nun müssten die angestellten FahrerInnen einen Umsatz von 25 Euro oder mehr | |
| in der Stunde machen, damit ihr Chef den Mindestlohn von 8,50 Euro brutto | |
| bezahlen kann, seine Unkosten und Sozialversicherungsbeiträge wieder | |
| hereinbekommt und noch etwas verdient. | |
| Kein Wunder, dass manche Arbeitgeber nach Lösungen suchen. Die bietet jetzt | |
| eine neue Software in den Taxametern. „Nach fünf Minuten Standzeit springt | |
| der Zähler auf ‚Pause‘ um“, sagt ein Taxifahrer in Berlin-Tempelhof und | |
| zeigt auf das Taxameter oben rechts im Wagen. Dieses kann so eingestellt | |
| werden, dass bei einer Standzeit von mehreren Minuten die Wartezeit | |
| automatisch als „Pause“ gewertet wird. | |
| Erst wenn der Fahrer eine Taste drückt oder der Wagen anfährt, wird die | |
| Pausentaste entsperrt. Alternativ können Taxifahrer auch eigenhändig die | |
| Pausentaste betätigen für die Dauer der Wartezeit. | |
| ## Undokumentierte Überstunden | |
| Der Sinn der Aktion: Durch die vielen „Pausen“ erscheint die dokumentierte | |
| Arbeitszeit, für die ein Stundenlohn von 8,50 Euro gezahlt werden muss, in | |
| den Aufzeichnungen am Ende des Tages oder Monats erheblich kürzer. Die | |
| Fahrer leisten sozusagen unbezahlte und undokumentierte Überstunden – in | |
| Absprache mit ihren Vorgesetzten. | |
| „Der Chef sagt, wenn der Umsatz zu niedrig ist, ist das die einzige | |
| Möglichkeit, den Mindestlohn zu zahlen und trotzdem die Angestellten zu | |
| halten“, erzählt der Fahrer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen | |
| will und den seines Arbeitgebers auch nicht. | |
| Auch Bernd Dörendahl, Co-Vorsitzender der Innung des Berliner Taxigewerbes | |
| bestätigt: „Man sieht an den Halten in den Taxen jetzt öfter das | |
| Pausenzeichen.“ Mit einer solchen Mauschelei in Absprache mit den | |
| Angestellten mache sich der Arbeitgeber „erpressbar“, warnt Dörendahl. Denn | |
| das Warten auf Kundschaft, das es ja in vielen Berufen gibt, gilt | |
| juristisch als Arbeitszeit. Würde ein Angestellter gegen die Schummelei | |
| juristisch vorgehen, müsste der Taxiunternehmer kräftig Lohn und | |
| Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. | |
| ## Steigende Preise | |
| Dabei ist die Sache mit der Pausentaste eigentlich als Schutz der | |
| Arbeitgeber vor faulen Angestellten gedacht. Martin Leitner, | |
| Geschäftsführer der Hale Electronic aus Salzburg, die eine Software für die | |
| Taxameter in Deutschland vertreibt, nennt ein Beispiel. Ein Fahrer könnte | |
| theoretisch das Auto eine Stunde abstellen, Freizeit machen, für diese Zeit | |
| den Mindestlohn kassieren und behaupten, solange leider vergeblich an der | |
| Halte gewartet zu haben. Mit Leitners Software aber wird eine Abwesenheit | |
| vom Auto als nicht bezahlte Pause registriert, wenn der Fahrer nicht immer | |
| wieder die Taste im Wagen betätigt, um die „Pause“ zu annullieren. | |
| Tricksereien mit den Pausenzeiten, die man auch auf handschriftlichen | |
| Stundenzetteln machen kann, finden sich eher in Regionen mit mageren | |
| Taxiumsätzen. In Hamburg etwa reiche der Umsatz aus, um den Mindestlohn zu | |
| zahlen, sagt Klaus Hönig, Sprecher der Taxen-Union Hamburg Hansa. | |
| Um die Umsätze zu steigern, wurden vielerorts die Fahrpreise erhöht, im | |
| Schnitt um 15 bis 20 Prozent, berichtet Frederik Wilhelmsmeyer, | |
| Vize-Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbandes. Auch in | |
| Berlin gelten demnächst um 13 Prozent höhere Fahrpreise, in Erfurt stiegen | |
| sie sogar um 40 Prozent. Bisher, so Wilhelmsmeyer, sehe es so aus, als | |
| akzeptiere die Bevölkerung die höheren Preise. | |
| 12 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
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