| # taz.de -- Ausbeutung in Gefängnissen: Arbeitskampf hinter Gittern | |
| > Die Gefangenengewerkschaft feiert ihren ersten Geburtstag. Sie fordert | |
| > einen Mindestlohn und Beiträge zur Rentenversicherung auch im Knast. | |
| Bild: Hier produziert unter anderem Miele: die JVA Rheinbach | |
| BERLIN taz | Sie arbeiten für Großkonzerne wie Mercedes-Benz oder Siemens, | |
| verdienen weniger als 2 Euro die Stunde, und das mitten in der | |
| Bundesrepublik Deutschland. Denn sie sind Häftlinge im Strafvollzug. Seit | |
| einem Jahr haben Gefangene nun eine Lobby: [1][ihre eigene Gewerkschaft.] | |
| „Mit der Gewerkschaft konnten wir die prekäre Arbeitssituation hinter | |
| Gittern ans Licht der Öffentlichkeit zerren“, sagt Oliver Rast, Sprecher | |
| der [2][bundesweiten Gewerkschaft.] Im Mai 2014 hatte sich die Organisation | |
| in der Berliner Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel gegründet. Inzwischen | |
| organisieren sich knapp 600 Mitglieder in 45 deutschen Gefängnissen | |
| gewerkschaftlich – für den Mindestlohn und eine Rentenversicherung auch im | |
| Knast. Denn Inhaftierte zahlen während ihrer Haftzeit nicht in die | |
| Rentenversicherung ein und haben deswegen weniger Rentenanspruch im Alter. | |
| Seit der Gründung der Gefangenengewerkschaft griffen zahlreiche Medien das | |
| Thema auf. Im Dezember 2014 setzte sich im Bundestag auch die Linksfraktion | |
| für die Rentenversicherung von Häftlingen ein. Doch die junge Gewerkschaft | |
| verbucht nicht nur Erfolge: Die Organisation sei permanenten Schikanen | |
| seitens der Justiz ausgesetzt – Vereinspost würde oft verspätet oder gar | |
| nicht an inhaftierte Mitglieder ausgehändigt. Die betreffende Behörde | |
| wollte aufgrund eines laufenden Beschwerdeverfahrens dazu nichts sagen. | |
| In Deutschland sitzen rund 66.000 Menschen hinter Gittern. 41.000 von ihnen | |
| arbeiten dort, in den meisten Bundesländern verpflichtend. 9 bis 15 Euro | |
| verdienen die Gefangenen pro Tag – das sind maximal 1,87 Euro die Stunde. | |
| Die Insassen produzieren dabei oft für staatliche Institutionen, zum | |
| Beispiel Stühle für das Berliner Abgeordnetenhaus oder Richterroben. Aber | |
| auch externe Unternehmen vergeben Aufträge an die JVAs. Teilprivatisierte | |
| Gefängnisse werben auf ihren Internetseiten mit den günstigen Konditionen | |
| in der Produktionsstätte Knast. | |
| ## Miele und Mercedes lassen produzieren | |
| Der Gartengerätehersteller Gardena, der Haushaltsgerätehersteller Miele und | |
| Mercedes-Benz: Sie alle lassen im Gefängnis produzieren oder verlegen | |
| Montage- und Logistikarbeiten hinter Gitter. „Die Arbeit im Knast ist eine | |
| reine Industrie geworden“, sagt André Moussa Schmitz, Landessprecher der | |
| Gefangenengewerkschaft in Nordrhein-Westfalen. Die Unternehmen sehen das | |
| anders: „Durch unsere Aufträge können wir den Menschen eine sinnhafte und | |
| wertschöpfende Tätigkeit anbieten“, sagt Gardena-Sprecher Heribert Wettels. | |
| Auch Miele und Daimler lassen verlauten, dass ihre Firmen mit den Aufträgen | |
| in erster Linie die Resozialisierung unterstützten. | |
| „Keine Arbeit im Gefängnis dient der Resozialisierung, sondern nur der | |
| Ausbeutung von Gefangenen, die sich nicht wehren können“, sagt dagegen ein | |
| Inhaftierter aus der JVA Butzbach in Hessen, der anonym bleiben möchte. | |
| „Das ist Ausbeutung mit staatlicher Zustimmung.“ | |
| Die Gefangenengewerkschaft plant im Juni einen Aktionstag gegen die | |
| „Billiglöhnerei im Knast“. Mit Kundgebungen vor Justizeinrichtungen und | |
| Firmenzentralen will die Organisation gegen die Ausbeutung protestieren. | |
| 26 May 2015 | |
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| [1] /!147691/ | |
| [2] http://www.gefangenengewerkschaft.de/ausbeutung-hinter-gittern-taz/ | |
| ## AUTOREN | |
| Meriem Strupler | |
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