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# taz.de -- Arbeitsbedingungen von Häftlingen: Hungerstreik in der JVA Butzbach
> In Hessen werden Gefangene zur Arbeit gezwungen. Seit dem 1. Dezember
> kämpfen einige von ihnen für Mindestlohn und Rentenansprüche.
Bild: Nicht immer freiwillig, aber immer schlecht bezahlt: Knastarbeit, hier in…
Butzbach taz | Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach haben am
Dienstag einen unbefristeten Hunger- und Bummelstreik begonnen. Sie wollen
damit gegen die fehlende soziale Altersabsicherung sowie den noch immer
existierenden Arbeitszwang für Gefangene protestieren. Die hessische
Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) hatte zuvor die Frist für die
Aufnahme von Verhandlungen über die Forderungen verstreichen lassen. Es ist
das erste Mal, dass Gefängnisinsassen mit einer derartigen Aktion auf
unzureichende sozialpolitische Rechte hinweisen.
Die Gefangenen in Butzbach werden wie ganz normale Arbeitskräfte
eingesetzt. Zur JVA Butzbach gehört eine große Schreinerei – der größte
Eigenbetrieb Hessens. Hier werden Bürostühle wie der Serano Comfort oder
der Milano Deluxe hergestellt. „Um die hohe Qualität zu gewährleisten,
überwachen drei Meister und ein Betriebsleiter die Produktion“, heißt es
auf der Website.
Die Häftlinge müssen in der Schreinerei für weniger als 2 Euro in der
Stunde arbeiten. Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung werden für
sie nicht gezahlt. In Hessen, wie in elf anderen Bundesländern, gilt noch
immer der umstrittene Arbeitszwang für Gefängnisinsassen.
Etwa 60 von insgesamt 400 Häftlingen in Butzbach haben sich in einer
Interessenvertretung für die arbeitenden Beschäftigten organisiert. Nachdem
ihre Forderungen nach einem Mindestlohn, Einzahlung in die Rentenkasse und
Koalitionsfreiheit im Gefängnis nach eigenen Angaben von der
Anstaltsleitung unbeachtet bleiben, wandten sie sich an die hessische
Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU). Sie forderten die Ministerin auf,
mit ihnen Verhandlungen über diese Punkte aufzunehmen. Für den Fall, dass
die Ministerin das ablehne, drohten sie mit einem Streik ab dem 1.
Dezember. Kühne-Hörmann ist nicht zu Gesprächen mit den Gefangenen bereit.
Der Hunger- und Bummelstreik ist nach Ansicht des Vorstands der Gefangenen
Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), Oliver Rast, das einzige
Mittel für die Insassen, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. „Alles
andere würde als Meuterei entsprechend sanktioniert“, erklärt Rast. Die
GG/BO unterstützt die Interessenvertretung der Inhaftierten in Butzbach.
Wie viele Insassen genau streiken, ist nicht klar, da nur postalische
Kommunikation möglich ist. Rast fürchtet, dass die JVA-Leitung massiven
Druck auf die Streikenden ausübt. „Da greifen dann gefängnisinterne
Systematiken“, sagt er.
Schon lange weist die GG/BO auf die Notwendigkeit eines Mindestlohns hin.
„Einfach um klar zu machen, dass auch für Gefängnisinsassen die allgemeinen
sozialen Mindeststandards und Menschenrechte gelten“, so Rast.
Resozialisierung sei nur möglich, wenn die Insassen nach der teilweise
mehrjährigen Haft nicht in Altersarmut entlassen würden.
Die Linksfraktion im hessischen Landtag unterstützt das Anliegen. „Dass die
Gefangenen in den Hungerstreik treten, wirft kein gutes Licht auf
Justizministerin Eva Kühne-Hörmann“, sagt die justizpolitische Sprecherin
der Linken, Marjana Schott. Es gebe keinerlei nachvollziehbare Begründung,
warum zwar Beiträge in die Arbeitslosenversicherung, aber nicht zur
Rentenversicherung gezahlt würden. Eine fortschrittliche Ministerin würde
sich für das Thema starkmachen.
## Die Haftkosten müssen die Insassen zahlen
Ein Sprecher des Justizministeriums hatte zuvor die Forderungen
zurückgewiesen. Die Insassen würden durch ihre Arbeit auch einen Zuschuss
zu ihren Haftkosten leisten. Für diese müssten sie qua Gesetz aufkommen.
„Wir würden sehr begrüßen, wenn die Kosten für die Unterbringung in den
altmodischen 8-Quadratmeter-Kabuffen in Butzbach aufgeschlüsselt werden“,
heißt es dazu vonseiten der Gefangenen Gewerkschaft. Nach Abzug der Kosten
vom Mindestlohn, könne man ja sehen, wie viel übrig bliebe.
Für Samstag hat ein Unterstützerkreis eine Solidaritätskundgebung vor der
JVA Butzbach angekündigt. Ein Schreiben des „Netzwerks für die Rechte
inhaftierter Arbeiter_innen“ haben bislang mehr als 140 Wissenschaftler und
Gewerkschafter unterzeichnet.
3 Dec 2015
## AUTOREN
Alina Leimbach
## TAGS
Gefängnis
Häftlinge
Hungerstreik
Mindestlohn
Rentenversicherung
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Gefangene
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